Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Europa steht gedemütigt da – mal wieder

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
maximal zwei Wochen wollte US-Präsident Donald Trump über einen Eingriff der USA in den Krieg zwischen Israel und Iran nachdenken. Am Ende wurden es zwei Tage: In der Nacht zu Sonntag schickte der Präsident B2-Stealth-Flieger, die 13 Tonnen schwere "Bunkerbrecher"-Bomben trugen und im Iran drei Atomanlagen unter Beschuss nahmen.
Der Iran schlug am Sonntag zurück, feuerte Raketen auf Israel und traf Wohngebiete. Europa scheint machtlos, die deutschen Parteien wirken ratlos. Aber auch den US-Präsidenten könnte die Lage in eine innenpolitische Krise stürzen.
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Schließlich hatte Trump im Wahlkampf und bei Amtseintritt für sich als Anti-Kriegs-Präsidenten und "Peacemaker", also "Friedensstifter", geworben. In der Vergangenheit von den USA geführte Kriege wie im Irak oder in Afghanistan verurteilte er, die Zahl der gestorbenen US-Soldaten und die finanziellen Kosten seien zu hoch gewesen. Er hingegen wolle sich nicht in vermutlich jahrelang währende Konflikte in Übersee einschalten. "America first", sein großes Versprechen, war ein isolationistisches an seine Nation: Wir kümmern uns um uns selbst. Schluss mit Weltpolizei.
Die Rolle aber lässt sich kaum abschütteln. In der Ukraine käme ein Entzug aller US-Unterstützung einer von Trump abgesegneten Niederlage des angegriffenen Landes gegen den Aggressor Russland gleich. Im Israel-Iran-Krieg wiederum waren die USA die einzige Nation weltweit, die so starke Bomben besitzen, dass sie die unterirdische Atomanlage Fordo zerstören könnten. Mögen die USA ohne die Welt auskommen wollen. Die Welt kann nicht ohne sie und ihre Waffen auskommen.
In Trumps MAGA-Lager könnte das in den kommenden Wochen einen Spalt vergrößern – den zwischen Falken und Tauben. Die Tauben vertreten den egoistischen Kurs, den Trump im Wahlkampf so pries; die Falken plädieren für ein hartes Vorgehen in internationalen Krisen, gerade gegen islamistische Regime und Terrorfinanzierer wie den Iran. Auf diesen Kurs hat Trump nun umgeschwenkt.
Damit hat Trump sich in eine zwiespältige Rolle begeben: Ein Falke ist er derzeit gegen den Iran. Eine Taube war er bislang gegen Russland.
Zurzeit dulden die Tauben, zu denen auch der einflussreiche Trump-Berater Steve Bannon gehört, seinen Kurs gegen den Iran noch. Sie halten still oder scheren hinter Trump ein. Doch das könnte sich ändern. Zentral dafür wird unter anderem sein, ob die US-Bomben das erreicht haben, was sie sollten: Die Atomanlage Fordo zu zerstören. Trump behauptet, das sei geglückt. Analysten aber widersprechen. Die Lage war bis zum späten Sonntagabend unklar. Von dem Ergebnis dürfte unter anderem abhängen, ob es tatsächlich bei einem einmaligen Schlag bleibt.
Die US-Demokraten protestieren unabhängig davon gegen Trumps Kurs. Vor allem aus einem Grund: Der Präsident ließ die iranischen Atomanlagen ohne Zustimmung des Kongresses angreifen. Trump aber dürfte sich bereits mindestens einen möglichen Ausweg aus dieser juristischen Klemme gesucht haben, berichtet mein Kollege Bastian Brauns hier aus Washington.
Europa steht derweil gedemütigt da. Mal wieder. Militärisch schwach, am Rande der Bedeutungslosigkeit auf dem internationalen Spielfeld. Anfang der vergangenen Woche hatte Außenminister Johann Wadephul (CDU) noch ein Eingreifen der USA im Iran ausgeschlossen. Am Freitag dann hatte er sich mit seinen Kollegen aus Frankreich, Großbritannien sowie dem Iran im schweizerischen Genf getroffen. Das Ziel: den Iran zu Verhandlungen zu bewegen, die Ausweitung des Krieges zu verhindern.
