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Corona-Lockdown für alle? Ein Skandal, wenn der Staat hierbei versagt


Tagesanbruch
Es ist ein Skandal, wenn der Staat hierbei versagt

MeinungVon Sebastian Späth

Aktualisiert am 04.12.2021Lesedauer: 4 Min.
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Zutritt nur mit 2G: Seit Donnerstag gilt im Land faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte.Vergrößern des Bildes
Zutritt nur mit 2G: Seit Donnerstag gilt im Land faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte. (Quelle: Ying Tang/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

was bedeutet Freiheit in Zeiten der Pandemie? Seit dieser Woche haben wir darauf gleich mehrere neue Antworten.

Die erste hat uns das Bundesverfassungsgericht am Dienstag gegeben: Die freie Ausübung der Grundrechte ist nur bis zu dem Punkt gewährleistet, an dem sie das Leben und die Gesundheit anderer nicht gefährdet. Von daher war die im April dieses Jahres verhängte Bundesnotbremse rechtens.

Die zweite Antwort kam von der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag: Bund und Länder einigten sich auf bundeseinheitliche Regeln, die faktisch einen Lockdown für Ungeimpfte bedeuten: 2G in Kinos, Theatern, Gaststätten, im Einzelhandel, mit Ausnahme von Geschäften des täglichen Bedarfs. Ungeimpfte müssen ihre privaten Kontakte beschränken, an den Schulen gilt eine Maskenpflicht für alle Klassenstufen. Wer sich die Freiheit herausnimmt, sich nicht impfen zu lassen, der muss umgekehrt auf andere Freiheiten verzichten, so die Devise. Das ist nicht nur gerecht, die 2G-Regel ist längst überfällig. Andere Länder haben da weniger lange gezaudert.

Um beide Entscheidungen geht es in der neuen Wochenendausgabe unseres Podcasts „Tagesanbruch“. Ich freue mich sehr, dass Franziska Brandmann als Diskutantin dabei ist. Sie ist die neue Bundesvorsitzende der FDP-Jugendorganisation „Junge Liberale“, von Amts wegen also so etwas wie eine „Freiheitsexpertin“. Ihre Partei hatte gegen die Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen geklagt und damit eine Niederlage erlitten. Die Liberalen tragen jetzt aber, da sie bald an der Regierung beteiligt sein werden, die neuen, schärferen Regeln mit. Über diese Sonderrolle sprechen wir mit Franziska Brandmann. Hören Sie doch mal rein.

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Und noch etwas hat sich in dieser Woche geändert: Freiheit hat nun auch ein zeitliches Ablaufdatum: Bald-Bundeskanzler Olaf Scholz will die Gültigkeit des Impfzertifikats auf ein halbes Jahr begrenzen, was an sich ein vernünftiger Schritt ist. Wir wissen aus Studien, dass der Impfschutz einer Corona-Impfung mit der Zeit etwas nachlässt.

Wer nach Ablauf dieser Frist nicht die Auffrischung erhält, der gilt einerseits als nicht mehr ausreichend genug geschützt und andererseits als zu hohes Infektionsrisiko für andere. So weit, so rational. Das Problem ist nur: Die Nachfrage nach Corona-Impfungen ist aktuell größer als das Angebot.

Das zeigt sich zum Beispiel in Brandenburg. Das Land hat in den vergangenen Wochen die Logistik hochgefahren. Das heißt, es gibt jetzt wieder mehr Stellen, an denen Impfungen angeboten werden. Nur können sie nicht mit Vakzinen bedient werden. Die tatsächlich verfügbare Menge liegt 30 Prozent unter der erwarteten, wie Ministerpräsident Dietmar Woidke am Freitagmorgen im Deutschlandfunk erklärte. Das Interview trieb einem als Bürger die Zornesfalten auf die Stirn.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Lage kaum anders: Dort droht eine geplante Impf-Aktionswoche zu platzen, weil die Hausärzte nur einen Bruchteil ihres bestellten Impfstoffs erhalten haben. Angesichts dieses Missstandes wirkt die Ankündigung von Olaf Scholz, man wolle bis Weihnachten 30 Millionen zusätzliche Impfungen erreichen, wie leeres Geschwätz.

Die Gültigkeit des Impfpasses zu begrenzen, ist ein epidemiologisch wichtiger Schritt. Es ist aber ein Skandal, wenn der Staat nicht ausreichend Impfstoffe parat hat und so in der zentralen Aufgabe versagt, die Freiheit eines jeden bestmöglich zu gewährleisten. Deshalb läuft Olaf Scholz Gefahr, zum Abgang von Gesundheitsminister Jens Spahn dessen Rolle als „Ankündigungsminister“ zu übernehmen.

Doch warum sprechen wir überhaupt über Freiheit? Weil sich dieses wertvolle Gut gerade neu definiert.

Zwar gab es im rechtlichen Sinne die Freiheit des Einzelnen immer schon nur in Relation zur Freiheit der Gemeinschaft. Doch in der Pandemie erlebt diese Beziehung eine Zerreißprobe. Denn je höher die Inzidenzen steigen, desto lauter werden die Diskussionen über einen generellen Lockdown, also auch für Geimpfte. Auch vorübergehende Schulschließungen sind wieder im Gespräch. Das Argument dahinter ist nicht von der Hand zu weisen. So ein Lockdown würde die Kontakte und die Mobilität einschränken und das Infektionsgeschehen eindämmen. Er würde damit den Intensivstationen die Entlastung geben, die sie aktuell brauchen. Auch das ist richtig.

Doch bei all den Warnungen darüber, dass auch Geimpfte sich und andere infizieren können, vergessen wir gern eine Sache: Nur ein ganz kleiner Teil der Geimpften landet auf der Intensivstation. Für die meisten Geimpften verläuft eine Covid-Erkrankung weitestgehend harmlos. Sie haben ihren Beitrag für die Gemeinschaft geleistet.

Ich bin auch geimpft. Mir fällt es schwer einzusehen, warum ich wegen der Ignoranz der Ungeimpften und angesichts des politischen Missmanagements meine Freiheit abermals einschränken sollte.

Ihr

Sebastian Späth
Politischer Reporter im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @sebastianspaeth

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Mit Material von dpa.

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