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Macher von Ibiza-Video ist frei – jetzt packt er aus


Er stürzte Österreichs Regierung
Macher von Ibiza-Video ist frei – jetzt packt er aus

Von t-online, law

Aktualisiert am 17.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Julian Hessenthaler: Mit dem Ibiza-Video um Heinz-Christian Strache löste er einen der größten Skandale der europäischen Nachkriegsgeschichte aus.Vergrößern des BildesJulian Hessenthaler: Mit dem Ibiza-Video um Heinz-Christian Strache löste er einen der größten Skandale der europäischen Nachkriegsgeschichte aus. (Quelle: Screenshot, Max Hammel/Correctiv, Montage: t-online)
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Er war der Macher des Ibiza-Videos, das Österreich erschütterte und eine Regierung stürzte. Jetzt ist Detektiv Julian Hessenthaler aus der Haft entlassen.

Der Mann, der mit einer Falle den österreichischen Vize-Kanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sein Amt gekostet hat, ist nach zweieinhalb Jahren Haft wieder frei – und spricht jetzt: Detektiv Julian Hessenthaler hat dem Portal "Correctiv" in einem 70-minütigen Interview die Umstände seines spektakulären Ibiza-Videos mit neuen Details geschildert und angekündigt, neuen Ungereimtheiten nachzugehen.

Die Aufnahmen zeigten den damaligen Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, und dessen engen Vertrauten Johann Gudenus mit einer vermeintlichen Oligarchennichte im Gespräch über mögliche Korruption. Hessenthaler hatte das Treffen arrangiert. Die beiden Männer und die Frau besprachen vor versteckten Kameras Wege der illegalen Parteienfinanzierung und die mögliche Vergabe von Staatsaufträgen im Austausch für Wahlkampfunterstützung.

Strache-Rücktritt am Tag nach Veröffentlichung

Als am 17. Mai 2019 "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" diese Szenen in Ausschnitten veröffentlichten, löste das ein politisches Erdbeben aus: Einen Tag später trat Strache vom Amt des Vize-Kanzlers zurück und die Koalition von ÖVP und FPÖ unter Kanzler Sebastian Kurz platzte, Neuwahlen folgten.

Der Video-Urheber Hessenthaler ist nun am 7. April wegen guter Führung vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden, wie "Correctiv" in seiner ausführlichen Recherche mit dem Videointerview berichtet. In den Wochen zuvor hatte er mit elektronischer Fußfessel das Gefängnis verlassen können. In den vergangenen Tagen war er in Berlin. Damit schließt sich ein Kreis: Nach seinem Untertauchen war er am 10. Dezember 2020 in Berlin festgenommen worden.

Nach der Auslieferung nach Österreich folgte dort im März 2022 die Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Haft. Nach ihm war europaweit wegen des Videos gefahndet worden, verurteilt wurde er aber hauptsächlich wegen ganz anderer Vorwürfe: Kokainhandel und Urkundenfälschung. Die heimlichen Aufnahmen waren in Spanien nicht illegal, Hinweise auf versuchte Erpressung von Strache bestätigten sich nicht.

Und doch stand immer die Frage im Raum, ob Hessenthaler nicht eigentlich wegen des Videos unter einem Vorwand der Prozess gemacht wurde, um an einem Whistleblower ein Exempel zu statuieren. Unter anderem Amnesty International hatte das Verfahren kritisiert.

Der Anwalt des Detektivs hat "Correctiv" zufolge inzwischen eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Darin heißt es: Es sei versucht worden, Hessenthaler "vor und nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos durch eine strafrechtliche Verfolgung von Drogendelikten 'mundtot' zu machen". Verantwortlich gemacht werden in den Unterlagen für den Gerichtshof "maßgebende Beamten des (österreichischen) Innen- und Justizministeriums sowie des Bundeskriminalamts".

Überwachung der Funkzelle bei Berliner Anwalt

Dem Portal zufolge zeigen interne Dokumente auch Ungereimtheiten im Verfahren zu Hessenthalers Verurteilung. So habe der Richter Aussagen einer Belastungszeugin im Urteil gegensätzlich zu ihren Schilderungen in der Vernehmung wiedergegeben. Die Belastungszeugen hatten im Prozess ohnehin sehr widersprüchliche Angaben über Drogengeschäfte mit Hessenthaler gemacht und sich gegenseitig der Lüge bezichtigt.

Aus Dokumenten des Gefängnisses geht dem Bericht zufolge auch hervor, dass die Staatsanwaltschaft die Post des Verteidigers für Hessenthaler in der JVA mitlas. Sie sollte "erst nach erfolgter Zensur an den Insassen" übergeben werden. Dem Bericht zufolge belegen Dokumente auch, dass in Berlin auf Antrag aus Österreich eine Funkzellenüberwachung der Kanzlei des deutschen Anwalts von Hessenthaler, Johnny Eisenberg, durchgeführt wurde. Bei Funkzellenabfragen erfragen Ermittlungsbehörden von Mobilfunkanbietern die Handy-Verbindungsdaten und durchsuchen sie.

Der Bericht bestätigt auch, wie der Auftrag zustande kam: Hessenthaler spricht von 30.000 Euro, die ihm ein Wiener Anwalt dafür gezahlt habe, dass er ein verfängliches Video liefert. Correctiv zufolge hat der Anwalt gesagt, dass er sich "nicht genau erinnern kann, ob es 30.000 oder 40.000 Euro waren".

Der Jurist vertrat einen früheren Personenschützer von Strache, der an Krebs erkrankt war. Der Sicherheitsmann habe dem Anwalt bereits belastendes Material geliefert, es sei darum gegangen, die Glaubwürdigkeit noch zu unterfüttern – mit heimlichen aufgezeichneten verfänglichen Gesprächen. Hessenthaler erinnert sich im Interview, er habe damals gesagt: "Wenn du das ernst meinst, musst du halt Geld hinlegen."

Zeit drängte für Ibiza-Video

Nachdem der Detektiv bei einem ersten Versuch in einem Wiener Hotel keine Speicherkarten in den Kameras gehabt habe, sei entschieden worden, sehr schnell einen neuen Versuch zu starten: Ibiza. Es habe die Gefahr bestanden, sonst aufzufliegen. Der Detektiv im Interview: "Unsere Legende ist nicht dicht genug, um dem standzuhalten." Binnen 48 Stunden hätten die Finca und Luxusautos gebucht und die Kameratechnik besorgt und installiert werden müssen.

Hessenthaler behauptet gegenüber "Correctiv", es sei nicht vordringlich um Geld gegangen: Eines der Motive fürs Video sei die Nähe der europäischen Rechte zu Russland gewesen. Er sei "der anhaltenden Überzeugung", dass es massive Bemühungen der russischen Nachrichtendienste gegeben habe, "in Europa Einfluss auf politische Entscheidungsträger zu nehmen".

Es gab allerdings Versuche des Anwalts, Hessenthalers Auftraggeber, das Video für Millionensummen an Medien zu verkaufen. Die seien nicht ernsthaft gewesen, erklärte der Anwalt. Er hatte 2019 erklärt, beim Video handele sich um ein "zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt, bei dem investigativjournalistische Wege beschritten wurden".

Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, wenn es nach Hessenthaler geht.

Verwendete Quellen
  • correctiv.org: "Einer muss zahlen". Der Bericht von Correctiv lag t-online in einer Kurzversion vorab vor.
  • Eigene Recherchen
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