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Klimapolitik von Merz: Warum er wie die Ampel scheitern wird


Deutschlands Klimapolitik
Gerade gebaut, schon mit dem Hintern eingerissen

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 22.07.2025 - 10:51 UhrLesedauer: 5 Min.
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), Finanzminster Lars Klingbeil (SPD), Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Katharina Dröge (Grüne) (v.l.): Interessiert Merz das Klima überhaupt?Vergrößern des Bildes
Alexander Dobrindt (CSU), Lars Klingbeil (SPD), Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Katharina Dröge (Grüne) (v. l.): Interessiert Merz das Klima überhaupt? (Quelle: Florian Gaertner/imago-images-bilder)
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Kann Friedrich Merz Klima? Ja, sagt er selbst. Aber seine Körpersprache signalisiert Desinteresse. Und die Klimapolitik der Union trägt so wenig wie die rot-grüne.

Die "New York Times" hat kürzlich zwei Bilder nebeneinander veröffentlicht: Beide zeigen weite flache Landschaften, die eine in den USA, in Kalifornien, die andere in der chinesischen Provinz Shanxi. Auf dem Foto aus Kalifornien sind Ölbohrtürme zu sehen, so weit das Auge reicht. Das chinesische Foto zeigt Solarkollektoren, so weit das Auge reicht. Unter Donald Trump, so die Botschaft, betreiben die Vereinigten Staaten die Energiepolitik des fossilen Zeitalters. China, der große politische und wirtschaftliche Rivale, geht konsequent den Weg in die neue Zeit.

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Ich habe mich gefragt, wie das Symbolbild der deutschen Energielandschaft aussehen würde. Wahrscheinlich wäre es ein Wimmelbild: ein paar Windräder in der Mitte, links ein abgehalfterter Atommeiler, rechts ein Gaskraftwerk im Bau, eine Pipeline endet im Nichts. Und überall Menschen, die demonstrieren: gegen die Windräder die einen, andere gegen Gaskraftwerke, ergraute Bärte schimpfen über Atomkraft. Alles unübersichtlich und umstritten.

Kurz bevor der Bundestag in die Sommerpause ging, stellte sich Friedrich Merz der ersten Generaldebatte als Kanzler. Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende der Grünen, machte daraus eine Generalabrechnung mit seiner Klimapolitik. Diese Politik sei ein unfassbarer Rückschritt, eine Bankrotterklärung, Merz wolle den Planeten brennen sehen. Die neue Regierung mache alles falsch: Sie fördere Gaskraftwerke, schraube Subventionen für die Erneuerbaren zurück, setze in der Verkehrspolitik falsche Zeichen, wolle das Heizungsgesetz wieder ändern. Eine Wutrede.

Als Habeck im Heizungskeller auftauchte, wurde er abgewählt

Was für ein Gegensatz! Hier die Leidenschaft der Grünen, ihr emotionaler Überschuss, weil es nie nur um eine Heizung oder um ein Auto geht, sondern immer auch um das große Ganze, die Rettung der Welt. Und dort die Union und ihr Kanzler, die andere Prioritäten haben: Migration begrenzen, Wachstum, Zölle. Klimaschutz? Ja, ja, haben wir auch im Programm, nur anders. Regt euch mal nicht so auf.

Das Problem an der grünen Klimapolitik ist, dass sie als große Idee funktioniert, aber in der Praxis scheitert. Die große Idee ist wie alle großen Ideen leicht zu verstehen: Ein neues Zeitalter der klimaneutralen Wirtschaft beginnt, Energie ist künftig erneuerbar, Kohle und Gas sind Vergangenheit. Um die Idee umzusetzen, wird in einem Gesetz festgeschrieben, bis wann die Umstellung abgeschlossen sein muss, nämlich 2045.

Dieses große grüne Gesetz setzt ein umfassendes politisches Mikromanagement in Gang. Dem Endziel werden Zwischenziele vorgeschaltet, für die Stromerzeugung, den Verkehr oder den Wohnungssektor gelten detaillierte Regeln. Gebote und Verbote, Strafzahlungen und Subventionen steuern den Umbau der Wirtschaft. So war es in den Ampel-Jahren. Grüne Politiker verstanden sich als tatkräftig, Bürgerinnen und Bürger empfanden sie als übergriffig. Als Robert Habeck in ihrem Heizungskeller auftauchte, wurde er abgewählt.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche.

Wer den Dreck macht, muss dafür bezahlen

Und die neue Regierung? Ist Friedrich Merz der Anti-Klima-Kanzler, den Katharina Dröge in ihm sieht? So einfach ist das nicht, denn auch die Konservativen haben eine große Idee: Weg mit den ganzen grünen Detailregulierungen, hin zur Marktwirtschaft. Statt vieler kleiner Maßnahmen brauchen sie im Grunde nur ein einziges politisches Instrument: die CO2-Bepreisung. Ein sperriges Wort, aber dahinter steht ein smarter Ansatz.

Wer den Dreck macht, muss dafür bezahlen, so die Logik. Wer also künftig noch Kohle und Gas verbrennen will, braucht CO2-Zertifikate, die verkauft der Staat beziehungsweise die EU. Von Jahr zu Jahr gibt es weniger Zertifikate, sie werden teurer. Also wird der Stromkonzern aus eigenem Interesse auf Wind und Sonne umsteigen, der Bürger auf eine Wärmepumpe, die Bürgerin auf ein E-Auto. Weil der Preis das Verhalten von Unternehmen und Konsumenten zuverlässiger steuert als jede politische Wunschvorstellung.

