NSU-Prozess Böhnhardt-Mutter bedankt sich bei Zschäpe

Die Mutter des Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt hat Beate Zschäpe im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht für einen Anruf nach dem Tod ihres Sohnes gedankt. Am zweiten Tag ihrer Zeugenaussage erzählte Brigitte Böhnhardt, wie Zschäpe sie anrief, nachdem sich ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen hatten.
"Es ist ihr sicherlich ganz schwer gefallen, die Eltern zu informieren" sagte sie. Und dann wendet sie sich direkt an die Hauptangeklagte: "Danke, dass Du's trotzdem gemacht hast."
Falsche Hoffnungen der Familie Böhnhardt
Auch am zweiten Tag vor Gericht sprach Böhnhardt mit keinem Wort schlecht über Zschäpe. Vielmehr erklärte sie, welche Hoffnungen sie sogar in die Verbindung mit ihrem Sohn gesteckt hatte: Als ihr Sohn Uwe das erste Mal eine Freundin mit nach Hause brachte, war die Mutter glücklich. "Ich fand sie auf Anhieb sympathisch, sie war höflich und nett." Schnell wurde die junge Frau ein Teil der Familie. "Ich war froh, dass Uwe eine feste Freundin hatte. Ich dachte mir als Mutter, das könnte schön werden. Beide finden Arbeit, ziehen zusammen, gründen vielleicht eine Familie."
Die Mutter hoffte, die Freundin könnte ihren Sohn auf den rechten Weg bringen - nach Schwierigkeiten in der Schule, nach ersten Gefängnisaufenthalten. Es kam anders. Die Freundin, die Uwe Böhnhardt 1995 oder 1996 mit nach Hause brachte, war Beate Zschäpe - eine Frau, die schon damals aktiv in der rechten Szene in Jena war, die 1996 eine Garage anmietete, in der Zschäpe, Böhnhardt und ihr Komplize Uwe Mundlos Rohrbomben bastelten. Als die Polizei im Januar 1998 die Garage durchsuchte, tauchten die drei unter. Es war die Geburtsstunde des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU).
"Wir haben keine kriminelle Vereinigung unterstützt"
Zwei volle Verhandlungstage lang hat Brigitte Böhnhardt im NSU-Prozess ausgesagt. Es war der Auftritt einer Mutter, die hilflos mit ansehen musste, wie ihr geliebter jüngster Sohn zunächst Probleme in der Schule bekam, anfing zu klauen, zweimal in Untersuchungshaft kam, immer weiter in die rechte Szene rutschte.
Die Eltern von Uwe Böhnhardt - der Vater Ingenieur, die Mutter Lehrerin - haben versucht, alles richtig zu machen. Als ihr Sohn Probleme in der Schule hatte, gingen sie mit ihm zum Schulpsychologen. Als er keine Arbeit hatte, ging die Mutter mit ihm zum Arbeitsamt. Als sie merkten, dass er zum Rechtsextremisten wurde, verwickelten sie ihn in Diskussionen. Und auch nach dem Untertauchen hielten sie zunächst Kontakt zu ihm. Mehrmals schickten sie über Mittelsmänner Geld an ihren Sohn, jeweils 500 Mark. "Wir haben keine kriminelle Gruppe unterstützt, wir haben unseren Sohn unterstützt, damit er sich Nahrung kaufen konnte und nicht klauen gehen musste."
Mutter besteht auf Privatheit
Auch vor Gericht versucht Brigitte Böhnhardt noch, ihren Sohn zu verteidigen. Noch immer scheint sie nicht wahrhaben zu wollen, dass er zu einem fanatischen Neonazi wurde, der laut Anklage aus Hass zehn Menschen ermordete. "Ich wüsste zu gern, was sie geleitet haben soll, diese Taten zu begehen. Ich kann das so nicht akzeptieren. Ich kann meinen Sohn so nicht sehen."
Fast trotzig beharrt sie darauf, über bestimmte Details nicht reden zu wollen - als es etwa um einen Spitznamen ihres Sohnes geht, der bei den Geldübergaben als Parole diente oder um das Verhältnis zwischen ihrem Sohn und seinen Geschwistern. Das sei zu privat, meint sie. Dass auch die Angehörigen der Ermordeten es hinnehmen mussten, dass ihr Privatleben teils bis in die letzten Details ausgeleuchtet wurde - das scheint Brigitte Böhnhardt nicht zu sehen. Sie stellt ihre Privatheit über die Aufklärung. Immer wieder wird deutlich, dass sie nur das sagt, was sie unbedingt sagen muss. An mehreren Punkten verwickelt sie sich in Widersprüche, muss sich korrigieren.
Ganz nebenbei wird Zschäpe doch belastet
Zeitweise wirkt es, als sehe sie ihren Sohn eher als Opfer - der Schulbehörden, der Lehrer, letztlich auch der Staatsanwaltschaft, die keine Zusage für eine Strafmilderung geben wollte, falls die drei sich stellen. Sie scheint es sogar für wahrscheinlich zu halten, dass die Polizei ihrem Sohn Waffen untergeschoben hat, die dann bei Durchsuchungen gefunden wurden.
Trotzdem sagt sie eine Sache, die Zschäpe juristisch Probleme bereiten könnte: Sie könne nicht sagen, wer innerhalb der Dreiergruppe dominant war und wer Mitläufer, sagt Brigitte Böhnhardt. "Ich kann Ihnen nur sagen, sie waren gleichberechtigt, Freunde." Genau das sagt die Bundesanwaltschaft auch. Und genau deshalb sieht die Anklage Zschäpe als Mittäterin, als gleichberechtigtes Mitglied der Terrorgruppe.
Mitgefühl gibt es erst auf Nachfrage
Ihr Mitgefühl für die Angehörigen der NSU-Opfer äußert Böhnhardts Mutter erst, als sie danach gefragt wird. "Ich habe nicht nur Mitleid, ich habe Mitgefühl, und Mitgefühl bedeutet, ich fühle mit ihnen." Sie könne verstehen, was es bedeute, über Jahre in Ungewissheit zu leben. "Ich bin dankbar, dass Sie sich nicht an uns gerächt haben. Ich rechne Ihnen das hoch an."
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