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Christian Lindner fehlen 20 Milliarden Euro: Steuerschätzung veröffentlicht


Steuerschätzung des Bundes
Plötzlich arm


11.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Finanzminister Lindner: Viel Geld – aber auch viele Ausgabenwünsche.Vergrößern des Bildes
Finanzminister Lindner: Viel Geld – aber auch viele Ausgabenwünsche. (Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler)

Die Steuereinnahmen des Bundes brechen ein – und der Streit in der Koalition könnte jetzt richtig hochkochen.

Am Schluss, als die Pressekonferenz schon fast vorbei ist, sagt Christian Lindner auf einmal: "Wir haben es mit Realisten zu tun, innerhalb des Kabinetts und der Koalition. Es kann auch da niemand überrascht sein, es gibt keinen Grund mehr zu zögern und zu hoffen. Jetzt ist konzentrierte Arbeit angesagt." Zuvor war er gefragt worden, ob es jetzt einfacher oder schwieriger wird in der Ampelkoalition. Weil nun klar ist: Es ist weniger Geld in der Staatskasse, als viele gehofft hatten.

Christian Lindner meldet sich an diesem Donnerstag aus der Ferne. Er ist gerade in Japan unterwegs, dort trifft er die anderen G7-Finanzminister. Doch die Pressekonferenz ist ihm trotzdem wichtig, er schaltet sich digital nach Berlin zu. Lindner sitzt vor einer blauen Wand, er trägt eine Krawatte mit feinem Muster. Er sieht ernst aus. Und dass er dabei den Realismus so anpreist und auf "konzentrierte Arbeit" in der Koalition pocht, hat einen Grund.

An diesem Donnerstag wurde die Steuerschätzung des Bundes vorgestellt. Grob gesagt bildet sie ab, wie viel Geld der Staat durch Steuern einnehmen wird – und zwar Bund, Länder und Kommunen. Oft ist das ein guter Tag, weil dann klar wird, dass mehr Geld eingenommen wird, als ursprünglich geplant war.

20 Milliarden Euro fehlen

Es ist anders gekommen. Der Staat hat noch weniger Geld, als mancher kalkuliert hatte. Denn es wird deutlich weniger Geld eingenommen: 30,8 Milliarden Euro weniger als ursprünglich angenommen, werden bis zum Jahr 2027 in die Kassen des Staates fließen. Ein wesentlicher Grund dafür ist der beschlossene Inflationsausgleich bei der Einkommenssteuer. Lindner sagte dazu: "Wir geben den Menschen und Betrieben im Schätzzeitraum jährlich rund 34 Milliarden Euro zurück." Das Geld fehlt jedoch nun anderweitig. Und die Lücke in der Finanzierung dürfte noch erhebliche Auseinandersetzungen in der Koalition hervorrufen.

Zunächst geht es um die Finanzierungsplanung für das nächste Jahr. Der Bund hat gemäß der Prognose etwa 377 Milliarden Euro zur Verfügung. Christian Lindner kalkuliert mit einer Haushaltslücke von etwa 20 Milliarden Euro, die nun fehlen. Gründe dafür sind die Mehrkosten durch den Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst und die gestiegenen Zinsen. Man müsse dafür woanders sparen, ist der Finanzminister überzeugt: "Wir können nur das Geld ausgeben, das die Menschen und Betriebe in diesem Land erwirtschaften".

Die FDP-Haushaltspolitikerin Claudia Raffelhüschen sagt t-online: "Ja, die Steuerschätzung offenbart, dass es deutlich mehr Einnahmen gibt. Aber wir brauchen dieses Geld. Es mit beiden Händen auszugeben, ist töricht. Viele wollen permanent finanzielle Hilfen, weil das mancher noch von Corona so gewohnt ist. Aber die finanzielle Krisenbewältigung ist eben keine Krisenbewältigung mehr, wenn sie zum Dauermodus wird."

"Der Finanzminister muss endlich liefern"

Die FDP-Haltung wird nur funktionieren und sich durchsetzen lassen, wenn andere Ressorts auf ihre Wünsche verzichten. Unter anderem die grüne Familienministerin Lisa Paus hat die Finanzierung der Kindergrundsicherung ins Spiel gebracht. Damit sollen Kinder in sozial benachteiligten Familien besser unterstützt werden. Kostenpunkt: zwölf Milliarden Euro. Bei den Grünen pocht man bereits jetzt darauf.

"Die Mittel sind ausreichend, um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kindergrundsicherung als wichtigstes sozialpolitisches Projekt dieser Koalition zu finanzieren", sagt der Grünen-Haushaltspolitiker Bruno Hönel t-online. Das sei eine "Frage der politischen Prioritätensetzung", so Hönel. Und er appelliert an Olaf Scholz: "Auch der Kanzler steht hierbei in der Pflicht, damit sein Versprechen einer Kindergrundsicherung, die wirksam vor Kinderarmut schützt und bedarfsgerecht ausfinanziert ist, nicht zu Asche zerfällt."

Auch aus den anderen Ressorts ist die Liste an Ausgabenwünschen lang: Verteidigungsminister Pistorius will zehn Milliarden Euro zusätzlich (Lindner ist nicht abgeneigt), Bildungsministerin Stark-Watzinger soll eine "Bildungsmilliarde" bekommen (Lindner ist ebenfalls nicht abgeneigt). Wie das gelöst wird, ist noch offen.

Doch innerhalb der Koalition beginnt es bereits jetzt zu brodeln. Intern heißt es bei den Grünen: "Nachdem es dem Finanzminister nicht gelungen ist, im März geeinte Eckwerte vorzulegen, wären weitere Verzögerungen auf dem Weg zum Regierungsentwurf kein gutes Signal. Der Finanzminister muss also endlich liefern, sonst belastet seine Untätigkeit nicht nur ihn und den Kanzler, sondern die gesamte Koalition."

"Der 21. Juni gilt nicht mehr"

Bei den Liberalen sieht man das ganz anders. Dort glaubt man nicht nur, dass die Ausgaben ein Ende finden müssen. Vor allem entspricht es nicht dem Staatsverständnis, das in der FDP verbreitet ist: einen finanziell starken Staat zu haben.

Und wie geht es in dem Streit nun weiter? "Der 21. Juni gilt nicht mehr" soll Lindner auf dem Flug nach Japan gesagt haben, berichtet der "Münchner Merkur". Der Tag galt manchen noch als Wegmarke, bis wann zumindest die Eckwerte des Haushalts, also die groben Angaben, präsentiert werden könnten. Doch Lindner hat das Verfahren mit den Eckwerten in diesem Jahr ausgesetzt. Zu groß sei der Streit innerhalb der Regierung. Deshalb wird nun erst mal weiter diskutiert.

Lindner gab sich jedoch optimistisch: Wenn das eigentliche Verfahren um die Haushaltsplanung für das kommende Jahr dann im Herbst beginne, werde von der Verzögerung nichts mehr zu spüren sein, so der Finanzminister.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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