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TV-Kritik zu Anne Will: Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock weicht Druck aus


Die Flucht ins Floskelhafte
Annalena Baerbock weicht Druck bei "Anne Will" aus

Eine TV-Kritik von Peter Luley

Aktualisiert am 26.04.2021Lesedauer: 3 Min.
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Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, war bei "Anne Will" zu Gast.Vergrößern des Bildes
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, war bei "Anne Will" zu Gast. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)

"Bundesnotbremse in Kraft – Durchbruch oder Tiefpunkt in der Pandemiepolitik?" So lautete das Thema bei "Anne Will". Zunächst gab es aber eine Fortsetzung des Annalena-Baerbock-Schaulaufens.

Wenn man die Fähigkeit, nichts preiszugeben, was man nicht sagen möchte, und zur Not frageunabhängig einfach das zu sagen, was man sich vorgenommen hat, als wichtige Qualifikation für höchste politische Ämter ansieht, dann bringt Annalena Baerbock schon mal beste Voraussetzungen mit. So könnte das Fazit der überraschungsarmen gestrigen "Anne Will"-Ausgabe lauten. Denn bevor es um das eigentliche Sendungsthema, die gerade eingeführte Bundesnotbremse, ging, widmete sich die Gastgeberin in einem 20-minütigen Einzelgespräch der Kür der ersten grünen Kanzlerkandidatin.

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So geräuscharm und kollegial ihre Nominierung nach außen hin abgelaufen sei, wandte sich Will an Baerbock, stehe "jetzt doch ganz blöd im Raum, Sie seien es nur geworden, weil Sie 'ne Frau sind. Kriegen Sie das noch mal abgeräumt?" – "Na, mein Geschlecht werde ich nicht ändern", gab Baerbock zurück und räumte ein: "Natürlich hat die Frage von Emanzipation auch 'ne Rolle gespielt." Es waren ziemlich genau dieselben Worte, die sie schon bei der Verkündungspressekonferenz vor einer Woche benutzt hatte, weswegen Anne Will glaubte, nachfassen zu müssen: "Sagen Sie damit nicht doch, dass Sie es nur geworden sind, weil Sie eine Frau sind?" Darauf Baerbock: "Nein, das sag ich nicht, sonst hätte ich ja gesagt, das wäre der alleinige Grund gewesen."

Die Gäste

  • Annalena Baerbock, Grünen-Vorsitzende und designierte Kanzlerkandidatin
  • Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel)
  • Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Justizministerin a.D.
  • Viola Priesemann, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut Göttingen
  • Wolfgang Merkel, Politikwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)

Auch Robert Habeck habe bislang als einziges Entscheidungskriterium ihr Frausein angeführt, insistierte Anne Will, ob diese Betonung nicht den Finger in die Wunde lege. "Wenn Sie das so sehen, also, ich seh das nicht so", antwortete Annalena Baerbock. Sie habe sich geprüft, was es alles brauche für eine Kanzlerkandidatur.

Wichtig sei es, "Durchsetzungsfähigkeit und Entschlossenheit" einzubringen, "aber eben auch Empathie und Menschlichkeit" und "vor allen Dingen einen klaren Kompass". Ob das der Unterschied zu Habeck sei, die Durchsetzungsfähigkeit, hakte Will ein. "Nein, also, wir können das jetzt noch ein paarmal hin und her spielen", retournierte Baerbock. Fast schien es, als wolle sie Wills Hartnäckigkeit mit immer größerer Floskelhaftigkeit begegnen. So viel habe man aufgebaut in drei Jahren, es sei darum gegangen, "sich für die Breite der Gesellschaft zu öffnen, mehr zuzuhören, ins Land hinauszugehen …"

Auf die nochmalige Nachfrage "Was spricht für Sie?" entschied sich Baerbock nochmals für die Richtungskompetenz: "Ich hab den klaren Kompass, wie wir gemeinsam dieses Land erneuern können." Aber Will wollte ihre Grill-Bemühungen noch nicht einstellen. Sie kam auf Robert Habecks "Zeit"-Interview zu sprechen, in dem der ehemalige Landesminister in Schleswig-Holstein "den Blick auf Ihre Defizite" gelenkt habe, fehlende Regierungserfahrung zum Beispiel. "Hilft Ihnen das?", fragte Will scheinheilig. "Interessant, dass Sie den Montag und das Danach so anders wahrgenommen haben", wich Baerbock aus. "Wie haben Sie's denn wahrgenommen, als Hilfestellung?", fragte Will. "Ja", antwortete Baerbock, es sei doch sinnvoll, unterschiedliche Aspekte mit einzubringen, und Habeck steuere seine Regierungserfahrung bei.

Nicht mal zur Frage, ob sie lieber gegen den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet als gegen den "Grünen-Flüsterer" Markus Söder antrete, konnte die Moderatorin der Parteichefin mehr als Allgemeinplätze entlocken. "Wen die anderen aufstellen, das entscheiden die anderen Parteien", erklärte Baerbock mit wahrlich staatstragender rhetorischer Disziplin. "Sie werden sich aber irgendwas gedacht haben?", probierte es Will von Neuem. "Ich hab gedacht: Zum Glück haben die jetzt eine Entscheidung getroffen", sagte Baerbock.

Auch als Bürgerin habe sie die Unsicherheit in Pandemiezeiten besorgt. Zum Abschluss dieses phasenweise quälenden Einzelgesprächs zwischen ziellos wirkender journalistischer Härte einerseits und trotziger Flucht in Floskeln andererseits durfte die Kandidatin dann noch ihren "klaren Plan" referieren, "wie wir auf diesen 1,5-Grad-Pfad kommen" – bevor ein Einspieler zu den Regelungen des neuen Infektionsschutzgesetzes überleitete.

Grundsätzlich notwendig, gleichwohl mit Mängeln behaftet – so lassen sich die verschiedenen Standpunkte der Diskutanten hierzu zusammenfassen. Ökonom Gabriel Felbermayr vermisste "den großen Wurf" und eine "ordentlich gemachte Teststrategie", Physikerin Viola Priesemann beklagte die Halbherzigkeit des seit November herrschenden "Lockdown light", mit dem es nicht gelinge, die Fallzahlen herunterzubringen, und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Grande Dame der Liberalen, monierte die "massive Beschränkung von Freiheitsrechten" in Form der Ausgangssperre, wozu in Karlsruhe ja auch schon 40 Verfassungsbeschwerden vorlägen.

Bahnbrechend Neues hatten also auch die restlichen zwei Drittel der Sendung nicht zu bieten.

Verwendete Quellen
  • "Anne Will" vom 25.4.2021
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