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Tagesanbruch: Rundfunkbeitrag – müssen es wirklich acht Milliarden Euro sein?


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.07.2018Lesedauer: 5 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Formular für den RundfunkbeitragVergrößern des Bildes
Formular für den Rundfunkbeitrag (Quelle: Arno Burgi/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, und er beginnt heute weder mit Präsidenten noch mit Kanzlern noch mit anderen Zweibeinern:

WAS WAR?

Es geht oft ganz schön grausam zu unter den Arten, die unseren schönen Planeten bevölkern. Die einen fesseln ihre Opfer mit einem klebrigen Faden, halten sie lebend als Frischnahrung gefangen und saugen sie aus. Andere winden sich um ihre Beute, um sie zu erdrosseln, oder beißen ihren Partnern beim Sex den Kopf ab. Der Brutalitätswettbewerb der Arten ist ein altes Spiel – aber wenn der Mensch eingreift, wird es nicht besser: Vierhunderttausend Tiere pro Jahr werden in Deutschland Versuchen unterzogen. Die medizinische Forschung ist auf die Tests angewiesen, um Schaden von unserer eigenen Spezies abzuwenden – bisher.

Nun aber haben Toxikologen in Baltimore eine andere, tierversuchsfreie, ja sogar genauere Methode entwickelt, um die Gefährlichkeit neuer chemischer Stoffe zu beurteilen. Hunderttausende bisheriger Versuche haben sie erfasst, dazu Daten zu Zehntausenden Chemikalien festgehalten. Die enorme Informationsmenge nutzen sie, um die gesundheitsschädliche Wirkung unbekannter Substanzen zu simulieren. Das funktioniert sogar genauer als die Tests am lebenden Objekt. Noch immer sind Tierversuche bei Medikamententests verpflichtend. Jetzt besteht jedoch Hoffnung, dass unsere Spezies sich den Mitbewohnern des Planeten gegenüber bald etwas weniger abscheulich benimmt.

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Und was war sonst? Ach ja, Herr Trump hat gestern ein Interview gegeben, hat mal wieder dieses und jenes gesagt. Falls Sie das interessiert, können Sie ja googeln oder hier nachsehen.

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WAS STEHT AN?

Knapp acht Milliarden Euro sind eine gewaltige Summe, da werden Sie mir sicher zustimmen. Darüber entscheidet heute das Bundesverfassungsgericht: Die Karlsruher Richter verkünden ihr Urteil zum Rundfunkbeitrag. Ist es rechtmäßig, dass Sie und ich und alle anderen Bürger, die einen Haushalt führen, den Beitrag in Höhe von monatlich 17,50 Euro bezahlen müssen – ganz egal, ob wir ein Radio oder einen Fernseher haben oder nicht? Ist es rechtens, dass Firmen mehr berappen müssen, wenn sie viele Mitarbeiter, viele Dienstwagen und mehrere Betriebsstätten haben, aber trotzdem nur eine Firma bleiben? Und ist der Rundfunkbeitrag wirklich ein Beitrag – oder nicht vielmehr eine Steuer? Wäre das so, wären die Bundesländer nämlich gar nicht berechtigt, die Abgabe von uns allen einzufordern.

Gravierende Fragen also, deren Beantwortung weitreichende Folgen haben. Deshalb werden meine Kollegen Ali Roodsari und Laura Stresing heute umfangreich über das Urteil berichten und Ihnen auch die Gelegenheit geben, Ihre Fragen loszuwerden. Und diese dann beantworten.

Bis es so weit ist, hier noch rasch ein Gedanke: Schauen wir uns die Medienlandschaft in anderen Ländern an, sagen wir in Polen, Italien oder den USA, können wir uns glücklich schätzen, uns durch so vielfältige und hochwertige Angebote wie ARD, ZDF und Deutschlandradio informieren zu können. Präzise Nachrichten, spannende Dokumentationen, kluge Features – und ein Morgen ohne den Deutschlandfunk wäre doch mindestens so schlimm wie einer ohne den Tagesanbruch, oder?

Dennoch möchte ich zwei Fragen stellen: Kann es wirklich sein, dass jeder Bürger zur Kasse gebeten wird, selbst wenn er das Angebot partout nicht nutzen will? Und müssen es wirklich acht Milliarden Euro sein, reichen da nicht unter Umständen ein, zwei Milliarden weniger – und dafür verzichten die Öffentlich-Rechtlichen auf ein bisschen seichten Vorabendfirlefanz und teure Sportrechte, schauen sich vielleicht auch ihre Personalstruktur noch mal kritisch an? Doch, ich finde, diese Fragen muss man stellen dürfen.

