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Corona-Krise: "Deutschlands Pandemie-Management ist eine Frechheit"


Tagesanbruch
Deutschlands Corona-Management ist eine Frechheit

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 06.01.2022Lesedauer: 5 Min.
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Karl Lauterbach: Der Gesundheitsminister liefert derzeit in der Pandemiepolitik Vorschläge wie aus einem Paralleluniversum.Vergrößern des Bildes
Karl Lauterbach: Der Gesundheitsminister liefert derzeit in der Pandemiepolitik Vorschläge wie aus einem Paralleluniversum. (Quelle: Jens Schicke/imago-images-bilder)

Liebe Leserin, lieber Leser,

kurz nach Weihnachten habe ich meinen ersten roten Alarm auf der Corona-Warn-App erhalten. "Erhöhtes Risiko" sendete die App mir als Push-Nachricht – und ganz konkret: Ich solle mit mindestens einer nachweislich infizierten Person längeren Kontakt gehabt haben.

Schön, dass die App funktioniert, dachte ich mir. Immerhin war es das erste Lebenszeichen seit der Installation. Ich dachte aber auch: Verdammt noch mal! Denn die Warnung trudelte kurz nach einer siebenstündigen Zugfahrt ein. Alle meine Kontakte in der Heimat waren nicht infiziert und gut getestet. Der naheliegende Schluss: Ein Mitreisender war infiziert – und ist in den vollen Zug gestiegen, obwohl er bereits positiv getestet war, obwohl sein Ergebnis bereits in der App vermerkt war. Ich blieb nicht die einzige im Freundeskreis, der es so erging. Vielen Dank an dieser Stelle an die Infizierten für so viel weihnachtliche Nächstenliebe!

Es ist eine persönliche Anekdote, natürlich. Mehr als das bleibt in Zeiten, in denen die Infektionszahlen wieder einmal nicht aussagekräftig sind, aber auch nicht. Und mir zeigte die Episode so klar wie nie zuvor: Corona ist vielen Mitbürgern inzwischen völlig egal. Und zwar nicht nur jenen, die ungeimpft und ohne Maske durchs Leben laufen. Sondern auch denen, die trotz aller Kritik die Corona-Warn-App nutzen, die sich testen lassen. Das war's dann jetzt wohl endgültig mit dem viel beschworenen "nationalen Kraftakt".

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Wie eine Nachricht aus einem Paralleluniversum voller engagierter Bürger klingt da die Ankündigung des neuen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach von der SPD: Neben der Verabschiedung neuer Quarantäne-Regeln wolle er beim Bund-Länder-Gipfel morgen darauf dringen, dass Kontaktbeschränkungen verschärft werden.

Zur Erinnerung, weil man das leicht vergessen kann, wenn man nicht im Paralleluniversum lebt: Seit dem 28. Oktober gelten wieder Kontaktbeschränkungen für Geimpfte wie Ungeimpfte in Deutschland. Die Länder haben – natürlich – unterschiedliche Regeln erlassen, die aber allesamt recht rigide sind. In Berlin dürfen sich im privaten Raum zum Beispiel nur noch zwei Haushalte miteinander treffen oder – sofern es nur Geimpfte oder Genesene sind – maximal zehn Personen. In Schleswig-Holstein gilt diese Obergrenze inzwischen auch in der Öffentlichkeit.

Haben Sie davon etwas gemerkt? Hat sich das Leben bei Ihnen entschleunigt, nehmen sich alle ihre Mitmenschen rücksichtsvoll zurück? Nein? Wer könnte es ihnen auch verdenken! Zwei Jahre Corona machen müde, genervt, resigniert. Um Menschen aus diesem Loch zu reißen, wäre endlich mal ein kommunikativer Kraftakt der Politik nötig und vor allem: Transparenz, Klarheit, Nachvollziehbarkeit. Doch ersteres ist offensichtlich auch vom ewigen Mahner Lauterbach nicht zu erwarten. Letzteres ist schlicht unmöglich. Weil Labore und Gesundheitsämter wie bereits im Jahr zuvor mitten in der kritischsten Phase der Pandemie Urlaub gemacht haben und die Infektionslage in Deutschland damit völlig unklar ist. "Unverständlich und beschämend" nennt diesen Zustand ein Experte für evidenzbasierte Medizin im Interview mit unserer Redaktion. Ich nenne es im zweiten Pandemiejahr: eine Frechheit.