Theoretisch ist die Idee perfekt. Praktisch wird sie scheitern. Dieser Politik fehlt es zwar nicht an ökonomischer Logik, aber an sozialer Akzeptanz. Solange die CO2-Zertifikate an Kraftwerke und Industriebetriebe verschenkt oder zum Spottpreis verkauft werden, wie es zurzeit der Fall ist, merkt niemand etwas davon. Aber gegen Ende des Jahrzehnts wird Energie sprunghaft teurer, die Rechnung an der Tankstelle und die Abrechnung der Heizkosten werden dann Schockwellen auslösen. Das hält keine Regierung durch.

Es ist Hybris, per Gesetz festzulegen, wann die Wirtschaft fertig ist

2029 wird, wenn alles planmäßig läuft, ein neuer Bundestag gewählt. Merken Sie sich schon mal das heißeste Stichwort für den nächsten Wahlkampf: Energieinflation. Die Sozialdemokraten werden Hilfen für sozial Schwache fordern, die Linken werden sagen, das können alles die Konzerne bezahlen, die Grünen holen Habeck aus Dänemark zurück, die Union versteht die Welt nicht mehr. Die AfD sagt, wir müssen einfach nur billiges Gas in Russland kaufen und die Atomkraftwerke etwas entrosten und wieder hochfahren.

Das alles ist der Dimension der Aufgabe nicht angemessen. Seit zweihundert Jahren basiert unser Wirtschaftssystem auf der Verbrennung fossiler Rohstoffe. Ohne sie gäbe es keine Autos, keine Bahn, keine Sneaker, kein Smartphone. Also keinen Fortschritt und keinen Wohlstand. Die Industriegesellschaft komplett auf erneuerbare Energien umzustellen, erfordert einen historischen Strukturwandel. Es ist menschliche Hybris zu glauben, man könnte per Gesetz festlegen, wann die Wirtschaft damit fertig ist. Genauso gut könnte man gesetzlich vorschreiben, dass der Krebs bis 2045 besiegt ist.

Für die Grünen ist das 1,5-Grad-Ziel, das 198 Staaten im Pariser Klimaabkommen als gerade noch akzeptable Grenze der Erderwärmung verabredet haben, kein politisches Ziel, sondern ein biblisches Gebot. Jeder Verstoß dagegen wird mit dem Weltuntergang bestraft. Die Konservativen huldigen den Göttern des Marktes und der Technologie; diese beiden werden die Welt schon retten, wenn wir nur fest daran glauben.

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Wo ist der Bundespräsident, wenn man ihn mal braucht?

Aber Deutschland braucht keine Klima-Religion, weder die eine noch die andere. Sondern eine Klima-Strategie. Einen gesellschaftlichen Konsens, nicht in den Details, aber im Prinzip. Etwas Ähnliches wie den Generationenvertrag bei der Rente; der muss auch regelmäßig neu justiert werden, aber keine Partei stellt das System an sich infrage.

Vielleicht hätte eine schwarz-grüne Koalition diesen Konsens in den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren zustande bringen können. Leider gab es sie nie, die Union wollte nicht. Heute trennt ein tiefer Graben beide Lager, zwischen Merz und Dröge läuft rein gar nichts. So kommt das verwirrende Wimmelbild der deutschen Energielandschaft zustande.

Mich wundert, dass es nicht einmal mehr den Versuch gibt, aus dem klimapolitischen Nahkampf herauszukommen. Sonst werden für alles Kommissionen eingerichtet, für Corona, für die Sozialversicherungen, für Cannabis. Nur keine Klima-Kommission. Wir haben einen Bundessicherheitsrat, warum nicht auch einen Bundesklimarat? Merz lädt zum Investitionsgipfel, aber nicht zum Klimagipfel. Wo ist der Bundespräsident, wenn man ihn mal braucht als Brückenbauer über die gesellschaftlichen Gräben?

So wird das nichts

Es wird sicher keinen schwarz-rot-goldenen Masterplan geben, dem alle zustimmen. Schon gar nicht die AfD; die lebt in ihrer fossilen Welt, sie will so wenig da raus wie Donald Trump. Also lassen wir sie einfach rechts liegen. Aber die Mehrheit der Deutschen will das alte Zeitalter hinter sich lassen, die Wirtschaft will es ohnehin, das ist für sie eine Existenzfrage. In der Mitte ist nicht umstritten, ob es den Klimawandel gibt, sondern wie wir ihn angehen sollten. Hier könnte, hier müsste eine Art Gesellschaftsvertrag für das Klima möglich sein. Könnte, müsste. Konjunktiv.

China hat es natürlich leichter. Da wird über Solarenergie und E-Autos top-down entschieden, ohne Widerspruch. Das System ist effizient, aber nicht erstrebenswert. Die Demokratie tut sich schwerer, einen Konsens auszuhandeln, ihre Prozesse sind mühsam, sie dauern länger. Aber der Versuch ist es wert. Bisher reißt jede neue Regierung nur mit dem Hintern ein, was ihre Vorgänger mit den Händen aufgebaut haben. So wird das nichts.

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