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Vier Jahre lang haben Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin die Verbreitung von Judenhass im Internet erforscht, heute Vormittag stellen sie ihre Studie “Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses“ vor. Dass Antisemitismus auch in der realen Welt ein wachsendes Problem ist, verdeutlicht eine Meldung, die ich gestern in der “Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung“ gelesen habe: Schon wieder ist ein Jude attackiert worden, weil er eine Kippa trug. Diesmal in Düsseldorf.

"Um die Sicherheit jüdischer Mitbürger in Deutschland steht es katastrophal", sagt Michael Szentei-Heise, Direktor der dortigen jüdischen Gemeinde. Vor drei Jahren habe er kein Viertel in der Stadt gekannt, wo man sich nicht mit Kippa aufhalten konnte. "Diese Aussage ziehe ich jetzt zurück!" Er macht vor allem Muslime dafür verantwortlich, der Nahostkonflikt spielt dabei offenbar eine wichtige Rolle. Die meisten als antisemitisch registrierten Straftaten gehen allerdings auf das Konto von Rechtsextremen. So oder so: Antisemitismus ist eine Schande für unser Land und gehört mit aller Härte des Rechts geahndet.

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Wie geht es jetzt weiter mit dem Brexit? Die britische Regierung hat ihren Plan für die langfristigen Beziehungen zur Europäischen Union vorgelegt. Die Frage ist: Akzeptiert die EU den Wunschzettel aus London? Darüber reden sich heute und morgen die Unterhändler in Brüssel die Köpfe heiß. Die Ergebnisse dieses Prozesses werden Millionen Europäer betreffen. Gut also, wenn Sie Bescheid wissen, worüber in den Hinterzimmern gerungen wird. Mein Kollege Johannes Bebermeier hat die wichtigsten Punkte hier schnell erklärt. Und meine Kollegin Melanie Lüft ist der Frage nachgegangen, welche Folgen der Austritt Großbritanniens für uns Deutsche hat. Nämlich gravierendere, als Sie vielleicht dachten.

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WAS LESEN?

Gedanken und Vorstellungen können ansteckend sein. Sie können sich ausbreiten wie eine Epidemie, ganze Regionen erfassen, immer wieder aufflackern. Sie können uns zu den seltsamsten Verhaltensweisen veranlassen, ja geradezu zwingen. Und alle, die das gedankliche Virus nicht befallen hat, stehen daneben und können nicht glauben, was sie da sehen.

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Ein Beispiel? Genau fünfhundert Jahre ist es her, der Sommer war heiß in Straßburg, als eine Frau aus ihrem Haus trat und wie irre tagelang zu tanzen begann. Sie blieb nicht allein. Wie von einer seltsamen Krankheit infiziert, erfasste der zwanghafte Tanz Dutzende, dann Hunderte Menschen in der Stadt. "Überhitztes Blut", diagnostizierten die Doktoren, der Bewegungsdrang müsse raus aus dem Körper. Plätze und Märkte wurden für die Tanzenden geräumt. In der gleißenden Sonne tobten sie sich aus, unter Qualen – bis zur Erschöpfung, bis zum Kollaps, bis zum Tod.

Viele starben, schreiben die Chronisten, und wahrscheinlich starben sie an einer Folge der Angst. In unsicheren Zeiten wird der Mensch empfänglich für allerlei wirres Zeug. Der heilige Veit strafe die Sünder und zwinge sie zu wildem Tanz, glaubten die Menschen in der Region, und schon mancherorts am Rhein hatte der Veitstanz zugeschlagen. Krisen und Konflikte hatten die Menschen erschüttert, unsicher und bedrohlich war ihre Welt geworden. Verunsicherte Gemüter sahen die hysterischen Zuckungen ihrer Mitmenschen, wussten plötzlich ihre Furcht zu deuten und fielen selbst dem Wahn anheim. So ergeht es uns Menschen in den Klauen der Massenhysterie. So war es einst. Und so ist es bis heute.

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WAS FASZINIERT MICH?

Wir brauchen Luft zum Atmen, und wir brauchen sie zum Hören. Sie trägt den Schall an unsere Ohren und trommelt auf das dafür vorgesehene Fell. Die dänische Band "Between Music" hat zu diesen Tatsachen allerdings Folgendes zu sagen: Nix da. Sie schnappte sich ihre Mikros und ihre Instrumente und versenkte sie im Wasser. Jetzt sitzen die jungen Leute in kleinen, durchsichtigen Tanks und machen: Musik. Keine seltsamen Walklänge, sondern: richtige Musik. Fast jedenfalls.

Ich wünsche Ihnen einen tiefgründigen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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