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Corona-Ausbruch: Wie sich Berlin, Hamburg und Co. die Zahlen schönrechnen


Streit zwischen Kommunen und RKI
Wie sich Großstädte die Corona-Zahlen schönrechnen

Von Jan-Henrik Wiebe

Aktualisiert am 14.10.2020Lesedauer: 3 Min.
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Elbphilharmonie in Hamburg: Auch die Hansestadt macht ihre eigene Corona-Rechnung auf.Vergrößern des Bildes
Elbphilharmonie in Hamburg: Auch die Hansestadt macht ihre eigene Corona-Rechnung auf. (Quelle: imago-images-bilder)

50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner – das ist der kritische Wert in der Corona-Pandemie. Doch einige Städte haben nun einen Trick entdeckt, um ihren Inzidenzwert möglichst gering zu halten.

Immer mehr Großstädte in Deutschland werden zu Risikogebieten erklärt. Mittlerweile haben über 35 Städte und Kreise den Inzidenzwert von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen überschritten.

Sobald dieser Wert erreicht ist, gibt es zumeist Restriktionen für die Bewohner – etwa, dass sie in vielen Bundesländern nicht mehr in Hotels übernachten dürfen. Der politische Streit über das Beherbergungsverbot wird auch das Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten bestimmen. Dabei wird es auch um viele andere mögliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gehen.

Was wahrscheinlich kein Thema sein wird, ist die Tatsache, dass einige Städte einen Weg entdeckt haben, wie sie den entscheidenden Wert leicht drücken können: Sie rechnen mit anderen Einwohnerzahlen als das Robert Koch-Institut (RKI). Das RKI ermittelt die Bevölkerungszahlen nach dem sogenannten Fortschreibungsprinzip, ausgehend vom Zensus 2011. Manch eine Stadt beruft sich jedoch auf die Zahl der gemeldeten Einwohner, die in der Regel höher liegt. Amtlich sind diese Zahlen allerdings nicht, denn oft sind bei dieser Zählweise viele Karteileichen enthalten.

Auch Hamburg hat einfach umgestellt

Je nach Rechnung hat Berlin etwa 3,6 oder 3,7 Millionen Einwohner. Grund für die Differenz sind meist Umzüge ins Ausland. Umgekehrt gibt es aber auch Personen, die zwar in der Stadt leben, aber nicht gemeldet sind.

Auf Anfrage von t-online teilte die Berliner Senatsverwaltung mit, dass sie die Einwohnerregisterstatistik als Grundlage für die eigene Berechnung des Inzidenzwertes nimmt.

Ähnlich macht es die Stadt Hamburg. Sie hat Ende September die Zählweise ihrer Bürger einfach umgestellt. "In vorherigen Berechnungen wurde von einer Einwohnerzahl von rund 1,8 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger ausgegangen, wodurch der Grenzwert bei 900 statt 950 Fällen lag", heißt es auf der offiziellen Seite der Stadt. Sie rechnet nun mit rund 1,9 Millionen Einwohnern und kommt damit auf einen höheren Grenzwert.

Die Hansestadt hat gerade den Wert von 35 Corona-Neuinfektion in den vergangenen sieben Tagen überschritten – und muss nun wahrscheinlich weitere Maßnahmen ergreifen. Hätte sie den ursprünglichen Wert weiter verwendet, wäre dies wohl früher der Fall gewesen.

Den gleichen Trick wendet die Stadt Bremen an. Sie teilt mit: "Klar ist, dass sich diese Zahlen von den Zahlen des RKI unterscheiden. Daraus ergeben sich für uns aber keine größeren Probleme, da wir unsere Maßnahmen an unsere eigenen Berechnungen koppeln." Damit rechnet die Stadt ihren Bürgern die Lage durchaus etwas schön.

RKI rechnet mit ungünstigeren Zahlen

Doch nicht nur im Norden und in Berlin wird geschummelt. Sachsens Landeshauptstadt Dresden rechnete laut eigenen Angaben bis zum 12. Oktober mit der Einwohnerzahl vom 31. März 2020: 562.132. Seitdem werden für den Inzidenzwert die älteren Werte vom 31. Dezember 2019 verwendet, als in der Stadt an der Elbe noch 563.011 Personen gemeldet waren. Warum es diesen wundersamen Wechsel gab, teilte die Stadt trotz entsprechender Anfrage nicht mit. Das RKI rechnet hingegen mit nur 556.780 Bewohnern, also einer ungünstigeren Zahl für die Stadt.

Im Gegensatz dazu halten sich die Städte München, Köln und Stuttgart an die amtlichen Zahlen, die auch vom RKI verwendet werden. Die Sprecherin der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg gibt zu: "Stuttgart ist derzeit so deutlich über der 50er-Grenze, dass gewisse Schwankungen bei der Bevölkerungszahl nicht viel ausmachen." Würde München seinen Inzidenzwert auf Basis der gemeldeten Bürger ausrechnen, hätte es für den Zeitraum vom 6. bis 12. Oktober nur leicht über dem kritischen Wert von 50 gelegen.

Anders als bei den Zahlen, die einige Städte herausgeben, beruhen die offiziellen Inzidenzwerte auf amtlichen Bevölkerungsstatistiken. Diese Zählweise wurde erst 2018 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Geklagt hatten damals die Stadtstaaten Berlin und Hamburg.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Urteil Bundesverfassungsgericht 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15
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