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Kriminalität: "Alles voller Blut" - Prozess um Mord im Altenheim


"Alles voller Blut" - Prozess um Mord im Altenheim

Von dpa
Aktualisiert am 04.05.2021Lesedauer: 3 Min.
Eigentlich sollte ein Altenheim den Bewohnern Schutz geben.Vergrößern des BildesEigentlich sollte ein Altenheim den Bewohnern Schutz geben. (Quelle: Jens Büttner/dpa)
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München (dpa) - Der kleine, nur 1,60 Meter große Mann geht gebückt und stützt sich auf einen Rollator, als er den Gerichtssaal betritt. Ein Justizbeamter weist ihm behutsam den Weg zur Anklagebank.

Es ist kaum vorstellbar, was dieser gebrechlich wirkende, 88 Jahre alte, an Alzheimer erkrankte Mann getan haben soll: Er steht wegen Vergewaltigung und Mordes vor Gericht, weil er brutal über eine ebenfalls demenzkranke Mitbewohnerin in einem Altenheim im Landkreis Miesbach hergefallen sein soll.

Von einem "Schock" spricht der Altenpfleger, der den blutverschmierten Mann am 25. Juli 2020 im Zimmer der Frau entdeckte, an einem "denkwürdigen Tag", wie der Vorsitzende Richter sagt. "Alles war voller Blut", sagt der Pfleger als Zeuge vor Gericht. "Er war nackt, sie war nackt." Die 85 Jahre alte, bettlägerige Frau sei von Wunden übersät gewesen. "Es hat ausgesehen wie eine Bisswunde", sagt der Pfleger, der damals in dem Heim tätig war.

Mit einem Kollegen habe er die schwer verletzte Frau dann die Treppe runtertragen müssen, weil der Aufzug in dem Heim nicht funktionierte - angeblich, weil die Rechnungen für die Wartungsfirma nicht bezahlt worden seien. Der defekte Fahrstuhl sei auch der Grund gewesen, warum die 85-Jährige sich überhaupt zur Tatzeit am Nachmittag ihn ihrem Zimmer und nicht in einem Gemeinschaftsraum aufgehalten habe. "Sie ist wochenlang nicht mobilisiert worden", sagt der Pfleger, der die Zustände in dem Heim und beispielsweise eine fehlende Einarbeitung kritisiert. "Sonst wäre es zu dieser Situation nicht gekommen." Er hatte sich auf die Suche nach dem Alzheimer-Patienten gemacht, weil er ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen hatte.

Laut Staatsanwaltschaft soll der alte Mann die bettlägerige Seniorin so brutal vergewaltigt und so heftig verprügelt haben, dass sie anderthalb Wochen später im Krankenhaus an einer Lungenentzündung starb - ausgelöst durch eingeatmetes Blut. Der Mann soll ihr auch mehrere Rippen gebrochen haben. Als junger Mann soll der Deutsche ein guter Boxer gewesen sein und Meisterschaften gewonnen haben. Das sei möglicherweise eine Erklärung dafür, "wie es trotz seines Alters zu diesen Schäden kam", sagt ein Gutachter.

Der 88-Jährige gilt wegen seiner Erkrankung als schuldunfähig. Ihm droht im Falle einer Verurteilung keine Haftstrafe, aber die dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie.

Zu Prozessbeginn am Landgericht München II beruft er sich über seinen Verteidiger auf fehlende Erinnerung. "Er weiß nichts, er hat keine Erinnerungen an irgendwas", sagt der Anwalt. Der alte Mann wird daraufhin von der Pflicht entbunden, an der Hauptverhandlung gegen ihn teilzunehmen - auch aus Gründen der "Verfahrensökonomie", wie der Vorsitzende Richter sagt.

Der Altenpfleger sagt, nichts habe zuvor darauf hingewiesen, dass der Mann zu einer solchen Tat fähig sein konnte. "Total unauffällig" sei er gewesen und habe immer Rechnungen bezahlen wollen, weil er den Pflegern nichts schuldig bleiben wolle. "Ganz unauffällig und lieb."

Ein ganz ähnlicher Fall hatte das Landgericht München II erst Ende April beschäftigt. Für einen ebenfalls demenzkranken Mann, der in einem Spezialpflegeheim bei München mehrere Frauen missbraucht haben soll, wurde die dauerhafte Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung angeordnet. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann seine auch erkrankten Mitbewohnerinnen in dem auf Demenzerkrankungen spezialisierten Pflegeheim mehrfach missbraucht hat. Über Monate verging er sich demnach immer wieder an ihnen, eine der Frauen soll er viermal vergewaltigt haben.

Der Prozess hatte auch Patientenschützer auf den Plan gerufen. "Sexualität in Pflegeeinrichtungen ist noch immer ein Tabu-Thema. Übergriffe unter Pflegeheimbewohnern kommen häufiger vor als gedacht und geschehen selten unbemerkt", sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, und forderte "eine Kultur des Hinschauens" - vor allem weil Betroffene, sofern sie überhaupt noch in der Lage sind, sich zu äußern, aus Scham oft schweigen.

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