Bund und Ländern fehlt zurzeit jede Basis für weitere Einschränkungen, sie haben selbst dafür gesorgt. Die Verschärfung der Kontaktbeschränkungen wäre in dieser Lage besonders absurd. Denn sie sind unkontrollierbar, noch sehr viel stärker als andere Maßnahmen in der Pandemie gründen sie auf Freiwilligkeit. Man kann aber nicht auf Hilfe von anderen setzen, wenn man selbst Foul spielt – außer man will sich auf Dauer lächerlich machen. Einem Gesetzgeber steht das nicht gut zu Gesicht.

Der Motto-Song für den morgigen Corona-Gipfel jedenfalls steht fest. Zum Neue-Deutsche-Welle-Hit "Völlig losgelöst" können sich Ministerpräsidenten und Gesundheitsminister in die Arme fallen:

"Experten streiten sich um ein paar Daten
Die Crew hat da noch ein paar Fragen
Doch – der Countdown läuft"


FDP-Treffen mit Tradition

Seit 1866 schon treffen sich am 6. Januar Liberale aus ganz Deutschland. In diesem Jahr lohnt der Blick in den Livestream aber besonders – schließlich ist die FDP nicht mehr Oppositions-, sondern Regierungskraft. Bundesfinanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner wird sprechen. Im vergangenen Jahr kritisierte er in Bezug auf die Corona-Lage noch ein "Politikversagen mit Ankündigung". Wenig hat sich seither verändert, Lindner wird aber mit Sicherheit andere Worte finden.


Jahrestag für zwei Amerikas

Vor einem Jahr stürmten Trump-Anhänger das US-Kapitol. Angeheizt wurde der Mob von Lügen des narzisstischen Immobilienmoguls, die in den "sozialen" sowie verantwortungslosen etablierten Medien weit verbreitet wurden. Fünf Menschen verloren ihr Leben, die tief gespaltenen USA hingegen erhielten ein Symbol für den verlorenen demokratischen Grundkonsens.

Und so begehen zwei Amerikas an diesem Donnerstag den Jahrestag: Für die einen ist es ein revolutionärer Feiertag, für die anderen sind es die dunkelsten Stunden, die ihr Land je erleben musste. US-Präsident Joe Biden wird eine Rede an die Nation halten, Ex-Präsident Trump hingegen hat seine Pressekonferenz kurzfristig wegen "totaler Voreingenommenheit und Unehrlichkeit" der – verantwortungsbewussten – Medien abgesagt. Welche Entwicklungen zur Spaltung und schließlich zum Sturm auf das Kapitol führten, zeichnet unser US-Korrespondent Bastian Brauns hier nach. Und wo sich die USA nun hinbewegen, hat der Historiker Volker Depkat meinem Kollegen David Schafbuch erklärt.


Was lesen?

In Deutschland versucht die Politik die Notlage mit neuen Quarantäneregeln zu vermeiden. Großbritannien dagegen kämpft in der Omikron-Welle bereits mit massiven Personalausfällen in den systemrelevanten Berufen. Warum Boris Johnson ein Gegensteuern derzeit dennoch ausschließt, erklärt unser Auslandsredakteur Patrick Diekmann in seiner Analyse.

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Deutschland steigt nicht nur aus der Kohleenergie aus, sondern auch aus der Atomkraft. Die einen halten das für Kamikaze, die anderen sehen dazu keine ernsthafte Alternative. Mein Kollege Sebastian Späth hat über das Manöver, das sich sonst kein anderer Industriestaat traut, unter anderem mit dem renommierten Physiker Harald Lesch gesprochen.


Es ist ein spektakulärer Anblick, den dieser amerikanische Soldat im Mai 1945 genoss. Nicht allzu lange vorher residierte allerdings der schlimmste Verbrecher der Weltgeschichte an diesem Ort. Mehr lesen Sie auf unserem Historischen Bild.


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Was amüsiert mich?

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Morgen begleitet Sie meine Kollegin Camilla Kohrs in den Morgen.

Herzliche Grüße,

Ihre

Annika Leister
Redakteurin Politik
Twitter: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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