Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Trump muss seine eigenen Worte fressen

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
der Nahe Osten gleicht einem Domino: Wirft man einen Stein um, fallen schnell weitere, ohne dass sich die Kettenreaktion stoppen ließe. Die Amerikaner haben diese Lektion bitter gelernt, als sie im Jahr 2003 meinten, durch den Sturz des Diktators Saddam Hussein nicht nur den Irak, sondern gleich die ganze Region demokratisieren zu können. In den Trümmern des Regimes keimte der Spaltpilz konfessioneller Rivalitäten, in den Gefängnissen radikalisierten sich Saddams Schergen zu Terroristen und gründeten die Keimzelle des "Islamischen Staats". Auf den Kampf gegen die Besatzer folgten der Bürgerkrieg, blutige Anschläge im Irak, im Iran und bald auch in Europa: London, Madrid, Berlin, Nizza, Paris und viele weitere Städte wurden von der Geißel des Terrors heimgesucht.
In der amerikanischen Bevölkerung rissen die Zahlen von 4.500 gefallenen und 33.000 verwundeten US-Soldaten sowie mehr als einer Billion Dollar Kosten des Irak-Kriegs eine tiefe Wunde. Sie ließ den Hass auf die politische Elite in Washington wachsen, beschleunigte die Radikalisierung der Republikanischen Partei und bereitete den Boden für den Aufstieg der MAGA-Bewegung. Deren Hohepriester ist Donald Trump, aber im Hintergrund ziehen gewiefte Ideologen die Strippen.
Militäraktionen im Ausland hält der Kern dieser Leute nach der Irak-Erfahrung für des Teufels, was Trumps Schlingerkurs angesichts des israelischen Angriffs auf den Iran erklärt: Mal spuckt er martialische Töne und droht mit dem amerikanischen Kriegseintritt – nur um kurz darauf zu beschwichtigen und seine eigenen Worte zu fressen. Einen Bruch mit seiner Basis kann sich nicht einmal der mächtigste Mann der Welt leisten.
Das ist das Szenario, vor dessen Hintergrund der Luftkrieg im Nahen Osten in seine zweite Woche geht. Von einer diplomatischen Schlichtung bis zur völligen Eskalation – noch ist alles möglich, und die Folgen könnten gravierend sein.
Was also steht uns in den kommenden Tagen und Wochen bevor? Wie stark ist das Mullah-Regime in Teheran wirklich noch, welche Strategie verfolgen die Israelis und was ist vom US-Militär zu erwarten? Worauf bereiten sich amerikanische Außenpolitiker vor und warum spielt die Türkei eine kaum zu überschätzende Rolle?
Die drängenden Fragen der Stunde beantworten wir im Podcast mit Karl-Theodor zu Guttenberg. Der ehemalige deutsche Verteidigungsminister lebte jahrelang in den USA und ist in Washington bestens vernetzt. Was er berichtet, ist hörenswert, weshalb ich Ihnen dieses Gespräch gern empfehle.
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Für die vielen netten Zuschriften bedanke ich mich herzlich und wünsche Ihnen ein friedliches Wochenende, hoffentlich mit etwas Abkühlung oder einem Schattenplätzchen. Am Montag kommt der Tagesanbruch von Annika Leister, von mir lesen Sie am Dienstag wieder.
Herzliche Grüße
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
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