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Coronavirus: Wie realistisch sind Privilegien für Geimpfte?


Kampf gegen die Pandemie
Privilegien für Corona-Geimpfte? Das sind die Pläne

dpa, Von Teresa Dapp

Aktualisiert am 30.12.2020Lesedauer: 4 Min.
Fluggäste mit Maske: Bald könnten hier nur noch geimpfte Passagiere Platz nehmen – so will es zum Beispiel die australische Airline Quantas (Symbolbild).Vergrößern des BildesFluggäste mit Maske: Bald könnten hier nur noch geimpfte Passagiere Platz nehmen – so will es zum Beispiel die australische Airline Quantas (Symbolbild). (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)
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Restaurants, Konzerte, Hotels: Brauchen wir bald für die Teilnahme am öffentlichen Leben einen Impf-Ausweis? Entsprechende Pläne gibt es bereits vereinzelt. Kritiker sprechen von einer "Impfpflicht durch die Hintertür".

Man kann sich das leicht ausmalen: Am Eingang zum Club fragt der Türsteher erst nach dem Personalausweis, dann nach dem Impfausweis. Wer den Urlaub bucht, gibt auch eine Impfpass-Nummer an. Bedauerndes Kopfschütteln an der Hotelrezeption: In den Wellnessbereich leider nur mit Corona-Impfung. Ist das realistisch? Noch gibt es in Deutschland und weltweit längst nicht genug Impfstoff für alle, die sich piksen lassen wollen. Aber was ist in einem Jahr?

Drei Dinge sind immerhin klar: Um Verschwörungstheoretikern keine Munition zu liefern, ist das Bemühen groß, Sorgen vor einer "Impfpflicht durch die Hintertür" zu zerstreuen. Solange nicht jeder und jede geimpft werden kann, der oder die das will, sind Privilegien für Geimpfte zumindest in Deutschland nicht vorstellbar. Und: Um zu entscheiden, müssen mehr Erkenntnisse über die Impfstoffe her.

Rechtliche Unsicherheiten – mangelnde Datenlage

Dürfen Unternehmen – Veranstalter, Hotels, Fluggesellschaften und so weiter – überhaupt Menschen ausschließen, die nicht geimpft sind?

Das hänge "von einer Vielzahl von Faktoren ab, über die zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verlässliche Aussage getroffen werden kann", erklärt eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums – insbesondere, "in welchem Maße eine Impfung nicht nur die geimpfte Person vor einem Ausbruch der Krankheit schützt, sondern auch andere Personen vor einer Ansteckung." Nach Angaben des Robert Koch-Instituts ist denkbar, dass Geimpfte zwar selbst nicht erkranken, das Virus aber weitergeben. Die Firma Biontech rechnet mit Daten dazu bis Februar.

"Ganz allgemein" könne es privaten Anbietern im Rahmen der Vertragsfreiheit freistehen, "den Abschluss von Verträgen oder den Zutritt zu ihren Liegenschaften zu verweigern", heißt es beim Justizministerium. Anders sei das teils im öffentlichen Personen- und Nahverkehr oder beim Flugverkehr, da gebe es gewisse Pflichten.

Branchenverbände unterschiedlich eindeutig

Wollen Unternehmen denn Nicht-Geimpfte ausschließen? Die Wortmeldungen aus den Branchen fallen unterschiedlich eindeutig aus.

Luftfahrt: Für Aufregung sorgte im November die Ankündigung der australischen Airline Qantas, auf bestimmten Strecken nur noch Geimpfte mitzunehmen. In der Branche löste das allerdings eher Kopfschütteln aus. "Wir halten gar nichts davon, die große Gruppe der noch nicht Geimpften vom Luftverkehr oder von den Verkehrsträgern insgesamt auszuschließen", sagt der Hauptgeschäftsführer des Luftverkehrs-Verbands BDL, Matthias von Randow.

Bahn: Die Bahn, deren Aktien komplett dem Bund gehören, schließt Privilegien oder Nachteile auf Nachfrage eindeutig aus: "Die Deutsche Bahn wird bei der Beförderung ihrer Kunden keinen Unterschied zwischen geimpften und nicht geimpften Passagieren machen."

