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"Eine Wehrpflicht ist Wunschdenken" | Soldaten diskutieren


Soldaten diskutieren
"Eine Wehrpflicht ist Wunschdenken"

MeinungVon t-online, Mth

Aktualisiert am 01.02.2023Lesedauer: 4 Min.
Im Rahmen einer Übung der Bundeswehr tarnt ein Rekrut sein Gesicht mit Farbe: Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt.Vergrößern des BildesIm Rahmen einer Übung der Bundeswehr tarnt ein Rekrut sein Gesicht mit Farbe: Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt. (Quelle: IMAGO / Rainer Unkel)
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Im Jahr 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Angesichts des Ukraine-Kriegs wird nun über eine Reaktivierung diskutiert. Hier verraten Soldaten, wie sie zu dem Thema stehen.

In der Politik herrscht Uneinigkeit bei der Frage einer möglichen Wiederbelebung der Wehrpflicht. Besonders in den Reihen von CDU und AfD überwiegt die Zustimmung, während die anderen Parteien sich eher verhalten äußern.

Uneins ist man sich nicht nur in der Politik, sondern auch in der Bevölkerung. Umfragen zufolge ist zwar eine Mehrheit für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Doch viele sprechen sich auch dagegen aus oder können sich in der Frage nicht für ein klares Ja oder Nein entscheiden.

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Auch unter aktiven und ehemaligen Bundeswehrangehörigen gehen die Meinungen auseinander, wie unsere Leserbefragung zeigt:

"Jeder junge deutsche Bürger sollte einen einmaligen Beitrag leisten"

"Ich bin dafür, dass jeder junge deutsche Bürger seinen einmaligen Beitrag zur Gesellschaft leisten sollte", schreibt Berufssoldat Andreas Schuch. "Es gibt eine Menge von Teilbereichen in unserer Gesellschaft, die zeitlich befristet Unterstützung gebrauchen könnten. Altenpflegeheime, Krankenhäuser, Gemeinde-/Stadtverwaltungen, Kindergärten und so weiter und so fort."

Auch die Bundeswehr wäre ein zu betrachtender Bereich, meint der t-online-Leser. "Ich glaube, dass wir ein bisschen Patriotismus an den Tag legen dürfen, ohne sofort in die rechte Ecke gestellt zu werden. Wir alle dürfen stolz auf unsere gelebte Demokratie und unsere Ansicht zur Freiheit sein."

"Rückkehr zur Wehrpflicht nicht realisierbar"

Oberstleutnant d.R. Jens-Uwe Wolf mailt: "Eine Rückkehr zur Wehrpflicht halte ich kurz- und mittelfristig für nicht realisierbar. Auch wenn es zunächst eine schöne Idee zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr zu sein scheint, zieht eine solche Entscheidung nicht zwangsläufig auch einen qualitativen Fortschritt nach sich", so seine Begründung.

"Für die Ausbildung zahlreicher Wehrdienstleistender stehen derzeit weder eine ausreichende Anzahl geeigneter Ausbilder noch die dafür notwendige Infrastruktur und Ausrüstung zur Verfügung. Daher wäre es angebracht, das Konzept der Freiwilligenarmee auch personell weiterzuentwickeln und mit besserer Ausrüstung an die Erfordernisse der heutigen Zeit anzupassen."

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"Hilfreich für Respekt, Ordnung und Disziplin einer ganzen Generation"

Reserveoffizier Ralf Stegemann hat schon Auslandseinsätze hinter sich, wie er berichtet. "Das sind Geschehnisse, die man keinem Wehrdienstleistenden auferlegen darf." Wenn es rein um den Umgang mit militärischen Gütern bis hin zur Waffe sowie das Kennenlernen militärischer Strukturen und Abläufe geht, führe an einer Wehrpflicht angesichts jüngster Vorkommnisse aber kein Weg vorbei.

Seiner persönlichen Überzeugung nach würde eine Wehrpflicht auch "hilfreich für Respekt, Ordnung und Disziplin einer ganzen Generation" sein. "Hierfür dürfte eine Zustimmung von bestimmt 70 Prozent gegeben sein", glaubt er.

"Viel sinnvoller wäre ein allgemeines Dienstjahr"

"Als aktiver Soldat muss ich dies verneinen", äußert Jörg Hermes. "Mal abgesehen von den kaum noch vorhandenen Liegenschaften zwecks Unterbringung, würde die Einkleidung von ganzen Geburtsjahrgängen gar nicht mehr zu bewerkstelligen sein. Viel sinnvoller und effizienter wäre ein allgemeines Dienstjahr, für männlich, weiblich und divers. Alles andere ist Wunschdenken und führt an der Realität vorbei."

"Bin stolz, dass mein Sohn uns beschützen will"

Daniela Ziemens ist selbst zwar nicht in der Bundeswehr aktiv, hat aber dennoch einen persönlichen Bezug und eine klare Meinung: "Ich schreibe als Mutter eines Bundeswehrsoldaten. In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Ich bin stolz, dass mein Sohn uns beschützen will, aber habe gleichzeitig auch Angst um ihn!"

