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Pistorius' Wehrpflicht-Pläne: In der SPD zeichnet sich eine Linie ab


Wehrpflicht-Streit der SPD
Jetzt deutet sich eine klare Linie an


04.07.2025 - 15:00 UhrLesedauer: 5 Min.
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Pistorius beim Panzerbataillon 203 der Bundeswehr (Archivbild): Der Verteidigungsminister treibt seine Pläne zum neuen Wehrdienst voran. (Quelle: IMAGO/David Inderlied/imago-images-bilder)
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Auf dem SPD-Parteitag kam es fast zum Eklat um die Wehrpflichtpläne von Verteidigungsminister Pistorius. Eine offene Konfrontation mit der Parteijugend konnte vermieden werden, hinterher war von einem Kompromiss die Rede. Nun deutet sich an, wer sich durchsetzen konnte.

Fast wäre es auf dem SPD-Parteitag vor einer Woche zum Eklat gekommen: Ein Antrag der SPD-Jugend (Jusos), der die Wehrpflichtpläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) stoppen sollte, konnte im letzten Moment verhindert werden. Nach dem Debakel für Parteichef Lars Klingbeil bei seiner Wiederwahl wäre es die zweite Demütigung eines Spitzengenossen auf dem Parteitreffen gewesen.

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Doch es kam anders. Eine Kampfabstimmung über den heiklen Antrag der Jusos konnte vermieden werden, man einigte sich kurz vorher auf eine geänderte Fassung. Juso-Chef Philipp Türmer sprach in seiner Rede von einer "gemeinsamen Lösung" und einem "guten Zeichen". Voraus gegangen waren stundenlange Krisengespräche zwischen Türmer, Pistorius und der engsten Parteiführung.

Ein klassischer Kompromiss mit schmerzhaften Zugeständnissen für beide Seiten – so lautete zumindest die Botschaft der Türmer-Rede auf dem Parteitag. Pistorius und er hätten sich "beide ganz schön bewegen müssen", so der Chef der Parteijugend zu den Delegierten. Andere sahen Pistorius ausgebremst oder die Tür zur Wehrpflicht durch den SPD-Beschluss endgültig blockiert.

Video | "Ich wäre nicht bereit, für Deutschland in den Krieg zu ziehen."
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Quelle: t-online

Pistorius treibt Wehrdienstpläne voran

Doch der Punktsieg auf offener Bühne spiegelt nicht unbedingt die gesetzgeberische Realität wider. Nun zeigt sich: Pistorius konnte seine Linie offenbar weitgehend durchsetzen. Wie t-online aus informierten Kreisen erfuhr, muss der Verteidigungsminister sein Wehrdienst-Gesetz nach dem Parteitagsbeschluss in der Substanz wohl nicht anpassen.

In einer Schalte am Donnerstag informierten Pistorius und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, demnach mehrere Abgeordnete von Union und SPD über die Grundzüge seiner Wehrreform. Der Verteidigungsminister soll den Parlamentariern dabei mitgeteilt haben, dass er sein Wehrdienst-Gesetz im Einklang mit dem SPD-Parteitagsbeschluss sehe. Dies gelte auch für den Pflichtteil im Gesetz – gegen den die Jusos zuvor rebellierten.

Dass Pistorius bereits wenige Tage nach dem Kompromiss die Eckpunkte seines Gesetzes vorstellt, legt diesen Schluss zusätzlich nahe. Wie t-online aus Ministeriumskreisen erfuhr, habe man den Juso-Antrag schon vor dem Parteitag mit Gelassenheit gesehen: Ein Wehrpflicht-"Automatismus" im Gesetz, wie ihn die Jusos befürchten, sei ohnehin nie der Plan gewesen, heißt es im Verteidigungsministerium.

Freiwilligkeit steht im Vordergrund

In dem Briefing am Donnerstag schilderten Pistorius und Breuer den ausgewählten Unions- und SPD-Abgeordneten, was der neue Wehrdienst beinhalten soll. Vieles davon war bereits bekannt: So sollen künftig alle jungen Männer und Frauen über 18 Jahre einen Fragebogen erhalten, in dem sie Auskunft über ihre körperliche Fitness und ihr Interesse an der Bundeswehr geben. Männer müssen den Fragebogen verpflichtend zurückschicken, Frauen können das freiwillig tun. Bekunden die Männer ihr Interesse an der Bundeswehr, sollen sie zur Musterung. Inwieweit eine Musterungspflicht eingeführt werden soll, die bei Nichterfüllung rechtliche Konsequenzen nach sich zöge, war Teilnehmern zufolge unklar (hier erfahren Sie mehr über das Gesetz).

Eine entscheidende Neuerung: Der bisherige freiwillige Wehrdienst (FWD) soll abgeschafft werden. Alle Wehrdienstleistenden sollen künftig den Status von Zeitsoldaten haben. Bislang meldeten sich jährlich rund 10.000 freiwillige Wehrdienstleistende (FWDL) bei der Bundeswehr. Pistorius plant einen Aufwuchs im ersten Jahr um 5.000 zusätzliche Freiwillige – auf insgesamt 15.000 Kräfte. Am 1. Mai 2026 – so der Plan – könnten dann 15.000 neue Rekruten ihr feierliches Gelöbnis antreten.

Ebenfalls neu: Die Mindestdauer des Wehrdienstes beträgt sechs Monate, die als "Untergrenze" etwa für Sicherungssoldaten und Objektschützer gilt. Danach gebe es eine Option, den Dienst auf zwölf Monate auszuweiten, berichten Teilnehmer der Koalitionsschalte t-online. Zuvor berichtete die Nachrichtenagentur Reuters über Details des neuen Gesetzes.

