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Machtkampf in der CDU nach AKK-Rückzug: Wer macht das Rennen?


Machtkampf in der CDU
Das größte Problem haben alle drei Kandidaten

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 17.02.2020Lesedauer: 4 Min.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wer auch immer den Machtkampf in der CDU für sich entscheidet, steht vor demselben Dilemma, meint unser Kolumnist.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wer auch immer den Machtkampf in der CDU für sich entscheidet, steht vor demselben Dilemma, meint unser Kolumnist. (Quelle: getty-images-bilder)

Im Rennen um den CDU-Vorsitz bringt ein Kandidat mehrere Vorteile mit. Egal ob es Merz, Laschet oder Spahn wird – alle drei wären durch Merkels zögerlichen Abschied belastet.

Jeder Abschied ist schwer. Etwas geht zu Ende, hört auf, bricht ab. Wer wünscht sich nicht, dass er den richtigen Zeitpunkt findet, damit er nicht von anderen dazu genötigt wird, seiner Wege zu ziehen. Wer hofft nicht darauf, dass er seine Würde bewahren kann, wenn es so weit ist. Niemand möchte vom Hof gejagt werden.

Politiker gehen im Normalfall besonders schwer. Das Amt, das sie innehaben, fordert ihnen viel ab, es macht ihr Leben aus. Ohne wichtige Aufgabe verlieren sie nicht nur an öffentlicher Bedeutung, sondern auch an innerer Stärke, denn danach kommt oft nicht mehr viel. Konrad Adenauer war 87 Jahre alt und war dennoch voll des Schmerzes, als er 1963 als Kanzler zurücktreten musste: "Ich gehe nicht leichten Herzens." Als Willy Brandt, der schon manchen Abschied erlebt hatte, den SPD-Parteivorsitz im Jahr 1987 gezwungenermaßen niederlegte, bekannte er in seiner Rede: "Weshalb sollte ich nicht mit allem Freimut hinzufügen, dass mir ein anderer Abgang lieber gewesen wäre."

Der neue Brauch des halben Abschieds

Das waren ganze Abschiede, und sie sind der Normalfall. Andrea Nahles ist das jüngste Beispiel für einen vollständigen Rückzug, sogar in relativ jungem Alter.

In letzter Zeit ist der halbe Abschied zum neuen Brauch geworden. Angela Merkel wollte nicht mehr Parteivorsitzende sein, aber Kanzlerin bleiben. Annegret Kramp-Karrenbauer will nicht mehr Kanzlerkandidatin werden, aber Vorsitzende bleiben und Verteidigungsministerin sowieso. Beide Frauen hegen die Illusion, sie könnten ihre Nachfolge organisieren und damit Herrinnen des Verfahrens bleiben. Und so werden beide ihrer Partei zur Last, gewollt oder ungewollt.

In diesem Zusammenhang kommt mir "König Lear" in den Sinn, der ja auch seine Nachfolge selbst bestimmen will und damit nicht nur scheitert, sondern seine Töchter aufeinanderhetzt und ein schreckliches Chaos anrichtet. Macht lässt sich nicht lang teilen, nicht einmal auf überschaubare Zeit. Macht nimmt man sich, wie man von Angela Merkel lernen kann, die zwei Königsmorde beging, bevor sie werden konnte, was sie seit 15 Jahren ist.

Erbe gesucht

AKK ist unter anderem das Opfer des halben Abschieds. Sie war nicht stark genug, um neben der Kanzlerin souverän zu bestehen. Ironischerweise ist sie nun in der gleichen Lage wie Angela Merkel. Im halben Abschied sind die zwei Frauen vereint.

Nun wird ein Erbe für beide Ämter gesucht. Wer auch immer es wird, sein Anfang ist von einem halben Abschied getrübt.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, heißt es in Hermann Hesses wunderbarem Gedicht "Stufen". Kann ihm innewohnen, muss es aber nicht. Damit der Anfang gelingt, sollte er sich geschmeidig fügen. Viel hängt vom richtigen Zeitpunkt ab, genauso wie von den Umständen und der angemessenen Haltung dessen, der anfangen will. Darum ringen in der CDU jetzt drei Kandidaten, welche die beiden Frauen ersetzen wollen. Da der Abschied nur halb ist, kann auch der Anfang nur halb sein.

