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Nachfolge für 9-Euro-Ticket: Wird's jetzt wieder teurer?


Nachfolge für 9-Euro-Ticket
Teurer Spaß


Aktualisiert am 31.08.2022Lesedauer: 5 Min.
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Verkehrsminister Wissing: Zwischen allen Stühlen.Vergrößern des Bildes
Verkehrsminister Wissing: Zwischen allen Stühlen. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Das 9-Euro-Ticket läuft aus, Verkehrsminister Wissing hat eine Nachfolge angekündigt – bleibt aber unkonkret. Wie er sein größtes Problem lösen soll, ist völlig offen.

Volker Wissing hatte sich das eigentlich anders vorgestellt. Als bei einem Koalitionstreffen im Frühjahr klar wurde, dass die FDP den von ihr gewünschten Tankrabatt durchsetzen kann, wähnte sich Wissing bereits am Ziel. Das könne man schon machen, hieß es damals bei den Grünen. Doch dann stand die Frage im Raum: Und was bekommen wir dafür?

Verkehrsminister Wissing soll, so die kolportierte Version der Geschichte, deshalb einen sehr günstigen Fahrschein für den Nahverkehr vorgeschlagen haben. Eine Monatskarte, unabhängig vom Einkommen, deutschlandweit gültig, befristet von Juni bis August. Die Idee des 9-Euro-Tickets war in der Welt.

Was als Zugeständnis in den Verhandlungen für die Grünen geplant war, ist das bislang wichtigste Projekt des FDP-Verkehrsministers in dieser Legislaturperiode geworden. Doch am Mittwoch läuft das Ticket aus. Ob es eine Nachfolgeregelung gibt und wie diese aussehen soll, ist allerdings offen. Vorschläge gibt es viele, Entscheidungen keine.

Wissing verkündete jetzt im "Deutschlandfunk", er habe Finanzminister Lindner von einer Nachfolgeregelung überzeugt. Aber was diese kosten soll? Wann sie kommen könnte? Dazu schweigt er. Nur so viel: Die Preisgestaltung müsse attraktiv sein.

Lindner wiederum twitterte jetzt, Wissing habe ihn "überzeugt": "Er kann mit einem Bruchteil der Finanzmittel des 9-Euro-Tickets ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Ticket realisieren. Jetzt sind die Länder dran. Wenn die Finanzierungsfrage klar ist, kann der Preis festgelegt werden." Im Klartext heißt das: Es gibt ein wenig Verhandlungsbereitschaft – und ein bisschen Geld des Bundes.

Wissings Fluch und Wissings Segen

Das Bestechende am 9-Euro-Ticket, darüber herrscht auch in der Ampelkoalition Konsens, war seine Einfachheit: ein Preis, ein Monat, überall im Nahverkehr gültig. Schluss mit dem Kleinklein der unzähligen Verkehrsverbünde mit ihren teils absurden Tarifen. Und: eine echte Entlastung im Geldbeutel für diejenigen, die regelmäßig den Nahverkehr nutzen. Etwa 52 Millionen Tickets wurden verkauft.

Wegen des großen Erfolgs wird jetzt so hitzig über die mögliche Nachfolge diskutiert. Für den Verkehrsminister ist das Fluch und Segen zugleich: Einerseits hat er ein Problem, weil die mögliche Finanzierung einer Anschlussregelung unklar ist. Das bisherige 9-Euro-Ticket finanzierte der Bund vollständig, etwa 2,5 Milliarden Euro kostete das für drei Monate. Wissing – und vor allem sein Parteichef und Finanzminister Christian Lindner – wollen die Nachfolgeregelung nicht allein finanzieren.

Mit der Formulierung "ein Bruchteil der Finanzmittel" des 9-Euro-Tickets erklärte Lindner bereits, dass es wohl nicht viel Geld geben wird. Denn der Nahverkehr ist Aufgabe der Länder. Die Länder sehen das natürlich anders und zeigen auf den Bund, der für die Finanzierung verantwortlich ist. Die Fronten sind verhärtet. Das ist Wissings Fluch.

Andererseits ist eine mögliche Nachfolge des Tickets für Wissing eine Chance, erfolgreiche Verkehrspolitik zu machen, die das Leben der Menschen konkret verbessert. Und die FDP ein wenig vom Klischee der Autofahrerpartei befreit. Das könnte Wissings Segen werden.

"Jetzt ist der Bund am Zug", heißt es aus den Ländern

Kanzler Olaf Scholz versprach bereits vor einigen Tagen eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket: "Wir haben uns vorgenommen, dass wir da etwas entwickeln, das demnächst kommt", sagte er im schönsten Scholzisch. Und das Entwickeln von etwas, das demnächst kommt – diese Aufgabe obliegt nun Wissing und seinen Kollegen aus den Bundesländern. Es ist ein mühsamer Kampf für den Bundesverkehrsminister in diesen Wochen.

Derweil fallen scharfe Sätze. Eine der Hauptverhandlerinnen ist Maike Schaefer von den Grünen, Verkehrssenatorin in Bremen und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz. Schaefer sagte kürzlich: "Man braucht eine einfache Lösung, dafür sind die Länder bereit". Und: "Jetzt ist der Bund am Zug, da etwas zu machen." Die Länder haben zwar die Hoheit über die jeweiligen Verkehrsverbünde, doch der Bund ist laut Grundgesetz für die Finanzierung des Nahverkehrs zuständig.

