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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Stegner gerät unter Druck "Ich bin hier nicht angeklagt"

Ist der SPD-Politiker Ralf Stegner für Kanzler Friedrich Merz ein außenpolitisches Risiko? Zwei Kollegen beziehen Stellung. Stegner selbst spricht von russischer Intrige.
Bei "Hart aber fair" stellten am Montagabend sowohl die FDP-Außenexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann als auch ihr CDU-Kollege Roderich Kiesewetter (CDU) die Eignung Ralf Stegners (SPD) als deutscher Geheimnisträger infrage. Stegner war mit anderen deutschen Politikern jüngst nach Baku gereist, um sich dort mit Vertretern des Putin-Regimes zu treffen. Der Trip hatte in der deutschen Politik zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Auch Strack-Zimmermann und Kiesewetter warnten nun in der Sendung von Louis Klamroth vor möglicherweise internationalen Auswirkungen der Reise.
Die Gäste
- Roderich Kiesewetter (CDU), Verteidigungsexperte
- Ralf Stegner (SPD), Außenpolitiker
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Außenexpertin
- Michael Lüders (BSW), Beisitzer im Parteivorstand
- Sophie von der Tann, ARD-Korrespondentin für Israel
- Jörg Wimalasena, "Welt“-Politikredakteur
Kiesewetter warf Stegner vor, die offizielle deutsche Außenpolitik zu untergraben. Denn bei diesen Bemühungen gehe es darum, Russland zu isolieren. Durch Treffen wie das von Stegner mit führenden Vertrauten des russischen Machthabers Wladimir Putin in Aserbaidschan entstehe aber der Eindruck einer "Schattendiplomatie" und eines "Paralleldialogs" – ohne dass klar sei, in welchem Auftrag das geschehe und mit welchem Ziel.
Das ARD-Politikmagazin "Kontraste" und die Wochenzeitung "Zeit" hatten zuvor über das Treffen Mitte April in Baku berichtet. Thema war soll dabei die Zukunft des "Petersburger Dialogs" gewesen sein, eines Gesprächsforums, das der frühere Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 2001 gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Leben gerufen hatte. Vertreter von Union und Grünen forderten Konsequenzen für die beteiligten Politiker.
Was weiß Merz, was wusste Scholz?
Kiesewetter stellte bei "Hart aber fair" nun eine zentrale Frage, die jedoch unbeantwortet blieb. "Weiß das das Bundeskanzleramt?", so der Bundestagsabgeordnete und Oberst a.D. nicht nur mit Blick auf Stegners Reise nach Baku.
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Mehr noch, sagte Kiesewetter. Pofalla und Platzeck seien seit April 2022 mehrfach – im niedrigen zweistelligen Bereich, wie er sich ausdrückte – in Moskau gewesen. "So schaffen wir Einfallstore für russische Narrative", so der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums und warnte vor einem negativen Eindruck solcher Geheimgespräche auf dem Baltikum oder in Polen, nach dem Motto "Hauptsache Waffenstillstand, wenn wir den Frieden schon nicht schaffen".
Dem Parlamentarischen Kontrollgremium gehört auch Stegner an. Ginge es nach Strack-Zimmermann, sollte der SPD-Mann im neuen Bundestag nicht erneut für die Position in dem Gremium nominiert werden. "Gerade in einer Zeit, in der Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und unsere Demokratie unter Druck steht, ist es ein fatales Signal, wenn ein Kontrollgremien-Mitglied sich auf solche Gespräche einlässt – noch dazu unter dem Deckmantel der "Privatheit". Das ist entweder naiv oder verantwortungslos – beides disqualifiziert für dieses Amt", schrieb Zimmermann auf X dazu.
"Ist das eine gute Idee, nach Baku zu reisen und sich mit den Freunden von Putin zu treffen?", fragte Klamroth in seiner Sendung nun die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europaparlament. Strack-Zimmermann fragte im Gegenzug, was genau Stegner sich von dem Treffen versprochen habe. Glaube er ernsthaft, dass jemand in Moskau an seiner Meinung – oder an ihrer oder Kiesewetters – interessiert sei?
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"Was für eine Hybris muss man haben, zu glauben, dass man den Unterschied macht", sagte Strack-Zimmermann – und stellte wie Kiesewetter eine Art K-Frage an Stegner: "Es sei denn, der frühere Bundeskanzler hat Sie hingeschickt." "Das ist eine Frechheit", wies der Sozialdemokrat die Vorwürfe zurück. "Ich bin hier nicht angeklagt", wehrte Stegner sich später in der Talkshow.
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Strack-Zimmermann contra Stegner
Stegner betonte bei Klamroth erneut, er sei als Privatmensch nach Baku gereist und habe den Trip aus eigener Tasche bezahlt. "Es geht um die Frage, ob man herausfinden kann, ob es auf der anderen Seite Bewegungsmöglichkeiten gibt und ob man vermitteln kann, was man selber denkt", rechtfertigte er das umstrittene Treffen.
Stegner unterstellte bei "Hart aber fair", Opfer einer russischen Kampagne geworden zu sein. Der "Kontraste"-Bericht über das Treffen sei "offenkundig aufgrund eines russischen Leaks zustande gekommen". Offenbar seien die Russen enttäuscht gewesen, dass er trotz der diplomatischen Gespräche weiter von einem Angriffskrieg gegen die Ukraine gesprochen hatte, sagte Stegner.
Er verteidigte trotz dieses Verdachts seine Kontakte zum Kreml. "Wie will man denn eigentlich wissen, was die andere Seite denkt, wenn ich nur entweder nachrichtendienstliche Informationen habe oder Zeitung lese. Miteinander zu reden, kann doch gar nicht schaden." Außerdem sei es doch klar, dass man in solchen Runden "nicht mit Widerstandskämpfern" spreche oder mit Menschen, deren Werte man "vollständig" teile.
Auf die Frage der ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann, ob Stegner denn nun in Baku etwas anderes als russische Propaganda gehört habe, erwiderte der SPD-Politiker: "Ja, in der Tat." Sprüche zu einem großsowjetischen Reich höre man in solchen Gesprächen nicht. Das überraschte Kiesewetter nicht. Sein Verdacht: Russland wolle durch die Treffen auch den Verkauf der Pipeline Nord Stream 2 an ein US-Konsortium vorantreiben.
- ARD: "Hart aber fair" vom 12. Mai 2025