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Tagesanbruch: Theresa May hinterlässt ein ganzes Land als Scherbenhaufen


Was heute wichtig ist
Sie hinterlässt ein ganzes Land als Scherbenhaufen

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 17.05.2019Lesedauer: 6 Min.
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Theresa May verlässt ihren Amtssitz in London: Die britische Premierministerin will Anfang Juni einen Zeitplan für ihren Rückzug vorstellen.Vergrößern des Bildes
Theresa May verlässt ihren Amtssitz in London: Die britische Premierministerin will Anfang Juni einen Zeitplan für ihren Rückzug vorstellen. (Quelle: Alastair Grant/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier der kommentierte Überblick über die Themen des Tages.

WAS WAR?

Wiglaf Droste war ein gnadenloser Satiriker. Ein fanatischer Anhänger des Denkens. Jetzt starb er mit 57 Jahren, viel zu jung. Seine Denkanstöße bleiben. "Eine Wahnvorstellung wird ja nicht weniger wahnhaft, weil ein Millionen großes Kollektiv ihr hinterher läuft", sagte er 2004 in einem seiner wenigen Interviews.

Der Mann war seiner Zeit um Jahre voraus. Millionen von Amerikanern haben einen Populisten zum Präsidenten gewählt, die Briten haben mehrheitlich den Brexit als besten Weg für ihr Land gewählt. Ich fürchte schon manchmal selbst um meinen Verstand. So viele Menschen können doch gar nicht irren, denke ich.

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Frei nach Wiglaf Droste hat die britische Wahnvorstellung seit gestern zum ersten Mal so etwas wie eine geringe Aussicht darauf, dass Heilung zumindest möglich ist. Theresa May hat sich mit ihren parteiinternen Gegnern darauf verständigt, dass sie Anfang Juni einen Zeitplan für ihren Rücktritt präsentiert. Nach der vierten Brexit-Abstimmung im Parlament, die sie aller Voraussicht nach wieder verlieren wird. Ein typisches May-Zugeständnis. Langsam lässt sie sich aus dem Amt drängen. Sie schleppt sich von der politischen Bühne. Die Balken unter ihren Füßen tragen nicht mehr.

Sie hinterlässt ein ganzes Land als Scherbenhaufen. Tief gespalten ist Großbritannien, zwischen Brexiteers und EU-Anhängern. Wenn eine Regierung für alle Menschen im Land verantwortlich handeln soll, dann hat Theresa May auf ganzer Linie versagt.

Wer wird ihr als Premierminister folgen? Es ist nicht abzusehen. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass der Brexit-Hardliner Boris Johnson ihr nachfolgt. Er hat seinen Hut in den Ring geworfen und will Parteichef werden. Und der ist traditionell in Großbritannien auch Premierminister.

Neuwahlen? Das britische Meinungsforschungsinstitut YouGov hat erhoben, wie die Briten in diesem Falle abstimmen würden. Kamen beide große Parteien noch 2017 zusammen auf über 82 Prozent der Wählerstimmen, nun wären es gerade mal 48 Prozent. Eine Erosion, wie sie Großbritannien seit hundert Jahren nicht erlebt hat.

Wohin das Land treibt? Eine neue Regierung? Neuwahlen? Ein zweites Referendum? Es bleibt kompliziert. Vielleicht nicht mehr lange, bis Klarheit herrscht. Einen Schritt in eine bessere Zukunft wünsche ich den Briten. Egal wie.


Es ist schon ein bemerkenswerter Fortschritt, der gestern öffentlich wurde: Zum zweiten Mal ist einem deutschen Unternehmen der Jungfernflug eines Flugtaxis gelungen. Zwar hob der "Lilium Jet" in Oberpfaffenhofen bei München nur für wenige Sekunden zu einem kurzen Senkrechtflug ab. Doch schon ab 2025 soll das Flugtaxi in zwei Städten zum Einsatz kommen. "Zum Preis eines Taxis", schwärmt Gründer Daniel Wiegand.

Mich beschleicht da Skepsis. Ich bin nicht sicher, ob sich das Flugtaxi am Ende als Schein-Innovation herausstellt. Im Grundsatz leistet ein Flugtaxi nicht mehr als ein Hubschrauber. Menschen werden unter Verbrauch von viel Energie in die Luft gehoben, um schnell von A nach B reisen zu können. Die Flugtaxi-Erfinder müssen noch beweisen, dass sie das Gleiche preiswerter und umweltfreundlicher anbieten können. Wenn das gelingt, muss zugleich der Luftraum neu aufgeteilt werden. Der Platz dort ist heute schon äußerst begrenzt.

Die Diskussion um das Flugtaxi zeigt ein Dilemma: Der technische Fortschritt entwickelt sich rasant, aber nicht immer sinnvoll. Erinnern Sie sich noch an Google Glass? Die Datenbrille sollte Zusatzinformationen vor das eigene Auge bringen. Das Projekt scheiterte an der Akzeptanz. Die Liste gescheiterter Innovationen lässt sich beliebig fortsetzen: Der Transrapid, der schnelle Brüter in Kalkar, der Cargolifter, der intelligente Kühlschrank (bis heute gehen wir lieber selbst einkaufen). Mindestens 80 Prozent aller Innovationen scheitern, sagen Experten.