Die Wunschliste der Länder ist lang: Sie wollten bereits vor dem 9-Euro-Ticket vom Bund zusätzliche Regionalisierungsmittel. Mit diesen Geldern wird der Nahverkehr finanziert. Nun wollen die Länder noch mehr. Um 1,5 Milliarden Euro sollen die Regionalisierungsmittel pro Jahr steigen. Zudem wollen sie wegen der hohen Energiepreise dieses und nächstes Jahr zusätzliche 1,65 Milliarden Euro haben.

"Natürlich wird der Bund nicht die Finanzierungslücken schließen", heißt es aus der FDP

Es geht deshalb bei der Nachfolgeregelung des günstigen Fahrscheines auch darum, wie viel der Bund zuschießen müsste, ob die Länder selbst einen Teil der Finanzierung übernehmen – und wie günstig das Ticket dann maximal sein könnte.

Wissing kann dabei nicht frei entscheiden, wie viel Geld er den Ländern zur Verfügung stellt. Er ist dabei auf seinen Parteichef, Finanzminister Christian Lindner, angewiesen. Und wenn Lindner bisher über das Ticket sprach, benutzte er ein Wort besonders gern: "Gratismentalität". Die, so Lindner, dürfe es künftig nicht mehr geben.

Nahverkehr koste eben Geld, und die 9 Euro pro Ticket würden das System nicht finanzieren. Die Länder hätten doch eigene Mittel, wenn sie eine Verlängerung des Tickets haben wollten, könnten sie die ja gern finanzieren. Ein wenig unterstützen könne der Bund schon, erklärte Wissing am Mittwoch, das habe er mit Lindner abgemacht. Doch all die Wünsche der Länder wird die FDP kaum erfüllen.

Es geht Lindner, so vermutet mancher beim Koalitionspartner SPD, aber auch ums Prinzip: Einen liberalen Finanzminister, der bei allen Wünschen sofort seinen Geldbeutel öffne, könne man irgendwann der eigenen Parteibasis nicht mehr schmackhaft machen. Und den potenziellen Wählern erst recht nicht. Bislang signalisiert Lindner wenig Kompromissbereitschaft, es dürfte nicht einfach für Wissing werden.

Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP, drückt das so aus: "Die Länder müssen bei den Verkehrsverbünden grundlegende Reformen einleiten. Und natürlich wird dabei nicht der Bund die Finanzierungslücken schließen."

Die Simplizität des 9-Euro-Tickets legt die Kompliziertheit des Tarif-Wirrwarrs frei, das in Deutschland existiert. Die dutzenden Verkehrsverbünde, meistens mehrere in einem Bundesland, haben kein einheitliches System. Jeder hat im Wettbewerb um die kompliziertesten Tarifstrukturen mitgemacht.

Hinzu kommt: Auf dem Land ist die Anbindung an den Nahverkehr häufig schlecht. Das zeigen auch aktuelle Zahlen: Unter den Bewohnern ländlicher Räume war der Anteil der 9-Euro-Ticket-Inhaber etwa halb so hoch wie in den Städten.

Ein Zeichen von Verhandlungsbereitschaft

Wissing würde gern die Nachfolge des günstigen Tickets mit einer Reform des Nahverkehrs verbinden. Wobei beides zusammenhängen könnte. In den Reihen der Ampelkoalition spekuliert schon mancher: Wenn das Ticket zu teuer ist, werden zu wenige Menschen dauerhaft auf Bahn und Bus setzen. Ist es wiederum zu günstig, wird es für den Staat zu teuer.

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Deshalb hat bereits der Wettbewerb der Ideen begonnen. Die SPD hat ein bundesweites Ticket von 49 Euro ins Spiel gebracht. Es ist natürlich erheblich teurer als das 9-Euro-Modell, doch liegt es preislich immer noch deutlich unter dem Niveau vieler Monatskarten.

Dorothee Martin, verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, sagt t-online: "Die Kosten dafür müssen Bund und Länder jeweils zur Hälfte tragen.“ Und: "Für die langfristige Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs verhandeln wir derzeit einen Ausbau- und Modernisierungspakt mit den Ländern, den wir diesen Herbst schließen wollen.“ Die Grünen schlagen vor, dieses um ein regionales Monatsticket zu ergänzen, das dann 29 Euro kosten sollte. Beide Vorschläge stoßen in der FDP nicht auf sonderlich viel Begeisterung.

Kompromissbereitschaft gibt es schon eher für den Vorschlag des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen: 69 Euro soll das Ticket kosten – eine ähnliche Idee verfolgt die "Allianz pro Schiene". Bei einem Preis von 69 Euro zeigte sich Wissings Staatssekretär Michael Theurer immerhin verhandlungsbereit.

Und dann ist da noch die Frage, wie die praktische Umsetzung laufen soll: Es müsste wohl das Regionalisierungs- und Personenbeförderungsgesetz geändert werden – all das kostet Zeit. Möglich wäre, das Geld über einen Rettungsschirm wie bei den Corona-Hilfen auszuschütten. Doch selbst dann wird es zeitlich eng für Wissing. Bereits jetzt heißt es: Wie auch immer die Nachfolgeregelung aussehen wird, vor Januar 2023 dürfte sie nicht in Kraft treten. Die Zeit für den Minister, um sich aus der Klemme zu befreien, läuft also.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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