Der Machtkampf hat begonnen

In den nächsten Wochen werden wir erleben, wie Armin Laschet, Friedrich Merz und Jens Spahn den besten Startplatz zu ergattern suchen. Wer früh loslegt, kann Glück haben und die anderen hinter sich lassen. Nach einem Frühstart kann ihm aber auch die Luft ausgehen, wie sich am Schicksal von Martin Schulz studieren lässt. Wer jedoch zu spät startet, hechelt womöglich den anderen Kandidaten hinterher.

Vieles in solchen Machtkämpfen ist reine Nervensache. Intuition für das richtige Timing ist äußerst wichtig. Ego-Kontrolle ist unerlässlich, wobei gerade sie besonders schwerfallen kann. Erfahrung hilft, führt aber nicht unbedingt weiter, weil diese Situation in der CDU unvergleichlich ist. Bisher vermochten es die Diadochen der Partei, im Vorweg zu klären, wer antritt und wer zurücksteckt. Oder das Merkel-Prinzip setzte sich durch: Nimm dir, was du willst, sodass Gegenkandidaten resignieren müssen.

Keiner der drei Kandidaten kann die anderen beiden jetzt schon ausstechen. Jeder von ihnen wittert seine Chance. Jeder muss vorsichtig im Wahlkampf gegen die anderen argumentieren. Böswilligkeit wird nicht honoriert. Spindoktoren sind zu Samthandschuhen verdammt.

Der Merkel-Politik-Verlängerer

In der Öffentlichkeit wird seit dem vorigen Montag jedwede Regung der drei beobachtet. Jedes Wort landet auf der Goldwaage. Armin Laschet kritisierte auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass Angela Merkel auf Emmanuel Macrons Europa-Initiative kaum reagierte. Wie immer blieb er jovial, ohne Schärfe, aber die Botschaft kam an und das war ihm wichtig. Er gilt ja als Es-geht-weiter-so-wie-bisher-Kandidat, als Merkel-Politik-Verlängerer, und muss nun möglichst schnell eine andere Balance finden.

Laschet halte ich für den Kandidaten mit den besten Nerven und dem stabilsten Gemüt. Er ist Ministerpräsident und verfügt nach Belieben über eine nationale Bühne – ein unschätzbarer Vorteil. Am Sonntag war er auf der Sicherheitskonferenz in München, am nächsten Sonntag gibt er einen Empfang auf der Berlinale, bei der deutsche und internationale Schauspieler, Regisseure und Produzenten vertreten sein werden. Großes Kino und Laschet mitten in der wogenden Menge, freundlich und unangestrengt. So entstehen schöne Bilder.

Der "Yesterday’s Hero"

Das heißt noch lang nicht, dass ihm beides zufallen wird, Vorsitz und Kanzlerkandidatur. Die CDU könnte ja zu der Schlussfolgerung kommen, dass ein Richtungswechsel nötig ist, was Friedrich Merz in die Hände spielen kann, aber nicht muss. Denn warum nicht gleich zum Richtungswechsel noch einen Generationswechsel anstreben, womit der Außenseiter Jens Spahn ins Zentrum rücken würde.

Friedrich Merz ist "Yesterday’s Hero" und könnte trotzdem ins Heutige passen, um abtrünnige CDU-Wähler von der AfD zurückzugewinnen. Er hat Ego-Kontrolle besonders nötig. Und einen Millionär hatte die CDU auch noch nicht als Kandidaten, was Ressentiments wecken kann. Zudem hat Merz einen entscheidenden Nachteil: In seinem Alter, er wird 65, ist er eine Übergangslösung.

Generationswechsel?

Jens Spahn kann ernsthaft ins Spiel kommen, wenn den Parteifreunden unangenehm auffällt, dass Merz lediglich ein Jahr jünger ist als die Kanzlerin und wie aus der Zeit gefallen wirkt. Der Gesundheitsminister ist von sich genauso überzeugt wie Merz und mit einem ähnlichen Willen zur Macht gesegnet, den er sich weniger anmerken lassen sollte, wenn er seine Chancen mehren will.

Wer auch am Ende von den dreien Vorsitzender und Kanzlerkandidat wird, steuert sofort auf sein erstes gravierendes Problem zu: die real existierende Kanzlerin und ihren halben Abschied. Wer dieses Problem löst, entscheidet darüber, ob seinem Anfang ein Zauber innewohnt.

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