Sie sei für eine Wehrpflicht für alle, auch bewusst für Frauen. "Eine Einstellung für eine bestimmte Zeit, in der Armee und/oder zivilen Bereichen, die zum Schutz aller gelten", befürwortet sie. "Damit schaffen wir in unserer Gesellschaft endlich wieder den notwendigen Respekt für Berufe, die der Allgemeinheit dienen." Als Beispiele führt sie Feuerwehrleute, Soldaten und Lehrer an.

"Eine Wehrpflicht nach alter Schule ist schlicht überholt"

Berufssoldat und Stabsoffizier Gerald Groß meint: "Die Aussetzung der Wehrpflicht", die er de facto als Abschaffung ansieht, "war in meinen Augen seinerzeit notwendig. Schließlich war eine Wehrgerechtigkeit seit vielen Jahren nicht mehr gegeben. Und dennoch hat diese Entscheidung nicht nur der Bundeswehr großen Schaden hinzugefügt, sondern auch dem Zivildienst. Wo kein Wehrdienstleistender, da auch kein Zivi.

Nun hat sich die Bedrohungslage fundamental geändert und ein schneller Ruf nach Wiedereinführung der Wehrpflicht liegt nahe. Ganz so einfach ist es aber nicht. Die Bundeswehr des Jahres 2023 verfügt weder über Personal noch über Material und Infrastruktur, um eine Aufnahme, Ausbildung und Verwendung von Wehrdienstleistenden kurzfristig zu ermöglichen. Und trotz geburtenschwacher Jahrgänge wäre eine Armee von rund 185.000 Soldaten nicht befähigt, ganze Jahrgänge gerecht aufzunehmen.

Entsprechend halte ich daran fest, dass eine Wehrpflicht nach alter Schule schlicht überholt ist. Stattdessen halte ich eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen für geboten: ein Jahr im Dienst der Gesellschaft, wahlweise bei Militär, einer Blaulichtorganisation oder im sozialen Bereich, für jeden."

"Absolut notwendig für ein verteidigungsbereites Land"

Eine andere Ansicht vertritt Matthias Hake. "Als ehemaliger Wehrpflichtiger, der es bis zum Hauptmann gebracht hat, sehe ich die Wehrpflicht als absolut notwendig für ein verteidigungsbereites Land an, wenn auch sehr, sehr viel mehr als damals für die Durchführung gemacht werden muss.

Nicht die 'Härte der Ausbildung', sondern das aktive, positive Vorleben der Vorgesetzten macht die Motivation der Soldaten." Matthias Hake meint, es habe noch niemandem geschadet, mal 30 oder 50 Kilometer zu marschieren und zu erfahren, dass das geht.

"Würden damit relativ alleine dastehen"

Der sich nach 33 Dienstjahren im Ruhestand befindliche Soldat Jörg Fruhner findet, dass Deutschland die Wehrpflicht nicht zurückholen muss. "Wir würden damit relativ alleine dastehen", glaubt er. Wie viele andere schlägt er eine Alternative vor: "Wir brauchen eine allgemeine Dienstpflicht – für territoriale Aufgaben, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Katastrophenschutz, Altenpflege, soziale Dienste und vieles mehr."

Für jeden Deutschen zwischen 18 und 50 Lebensjahren sollte eine solche Dienstpflicht gelten, findet Jörg Fruhner – "entweder 24 Monate am Stück oder gesplittet in höchstens drei bis vier Zeitabschnitte."

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"Dienstpflicht kann gut für Persönlichkeitsentwicklung sein"

"Als Reservist und ehemaliger Marine- und Heeressoldat kann ich eine Reaktivierung der Wehrpflicht nur begrüßen – allerdings nur, wenn sie als 'Wehrpflicht 2.0' eingeführt wird", schreibt Timo. "Dabei sollte sie für alle Geschlechter gleichermaßen gelten, damit niemand benachteiligt wird. Die Dauer sollte mindestens zwölf Monate betragen und alternativ als Zivildienst, Ersatzdienst, bei der Bundespolizei oder bei den Bereitschaftspolizeien der Länder in Vollzeit abgeleistet werden können.

Während dieser Dienstzeit haben diese Behörden die einzigartige Möglichkeit, dringend benötigten Nachwuchs zu rekrutieren. Die Polizei kann damit auch schnell mehr Streifenpersonal gewinnen und Nähe zum Bürger herstellen. Zusätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass eine für alle geltende Dienstpflicht auch gut für die Persönlichkeitsentwicklung jedes Einzelnen sein kann."

Verwendete Quellen
  • Zuschriften von t-online-Lesern. Einzelne Leser möchten anonym bleiben, weshalb wir sie nur beim Vornamen nennen.
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