Wegen Omikron-Welle Lauterbach: Vierte Impfung wird notwendig sein
Während die Booster-Kampagne auf Hochtouren läuft, ist bereits die Rede von einer vierten Impfung. Der Gesundheitsminister spricht zudem dringende Empfehlungen für die Weihnachtstage aus.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht davon aus, dass womöglich eine vierte Impfdosis gegen das Coronavirus verabreicht werden muss. "Es kann sein, dass der Impfschutz nicht allzu dauerhaft ist", sagte er bei der Bundespressekonferenz in Berlin mit Blick auf die dritte Impfung. Man wisse noch nicht, wie lange der Schutz gegen die Omikron-Variante halte.
Die hochansteckende Mutante dürfte nach Lauterbachs Einschätzung in Kürze das Infektionsgeschehen beherrschen. Er erwartet aber, dass Deutschland die Variante in den Griff bekommt. "Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, wirken", so der SPD-Politiker. "Nichtsdestotrotz müssen wir mit einer fünften Welle rechnen. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Omikron-Welle nicht mehr verhindern lässt."
Booster mindert Wahrscheinlichkeit von schwerem Verlauf enorm
Lauterbach geht davon aus, dass die neue Variante in spätestens drei Wochen die Mehrzahl der Infektionen ausmachen wird. Das wichtigste Instrument im Kampf gegen diese Infektionswelle sei eine "besonders offensive" Booster-Impfkampagne. Studien zeigten, dass die Auffrischungsimpfungen gut gegen Ansteckungen und schwere Verläufe schützten, betonte der Gesundheitsminister.
Anders als bei der Zweitimpfung setze die Schutzwirkung nach der Booster-Impfung den Untersuchungen zufolge bereits nach einer Woche ein, sagte Lauterbach. Mit Blick auf symptomatische Infektionen liege die Wirksamkeit des Boosters demnach "irgendwo zwischen 70 und 80 Prozent", der Schutz vor einem schweren Verlauf wahrscheinlich bei "deutlich über 90 Prozent".
Dringender Appell an Ärzte
Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, dass die angekündigten 30 Millionen Auffrischungsimpfungen seit Mitte November bis Weihnachten verabreicht sein würden. Bereits jetzt seien 27 Millionen Dosen verimpft worden. Ziel sei es, insgesamt 60 Millionen Booster-Impfungen zu verabreichen. Dafür stünden 30 Millionen weitere Dosen des Moderna-Impfstoffs und 3 Millionen des Biontech/Pfizer-Vakzins zur Verfügung. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sieht nach eigenen Angaben ebenfalls gute Chancen, dass die Infektions- und Krankenstandskurven nicht die Form einer Wand annehmen.
An die Impfärzte appellierte Lauterbach eindringlich, den Moderna-Impfstoff auch einzusetzen. Dieser sei "ein besonders guter Impfstoff". Für die Zeit zwischen dem 24. Dezember und dem 9. Januar sollen Ärzte und Apotheker für eine Impfung durchgehend den Feiertagssatz von 36 Euro erhalten. Deutschland habe 80 Millionen Dosen eines Omikron-spezifischen Impfstoffs bei Biontech bestellt. Er rechne mit der Lieferung im April oder Mai, sagte Lauterbach. Zusätzlich werde aber auch Moderna-Impfstoff bestellt.
Lauterbach hat dringende Empfehlungen für Weihnachten
Mit Blick auf den jüngst zugelassenen Novavax-Impfstoff berichtete der Gesundheitsminister, er habe vier Millionen Dosen bestellt. Diese würden womöglich im Januar ausgeliefert. "Eine spezielle Verteilung haben wir uns nicht überlegt", so Lauterbach. Es gehe um Angebot und Nachfrage, wenn man den Impfstoff im Januar bekomme. Er rechne etwa mit größerer Nachfrage in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Bayern. Vom Totimpfstoff Valneva habe man elf Millionen Dosen bestellt, dieser sei jedoch noch nicht zugelassen.