Die Wortmeldungen im Anschluss fielen hoffnungsvoll aus. Der Iran sei gesprächsbereit, so Wadephul. Schon verbal setzte Trump da ein Stoppschild und wies Europa in seine Schranken: Der Iran wolle mit den USA verhandeln, Europa habe nichts zu sagen. Kurz darauf schuf der US-Präsident dann Fakten und ließ die Bomben im Iran fallen.
Wie schon in den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zeigte Trump so deutlich: Wer schwach ist, den lässt er außen vor. Das Bündnis mit den Europäern hat schon lange keine Priorität mehr für ihn.
Damit setzt der US-Präsident wohl auch den Ton für die Nato-Konferenz am Dienstag und Mittwoch in Den Haag. Trump hatte zugesagt, zu kommen; für Deutschland reisen Kanzler Friedrich Merz, die Minister Boris Pistorius und Johann Wadephul an. Dort wird Trump in jedem Fall einen großen Erfolg verbuchen: Nach massivem Druck der US-Regierung wollen sich die 32 Bündnisstaaten bereit erklären, ihre jährlichen verteidigungsrelevanten Ausgaben auf mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Das hieß es aus Kreisen der Bündnispartner am Sonntag.
Ein notwendiges und doch riesiges Entgegenkommen der Europäer, das noch vor Monaten undenkbar gewesen wäre. Doch es wird kaum Zeit bleiben, um Trump mit dieser Nachricht sanftmütig zu stimmen. Mit Israel und dem Iran dürfte der nächste, ganz konkrete Krisenherd die Agenda bestimmen.
Ohrwurm
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Was steht an?
EU und Kanada wollen neues Bündnis schließen: Auf dem Gipfeltreffen zwischen der EU und Kanada in Brüssel wird eine Einigung über eine Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft erwartet. Um 19.20 Uhr wollen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Kanadas Regierungschef Mark Carney vor die Kameras treten.
Iranischer Außenminister reist nach Russland: In Moskau will sich Abbas Araghtschi mit Kremlchef Wladimir Putin treffen. Putin zählt zu den engsten Verbündeten des Iran.
Beratungen zu Israel und Iran: Ab 9 Uhr kommen in Brüssel die EU-Außenminister zusammen. Ab 10 Uhr ist in Wien eine Dringlichkeitssitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA geplant.
Bill Gates erhält Preis in Deutschland: Der Gründer der Gates Foundation wird für seine Verdienste in der globalen Gesundheitsförderung und im Kampf gegen Pandemien mit dem Walther-Rathenau-Preis 2025 ausgezeichnet. Die Verleihung startet um 13 Uhr in Berlin, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) wird eine Laudatio halten.
Das historische Bild
Walt Disney schuf 1940 einen veritablen Flop. Mehr lesen Sie hier.
Lesetipps
Nach dem Ausbruch des Krieges wollen viele Menschen den Iran verlassen. Täglich fliehen Hunderte auf dem Landweg nach Armenien. Kim und Tobias Schibilla waren in der Grenzstadt Meghri und haben dort mit den Menschen gesprochen.
Welche Folgen kann der Angriff der USA auf die iranischen Atomanlagen haben? Der Militäranalyst Oberst Markus Reisner erklärt die Lage im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.
Trotz des Krieges zwischen Israel und dem Iran geht auch der Einsatz des israelischen Militärs im Gazastreifen weiter. Wie schlimm die Lage dort ist, hat der Unicef-Sprecher James Elder meinem Kollegen David Schafbuch berichtet.
Todesdrohungen, Beschimpfungen, Rassismus: Immer mehr Tennisprofis beklagen Hassnachrichten in den sozialen Medien. Im Interview mit meinem Kollegen David Digili spricht die deutsche Ex-Spielerin Andrea Petković über ihre eigenen Erfahrungen und einen reumütigen Übeltäter.
Zum Schluss
Ich wünsche Ihnen einen friedlichen Start in die Woche. Morgen schreibt Florian Harms wieder für Sie.
Herzlichst
Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
X: @AnnLei1
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Mit Material von dpa.
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