Das Flugtaxi stellt zugleich noch eine andere, grundsätzliche Frage. Weshalb fällt so viel Scheinwerferlicht auf solche Projekte, die offensichtlich nur das Luxusproblem einer Minderheit lösen? Wir Journalisten sind da durchaus nicht unschuldig. Schneller, größer, weiter. Das gibt immer eine gute Story. In Träumen schwelgen ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis.

Solche Projekte ziehen übrigens auch Investoren an wie Motten das Licht. Start-ups verkaufen vor allem eines: einen Traum. Geldgeber wollen Marktführer sehen, solche mit revolutionären Ideen.

Da passt ein anderes Ereignis gut ins Bild. Vor wenigen Stunden sollte die erste Starlink-Mission in Cape Canaveral starten. Der Launch musste dann aber doch noch verschoben werden – in einer Woche sollen nun die 60 Satelliten ins All geschossen werden. Insgesamt sollen es später mehr als 2.000 sein, die Internet-Verbindungen in jede Region der Erde für wenig Geld ermöglichen. Hauptinvestor ist Elon Musk, der passenderweise auch die dafür nötige preiswerte Trägerrakete "Falcon 9" entwickelt hat. Ist das Projekt erfolgreich, werden Millionen von Menschen vor allem in wenig entwickelten Regionen dieser Welt profitieren.

Flugtaxi und Starlink sind zwei völlig gegensätzliche Projekte. Eine Sache wird über ihren Erfolg entscheiden: Innovation setzt sich durch, wenn sie den Menschen einen Mehrwert bringt, das Leben vereinfacht, es preiswerter macht.

Ach ja, vielleicht haben Sie ja schon mal mit dem Gedanken gespielt, eine sinnstiftende Innovation zu fördern. Auswahl gibt es da genug, falls Sie etwas Geld zur Verfügung haben.


WAS STEHT AN?

Zwei Dinge werden wahre Fans an diesem Wochenende nicht verpassen wollen. Vielleicht ahnen Sie es.

Erstens: Fußball. Auf ein Duell wie dieses warten Fußball-Fans in Deutschland seit Jahren. Der FC Bayern und Borussia Dortmund liefern sich am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison einen erbitterten Kampf um den Titel. Der Krimi zwischen den beiden größten Klubs elektrisiert Millionen - auch Politiker wie Christian Lindner, Musiker wie Sasha oder Fußball-Weltmeister wie Horst Eckel. Sie zählen zu den mehr als 20 Promis, die unsere Redaktion gefragt hat: Wer wird Meister? Es gab spannende Antworten. Hier. Falls Sie selbst mit Freunden den letzten Spieltag verfolgen wollen, liefert Ihnen mein Kollege Tobias Ruf sechs Besserwisser-Fakten über den historischen Titelkampf.

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Zweitens: Der Eurovision Song Contest am Samstag. Fans sprechen schlicht vom ESC. Die europäischen Fernsehsender liefern sich mit Twitter ein Rennen um die besseren Einschaltquoten Klicks. Die Kostüme werden phantastisch sein, die künstlerischen Darbietungen durchwachsen. Ich finde ja, mit Twitter (Hashtag #ESC2019) macht das Ereignis am meisten Spaß. Natürlich nur, wenn man es nicht zu ernst nimmt. Dann sind sie in guter Gesellschaft.


WAS LESEN?

Europa hat die tiefgreifend verändernden Technologien ausnahmslos verpennt – das Internet, das Smartphone, die Cloud. Sage nicht ich, sagt Frank Thelen, Deutschlands prominentester Investor im Interview mit t-online.de. Er fordert von uns ein verändertes Denken. Kritisch sieht Thelen die großen Konzerne BMW, VW und Co. "Die deutsche Autoindustrie zum Beispiel, ich glaube, die hat schon verloren." Mehr sei nicht vorweggenommen, das Interview geht erst im Laufe des Tages auf unserer Seite online.

Meine Kollegin Laura Stresing hat Bilder von der Sorte, die uns China noch fremder erscheinen lassen. Der Konzern Huawei hat sich dort, nahe Shenzhen, dem "Silicon Valley im Reich der Mitte", jetzt selbst ein Denkmal gesetzt – in Form eines riesigen Forschungs- und Entwicklungscampus, der unter anderem auch exakte Kopien von berühmten Sehenswürdigkeiten wie dem Schloss von Versaille beherbergt. Der Fotograf Kevin Frayer durfte den Campus besuchen. Die Bilder, die er mitgebracht hat, sind zugleich beeindruckend und gespenstisch.

Eine Sache sollten Sie noch lesen. Das haben Sie nämlich selbst gesagt, statistisch gesehen. Sie, also "die Deutschen" haben sich ein Jahr nach Einführung der neuen Datenschutzgrundverordnung geäußert. Ob Sie sich jetzt besser geschützt fühlen. Sie ahnen vielleicht, was Sie antworten würden. Genau, das.


WAS BEGEISTERT MICH?

Ok, ich warne Sie vor. Versuchen Sie bei dieser Animation nicht, zu lange hinzusehen. Der Giphy-Account von Thomas Hopper ist übrigens voll von ähnlichen Kunstwerken.

In diesem Sinne wünsche ich einen empathischen Tag. Morgen können Sie den Tagesanbruch wieder hören. Am Wochenende in der Audio-Version. Die sie übrigens hier abonnieren können.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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