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Omikron-Gefahr: Olaf Scholz in der Pflicht – Es braucht mehr als den großen Knall


Die Omikron-Gefahr
Er braucht mehr als den großen Knall

MeinungEin Kommentar von Luis Reiß

Aktualisiert am 21.12.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Olaf Scholz: Der neue Bundeskanzler steht kommunikativ vor einer gewaltigen Herausforderung.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Der neue Bundeskanzler steht kommunikativ vor einer gewaltigen Herausforderung. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)

Experten warnen deutlich vor der Omikron-Variante des Coronavirus, doch viele Menschen scheren sich kaum um die neue Gefahr. Der Kanzler muss jetzt ein unmissverständliches Signal geben – egal, wie schwer das wird.

Für große Reden an die Nation wird Angela Merkel den Deutschen eher nicht in Erinnerung bleiben. Doch der 18. März 2020 dürfte eine der seltenen Ausnahmen gewesen sein. Merkel sagte damals in einer landesweit ausgestrahlten TV-Ansprache zur Corona-Lage die folgenden Worte:

"Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt."

Corona wie der Zweite Weltkrieg – rumms, das saß.

Jetzt, fast zwei Jahre später, kursiert die Omikron-Variante des Virus. Sie verbreitet sich deutlich schneller als alle bisher bekannten Corona-Mutanten – und umgeht auch den Immunschutz bei Genesenen und doppelt Geimpften. Wissenschaftler skizzieren bedrohliche Szenarien, nach denen so viele Menschen gleichzeitig erkranken könnten, dass die kritische Infrastruktur beeinträchtigt wird. Die Prognosen sind dramatischer denn je.

Eigentlich hat Scholz nur eine Wahl

Die Menschen verhalten sich bislang jedoch kaum entsprechend. Die Mobilität ist zwar gesunken, jedoch nicht so stark wie in vorherigen Wellen. Abstandsregeln werden nicht mehr ernst genommen, die Maske hängt in der Bahn unter der Nase. Und mal ehrlich: Wer testet sich wirklich vor Familientreffen?

Staatlich verordnete Regeln sind eben nicht alles. Der Corona-Gipfel an diesem Dienstag wird zwar striktere Kontaktbeschränkungen für die Zeit nach Weihnachten erlassen, es bleibt außerdem bei bekannten Maßnahmen wie 2G. Doch das wird ohne größere Vorsicht aller das Omikron-Desaster nicht verhindern. Da sind sich viele Experten einig.

Eigentlich hat Olaf Scholz, erst wenige Tage als Bundeskanzler im Amt, nur eine Wahl: Er muss seinen 18. März 2020 schaffen – ein eindeutiges Signal, das die Bevölkerung in Alarmbereitschaft versetzt. Ausgestrahlt in allen großen TV-Sendern, verbreitet in allen sozialen Netzwerken. Worauf wartet er noch?

Das ist der schnelle Impuls, und möglicherweise auch der richtige. Trotzdem ist das Thema komplexer. Verglichen mit Merkel hat Scholz nämlich ein entscheidendes Problem: Kein Mensch will seine Warnungen mehr hören.

Die fatale Pandemiemüdigkeit

Nach fast zwei Jahren Pandemie hat sich jeder Aufruf zu Vorsicht abgenutzt. Wissenschaftler wie RKI-Chef Lothar Wieler und Politiker wie der damalige Gesundheitsminister Spahn betonten monatelang einstimmig, es sei fünf vor zwölf oder fünf nach zwölf oder … wer hört denn da noch hin? Selbst den Weltkriegsvergleich hat Merkel schon gebraucht. Größer geht es rhetorisch nicht mehr. Die meisten Menschen erinnern sich heute vor allem daran, dass es schließlich doch nicht so schlimm kam. Alpha, Beta, Delta – jetzt kommt halt Omikron.

Genau gegen dieses fatale Gefühl muss Scholz nun kommunikativ ankämpfen. Dafür braucht er nicht nur den großen Knalleffekt des 18. März 2020. Ein identischer Rahmen muss es sein, natürlich. Aber Scholz sollte auch weitere Stärken aus Merkels historischer Rede nutzen. Deutlich stärker als zum Beispiel Macron in Frankreich ("Wir sind im Krieg") zeigte sie Empathie und lieferte eine unmissverständliche Erklärung der durchaus verwirrenden Lage.

Letzteres dürfte Scholz einfacher fallen, ist aber nicht minder wichtig. Gerade sinken die Zahlen, wie kann denn die Gefahr trotzdem steigen? Auf dieses Paradox muss der Kanzler eine für alle Menschen in Deutschland verständliche Antwort geben, und zwar noch vor Weihnachten.

Als "Scholz-O-Mat" geht es nicht

Ob er aber auch den richtigen Ton findet, um all jene wachzurütteln, die einfach erschöpft sind von den nicht enden wollenden Einschränkungen und Warnungen? Ist das überhaupt möglich?

Im Wahlkampf hat Scholz gezeigt, dass er im direkten Kontakt mit Bürgern mehr ist als der häufig beschriebene "Scholz-O-Mat". Die Frage, ob er auch auf der größtmöglichen Bühne eine andere Seite zeigen kann, könnte für die kommenden Wochen von großer Bedeutung sein. Zumindest versuchen muss er es.

Damit in der Bevölkerung wieder ankommt, was Merkel schon am 18. März 2020 als ihr dringendstes Anliegen bezeichnet hat:

"Alle staatlichen Maßnahmen gingen ins Leere, wenn wir nicht das wirksamste Mittel gegen die zu schnelle Ausbreitung des Virus einsetzen würden: Und das sind wir selbst. (…) Nicht in Panik verfallen, aber auch nicht einen Moment denken, auf ihn oder sie komme es doch nicht wirklich an. Niemand ist verzichtbar. Alle zählen, es braucht unser aller Anstrengung."

Verwendete Quellen
  • Transkript von Merkels Fernsehansprache am 18. März 2020
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