Handel: Für den Handelsverband HDE sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: "Eine Einteilung der Kundinnen und Kunden in Geimpfte und Ungeimpfte ist nicht wünschenswert und in der Praxis auch sicher kaum möglich."

Gastronomie: "Für diese Diskussion ist es aus unserer Sicht viel zu früh", sagt die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands Dehoga, Ingrid Hartges. "Solange nicht ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung steht, brauchen wir nicht über Zugangsbeschränkungen zu sprechen." Auch rechtliche Fragen seien offen.

Veranstalter: Der Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow, hält eine Impfung als Einlass-Voraussetzung für nicht rechtens. Eine Diskriminierung von nicht geimpften Personen wäre "aus juristischer Sicht ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 3 unseres Grundgesetzes", sagt der Jurist. "Daher wäre es aus meiner Sicht auch dem Staat verwehrt, ein Gesetz zu erlassen, welches eine bevorzugte Behandlung von geimpften Personen regelt."

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All das sind freilich Stimmen aus Deutschland. Klar ist, dass andere Länder eine Corona-Impfung zur Bedingung für die Einreise machen könnten, wir es das schon für Gelbfieber gibt. Und die Airline Qantas dürfte ihre Regeln wohl auch in Deutschland umsetzen. Natürlich stellt sich dann wieder die Frage der Kontrolle. Einen Immunitätsausweis hatte der Deutsche Ethikrat im September zwar klar abgelehnt – aber unter Verweis auf medizinische Unklarheiten.

Was sagt die Politik?

Auf die verweist auch die Politik. Der rechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Fechner, sprach in der "Welt" von Überlegungen, eine "Ungleichbehandlung" in der Privatwirtschaft zu verhindern. Das fordert etwa die Deutsche Stiftung Patientenschutz mit Blick auf Pflegeanbieter, die Ungeimpfte als Patienten ablehnen könnten. Allerdings fügt Fechner einen einschränkenden Hinweis hinzu: Wenn sich zeige, dass Geimpfte ansteckend seien, dann wäre eine Ungleichbehandlung epidemiologisch nicht zu rechtfertigen.

Umgekehrt könnte man dann auch sagen: Wer garantiert nicht mehr ansteckend ist, dessen Freiheiten dürfen doch auch nicht mehr eingeschränkt werden – das gibt die FDP zu bedenken. Der Unions-Rechtsexperte Jan-Marco Luczak (CDU) schimpfte unterdessen über eine "Phantomdebatte" mit "verfrühten und hypothetischen Diskussionen über verfassungsrechtlich zudem zweifelhafte Verbote".

Justizministerin: Privilegien "verbieten sich gegenwärtig"

Auch aus Sicht von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht "verbieten sich gegenwärtig Privilegien für Geimpfte", wie sie sagt – weil es offene Fragen zur Wirkung gebe und noch nicht genug Impfstoff da sei. "Wir sollten die richtigen Diskussionen zur richtigen Zeit führen", mahnte sie. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt Privilegien mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass noch nicht alle die Chance zur Impfung haben. Nur: Das wird sich ändern.

Am Dienstagabend dann nannte Spahn die Debatte über Privilegien "durchaus richtig und wichtig". Es gebe einen Unterschied zwischen staatlichem Handeln sowie öffentlicher Daseinsvorsorge und dem privat-gewerblichen Bereich, sagte er bei "Bild Live". Er sei "selber hin- und hergerissen in der Frage", räumte Spahn ein. "Ich finde, wir sollten da nicht zu viel regulieren." Ob Geimpfte weiterhin andere anstecken könnten, mache "einen ganz entscheidenden Unterschied", sagte Spahn. Er empfehle, die Erkenntnisse dazu abzuwarten.

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Viele hoffen, dass sich die Diskussion von selbst erledigt. Nämlich dann, wenn sich ausreichend Menschen freiwillig impfen lassen und die sogenannte "Herdenimmunität" erreicht wird. 60 bis 70 Prozent der Menschen müssen immun sein, um das Virus zu stoppen, hieß es dazu bisher oft von Experten. Doch auch daran gibt es schon Zweifel. Sicher ist in der Pandemie vor allem eines: die große Unsicherheit.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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