Der SPD-Politiker rief die Menschen zu Corona-Tests und Feiern nur im kleinen Kreis an Weihnachten auf. Zwar seien die Feiertage keine besondere epidemische Herausforderung, sagte der Gesundheitsminister. Doch müssten alle an den Weihnachtstagen aufeinander achtgeben. Besondere Vorsicht sei etwa bei Zusammenkünften zum Fest geboten. "Ich rate allen, sich vorher zu testen." Bevorzugt solle man mehrere Tests hintereinander machen. "Kleine Gruppen sind besser als große Gruppen", betonte Lauterbach zudem.
"Kliniken und Intensivstationen sind weiterhin am Limit"
Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler rechnet mit einer Verschärfung der Lage in Kürze. "In den vergangenen Tagen waren die Fallzahlen rückläufig, aber leider ist das kein Zeichen für eine Entspannung", sagte er in Berlin. "Wir müssen die noch immer sehr hohen Fallzahlen runterbekommen." Darüber hinaus komme eine Infektionswelle von noch nicht gesehener Dynamik, sodass dem Gesundheitssystem eine Überlastung drohe. In drei Wochen werde Omikron die dominierende Variante sein. "Das Weihnachtsfest darf nicht der Funke sein, der das Omikron-Feuer entfacht."
Die Corona-Lage in Deutschland werde über die Feiertage und den Jahreswechsel unvollständig in Meldedaten abgebildet. Dies sei etwa durch Urlaube, geschlossene Arztpraxen, weniger Tests am Arbeitsplatz, in Schulen sowie Kitas und entsprechend auch weniger Erreger-Nachweise zu erklären, sagte er. Lesen Sie hier mehr dazu. Trotzdem sei klar, was zu tun ist: Neben dem Impfen sei das Reduzieren von Kontakten entscheidend.
Wieler appellierte an die Menschen, Weihnachten im kleinen Kreis zu verbringen. "Kliniken und Intensivstationen sind weiterhin am Limit." Es würden nach wie vor etwa 2.000 Covid-Todesfälle wöchentlich registriert.
Der RKI-Chef verteidigte seine Empfehlung harter Corona-Maßnahmen. Er sehe "keinerlei Widerspruch" zu einer Vorlage des Expertenrats der Bundesregierung, dem auch er selbst angehört. Dieses Gremium habe lediglich dazu aufgefordert, etwas zu tun, ohne genauer zu sagen, was. "Das RKI ist eben eine Institution, die das in konkrete Empfehlungen dann ummünzt."
"Ob ich zufrieden oder unzufrieden bin, ist völlig irrelevant"
Der Expertenrat der Bundesregierung hatte am Sonntag vor einer "explosionsartigen" Verbreitung der Omikron-Variante gewarnt, aber nur vage "gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen" gefordert. Das RKI forderte dann am Dienstag kurz vor der Bund-Länder-Runde viel weitreichendere Maßnahmen, als sie später von Kanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen wurden, darunter sofortige, "maximale" Kontaktbeschränkungen.
Lauterbach bestätigte, dass er von den RKI-Empfehlungen überrascht worden sei. "Da wird die Abstimmung noch optimiert werden." Der SPD-Politiker betonte jedoch auch: "In meinem Haus gibt es keine Zensur, was wissenschaftliche Arbeiten angeht. Das wird es auch nicht geben." Das RKI ist ein Forschungsinstitut der Bundesregierung, das zum Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums gehört. Lauterbach ist also quasi Wielers Chef.
Wieler lobte die von Bund und Ländern für die Zeit nach Weihnachten beschlossenen Maßnahmen trotz seiner deutlich weitergehenden Empfehlung als "sehr, sehr gut". "Es sind stringente Maßnahmen, die werden das Infektionsgeschehen verlangsamen." Ob er die Maßnahmen für ausreichend hält, wollte er aber nicht sagen: "Ob ich zufrieden oder unzufrieden bin, ist völlig irrelevant."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
- Bundespressekonferenz am 22. Dezember 2021