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Bosbach zu Karnevalsdebatte: "Könnten wir jetzt wieder an die Arbeit gehen?"


Karnevals-Gags
"Wir hatten Kar-ne-val! Da werden schon mal Witze gemacht"

MeinungEin Gastbeitrag von CDU-Politiker Wolfgang Bosbach

Aktualisiert am 06.03.2019Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Tagelange Kritik an Annegret Kramp-Karrenbauer: Für CDU-Politiker Wolfgang Bosbach wurde die CDU-Chefin lediglich falsch verstanden.Vergrößern des Bildes
Tagelange Kritik an Annegret Kramp-Karrenbauer: Für CDU-Politiker Wolfgang Bosbach wurde die CDU-Chefin lediglich falsch verstanden. (Quelle: Montage: t-online.de/dpa-bilder)

Die Empörung über zwei Karnevalsreden bestimmt in den letzten Tagen die politische Debatte. "Können wir bitte zu einem anderen Thema wechseln?", fragt CDU-Politiker Wolfgang Bosbach in seinem Gastbeitrag für t-online.de.

Erst war sie selbst Opfer eines Karnevalsscherzes von Komiker Bernd Stelter, dann machte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer einen Gag über Toiletten für das dritte Geschlecht. Die Empörungswelle war jeweils groß. Für den CDU-Politiker Wolfgang Bosbach taugen beide Reden allerdings nicht für tagelange Diskussionen.

In seinem Gastbeitrag für t-online.de weist er darauf hin, dass andere Debatten weit wichtiger seien. Zum Beispiel, ob Schulstreiks nur beim Klima oder auch bei anderen Themen so positiv gesehen werden würden. Was wäre, schreibt Bosbach, wenn Kinder gegen die "Islamisierung des Abendlandes auf die Straße" gingen?


Wolfgang Bosbachcoremedia:///cap/blob/content/85217688#data
, geboren 1952, war stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion. Von 2009 bis 2015 war der Rechtsanwalt Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Im Herbst 2017 erklärte er seinen Rückzug aus der Politik.

Nach einem alten rheinischen Volkslied ist bekanntlich "am Aschermittwoch alles vorbei". Hoffentlich gilt das auch für die beiden – angeblich – sooo wichtigen Fragen, ob sich Karnevalslegende Bernd Stelter über den Doppelnamen der CDU-Vorsitzenden lustig machen durfte und ob selbige eine Minderheit während einer launigen Rede vor dem Stockacher Narrengericht derart grob beleidigt hat, dass nach Meinung der "Lesben und Schwulen in der Union" eine Entschuldigung dringend vonnöten ist.

Über beides kann man diskutieren, aber doch bitte nicht tagelang in einer Schärfe, als sei der alte Ost-West-Konflikt neu entbrannt! Haben wir eigentlich keine anderen Sorgen und Themen?

Der Reihe nach: Ich bezweifele stark, dass jeder Kritiker Stelters Rede von Anfang bis Ende gehört hat. Ich selber habe ihm vier Mal live und in voller Länge zugehört, vier Mal exakt der gleiche Text: Erst macht er sich über sich, über die eigene (!) Lage bei Eheschließung lustig, denn der Name der Verlobten war "Rumpel".

"Daraufhin der Standesbeamte: Ne, SIE wollen keinen Doppelnamen ..." – Tusch.

Dann sinniert er über den vollen Namen von "AKK", wobei mehr der Zungenbrecher als die Tatsache Doppelname veralbert wird, bevor er sich schlussendlich der Frage widmet, wie dieser Name wohl in den ausländischen Nachrichtensendungen ausgesprochen würde. Muss man nicht lustig finden – aber deshalb empört die Bühne entern, um den Künstler dort zur Rede zu stellen?

Brauchen wir zukünftig professionelle Bühnenbewacher?

Wie wäre es denn mit einfach rausgehen? Das wäre auch eine Form des Protestes, allerdings nicht zulasten von über 1.000 Gästen, darunter garantiert nicht wenige mit Doppelnamen – die allesamt Bernd Stelter gefeiert haben.

An diesen vier Sitzungen dürften gut und gerne 5.000 Menschen teilgenommen haben. Nie habe ich ein kritisches Wort über diesen Auftritt gehört. Nicht während der Rede, nicht danach. Brauchen wir zukünftig professionelle Bühnenbewacher, um die Redner vor ähnlichen Attacken zu schützen? Hoffentlich nicht!

Nach Meinung der Stelter-Kritiker haben diese 5.000 vermutlich nicht das richtige gesellschaftliche Bewusstsein, nicht die notwendige Sensibilität. Aha. Übrigens: TV-Star Guido Cantz hatte in seinen Reden einen ganz ähnlichen Gag, auch er machte sich über den Namen "AKK" lustig. Hat ihm aber niemand vorgeworfen. Nein. Warum auch?

Offenbar weil die Causa Stelter so gut lief, musste sich dann "AKK" selber vorwerfen lassen, sie habe sich diskriminierend und niveaulos über Intersexuelle lustig gemacht. Na, da war aber was los! Ehrlich gesagt finde ich den strittigen Text auch nicht besonders gelungen und suche seit Tagen nach der Stelle zum Lachen. Das allerdings geht mir bei manchen Beiträgen der "Heute-Show" auch so. Ja und?

Viel wichtiger: nimmt man den Text exakt so, wie er gesagt wurde und ganz sicher auch gemeint war, dann hat sich "AKK" nicht über Inter- oder Transsexuelle, sondern über (verunsicherte) Männer lustig gemacht. Über Männer, die angeblich nicht mehr wüssten, was sie noch dürften – und was nicht. Das allerdings taugt nicht zur Empörung, also wurde der Text zum größtmöglichen Nachteil der Freizeitkomödiantin umgedeutet.

Schülerdemos sind prima – aber bitte in der Freizeit

Liebe Leute muss das alles sein? Wir hatten KAR-NE-VAL! Da werden schon mal Witze gemacht. Gute und weniger gute. Geistreiche und weniger anspruchsvolle – bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Können wir jetzt bitte zu anderen Themen und Fragen wechseln?

Zum Beispiel zu der wirklich interessanten, ob die Schulpflicht zukünftig grundsätzlich nicht mehr gelten soll – oder nicht mehr durchgesetzt wird – wenn Schülerinnen und Schüler während der Schulzeit demonstrieren möchten? Die Kanzlerin findet es prima, wenn sich junge Menschen politisch engagieren, wenn sie für wichtige und aktuelle Anliegen öffentlich eintreten. Ich auch! Das allerdings bitte in der Freizeit. Schon um dem – ganz sicher komplett unbegründeten – Vorwurf zu entgehen, schulfrei sei bei dieser Form des Protestes ein angenehmer Nebeneffekt.

Oder soll das legale Schuleschwänzen zukünftig davon abhängen, wofür oder wogegen demonstriert wird? Würde etwa bei einer Demo "Gegen die Islamisierung des Abendlandes" die Schulpflicht ebenso suspendiert? Nein? Habe ich mir schon gedacht.


Naheliegende Frage: Welche Instanz entscheidet künftig nach welchen Kriterien darüber, ob während der Schulzeit demonstriert werden darf – oder eben nicht?

Das wäre mal ein wirklich interessantes Thema.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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