Streitpunkt Wehrpflicht

Der Knackpunkt, der vor allem in der SPD seit Monaten für Diskussionen sorgt, sind die verpflichtenden Elemente im Gesetz. Pistorius sagte bereits Anfang Juni im ARD-Talk "Caren Miosga", dass er zwar zunächst auf Freiwilligkeit setze, aber auf eine Wehrpflicht zurückgreifen wolle, sollten sich nicht genügend Freiwillige melden. Pistorius begründet den Schritt mit der sicherheitspolitischen Lage in Europa und der Notwendigkeit, die Bundeswehr bis 2029 verteidigungsbereit zu machen.

In dem Briefing am Donnerstag machte Pistorius Teilnehmern zufolge jedoch klar, dass die Wehrpflicht als Option im Gesetz verankert werden soll, falls die Zielzahlen verfehlt werden. Dies soll aber nur unter besonderen Voraussetzungen möglich sein: Um die ausgesetzte Wehrpflicht wieder zu aktivieren, wäre sowohl ein Beschluss des Bundeskabinetts als auch des Bundestags mit einfacher Mehrheit erforderlich.

Wie genau der Mechanismus ausgestaltet ist, sei noch in der Beratung. Ob etwa bereits die Wehrpflicht gezogen wird, wenn das jährliche Planziel um 1.000 Freiwilligen verfehlt wird oder ob darüber von Fall zu Fall entschieden werde, sei noch in der Diskussion, hieß es aus Koalitionskreisen. Klar sei, dass die alte Wehrpflicht nicht zurückkomme. Eine verpflichtende Rekrutierung würde also nicht alle jungen Männer eines Jahrgangs betreffen, sondern nur ausgewählte. Pistorius orientiere sich am "schwedischen Modell", bei dem nur ein kleiner Teil eines Jahrgangs tatsächlich Wehrdienst ableisten müsse.

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SPD nähert sich Pistorius-Linie an

Das Briefing am Donnerstag könnte die Wehrpflicht-Diskussion in der SPD weiter anfachen. Der Kompromiss auf dem SPD-Parteitag vorige Woche hat die parteiinterne Gemengelage zwar vorerst befriedet. Doch ob die Wehrpflicht-Gegner in der SPD die Pläne des Verteidigungsministers nachhaltig unterstützen, muss sich noch zeigen.

Dass der Minister seine Pläne wenige Tage nach dem Parteitag vorantreibt, deutet darauf hin, dass er die Einigung als parteiinternen Punktsieg verbucht. Tatsächlich trägt das mit den Jusos ausgehandelte Kompromisspapier an wichtigen Stellen Pistorius' Handschrift. So lautet der zentrale Satz im Parteitagsbeschluss: "Wir wollen keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind."

Aus dem Umfeld von Pistorius heißt es, der Satz spiegele die Position des Ministers exakt wider. Pistorius habe stets betont, dass die Freiwilligkeit beim neuen Wehrdienst im Vordergrund stehe. Anreize wie der kostenlose Führerschein und ein höherer Sold sollen junge Menschen dazu bewegen, aus freien Stücken zur Bundeswehr zu kommen. Nur wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreiche, um die militärischen Fähigkeitsziele zu erreichen, soll die Pflicht-Option greifen. Dies sei immer der Plan gewesen.

Insider weisen zudem darauf hin, dass der Parteitagsbeschluss zwar eine neue Akzentuierung darstelle und noch mal besonders die Freiwilligkeit betone, sich aber substanziell nichts ändere. In Pistorius' Umfeld wird der SPD-Beschluss sogar als Fortschritt gewertet, weil er den "notwendigen Aufwuchs der Reserve und der Bundeswehr insgesamt" offiziell anerkennt, wie es im Text heißt. "Die Bundeswehr muss eine Personalstärke von mindestens 60.000 zusätzlichen Soldatinnen und Soldaten und 200.000 Reservistinnen und Reservisten erreichen", steht dort weiter.

Bisher war das Ziel, die Sollstärke der Bundeswehr um 60.000 Soldaten auf 260.000 zu erhöhen, eine Forderung der Nato, keine offizielle SPD-Position. Pistorius nannte die Zahl erstmals Anfang Juni bei einem Nato-Treffen in Brüssel. Der Antrag, den ursprünglich die Jusos eingebracht hatten, verleiht dem Nato-Aufwuchsziel nun den Status eines offiziellen SPD-Beschlusses. So sieht man es zumindest im Verteidigungsministerium.

Der Zeitplan zum neuen Wehrdienst

Der Verteidigungsminister hat öffentlich mehrfach betont, dass er keine Zeit verlieren wolle. Sein Gesetzentwurf soll laut dem Briefing am Donnerstag in der letzten Augustwoche im Kabinett beraten und beschlossen werden. Im Herbst könnte er dann ins Parlament gehen.

Die Abgeordneten von Union und SPD könnten das Gesetz dann per einfacher Mehrheit verabschieden. Ob die nötige Mehrheit – insbesondere in der SPD-Fraktion – erreicht wird, muss sich dann zeigen. Gelingt es Pistorius, seine Parteikollegen hinter dem Gesetz zu versammeln, könnten im nächsten Jahr die ersten Fragebögen an 18-jährige Männer und Frauen verschickt werden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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