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Berlin: Tödlicher Schuss durch Ex-Stasi-Mitarbeiter – Prozess startet


Prozess von historischer Bedeutung
Der tödliche Schuss in den Rücken fiel vor 50 Jahren

Von dpa
Aktualisiert am 14.03.2024Lesedauer: 3 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:240314-911-003482Vergrößern des BildesAngeklagt: Vor 50 Jahren soll dieser Mann am Bahnhof Friedrichstraße einen heimtückischen Mord begangen haben. (Quelle: Sebastian Gollnow)
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Ein Schuss tötete 1974 einen Mann am DDR-Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße – mitten am Tag. Es dauerte Jahrzehnte, bis Anklage erhoben werden konnte. Nun beginnt der Prozess.

Der tödliche Schuss an dem belebtesten Grenzübergang zwischen Ost und West, dem Bahnhof Friedrichstraße, liegt fast 50 Jahre zurück. Am 29. März 1974 soll der Ex-Stasi-Mitarbeiter den polnischen Familienvater erschossen haben. An diesem Donnerstag kommt der heute 80-Jährige in Berlin vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft hat den Leipziger wegen heimtückischen Mordes angeklagt. Der Mann schwieg beim Prozessauftakt am Donnerstagmorgen. Seine Verteidigerin erklärte, ihr Mandant bestreite den Tatvorwurf.

Es ist ein Prozess von historischer Bedeutung. Das Berliner Landgericht hat nach dem Mauerfall Geschichte geschrieben mit Prozessen zu den Toten an der innerdeutschen Grenze. Nun könnte das erneut der Fall sein. Der damalige Oberleutnant soll einer Operativgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) angehört haben – und den Polen auf Befehl erschossen haben.

Erst nach Jahrzehnten Anklage möglich

Erst 2023 sah die Berliner Staatsanwaltschaft eine Chance, den Fall vor Gericht zu bringen. Nach Angaben von Sprecher Sebastian Büchner sind die Ermittlungen über viele Jahre nicht vorangekommen. Erst 2016 habe es einen entscheidenden Hinweis zur Identität des Schützen aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv gegeben, erklärte er. Zunächst sei man jedoch von einem Totschlag ausgegangen. In diesem Fall wäre die Tat verjährt gewesen. Inzwischen sieht die Staatsanwaltschaft jedoch das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt.

Dieser Argumentation ist das Gericht bislang gefolgt und ließ die Anklage ohne Einschränkungen zu. "Das ist der erste Fall, in dem ein ehemaliger Mitarbeiter der DDR-Staatsorgane aufgrund einer Gewalthandlung an der Grenze wegen Mordes angeklagt wird", sagte Historiker Gerhard Sälter, Leiter der Abteilung Forschung und Dokumentation in der Stiftung Berliner Mauer.

Rund 20 Jahre nach dem vorerst letzten Prozess wegen Schüssen an der einstigen DDR-Grenze befasst sich damit das Berliner Landgericht erneut mit den Vorgängen. Bis zum Jahr 2004 wurden 130 Personen rechtskräftig verurteilt – vom einfachen Mauerschützen bis zu hochrangigen Vertretern aus Politik und Militär.

Prozess wird wegen seiner Bedeutung aufgezeichnet

Wegen der "herausragenden zeitgeschichtlichen Bedeutung" für die Bundesrepublik Deutschland wird das neue Verfahren aufgezeichnet, wie Gerichtssprecherin Lisa Jani sagte. "Die Tonaufnahmen werden laut Gesetz ausschließlich dem Landesarchiv zur Verfügung gestellt." Möglich sind solche Aufzeichnungen seit 2018.

Laut Anklage soll der Ex-Stasi-Mitarbeiter an jenem 29. März 1974 das 38 Jahre alte Opfer "mit einem gezielten Schuss in den Rücken aus einem Versteck heraus" getötet haben. Der Sachse soll mit der "Unschädlichmachung" des Polen beauftragt worden sein. Zuvor soll dieser in der polnischen Botschaft versucht haben, seine Ausreise nach West-Berlin zu erzwingen.

Die Stasi soll dann zum Schein entschieden haben, dem 38-Jährigen die Ausreise zu genehmigen. Dafür soll er auch die entsprechenden Ausreisedokumente bekommen haben und Ministeriumsmitarbeiter begleiteten ihn zum damaligen Sektorenübergang am Bahnhof Friedrichstraße. Als er dort am frühen Nachmittag des Märztages den letzten Kontrollpunkt passiert hatte, fiel der Schuss.

Auf der Webseite "Chronik der Mauer" wird der Fall des Polen Czesław Kukuczka ausführlich beschrieben. Zusammengetragen wurden die Daten in einem gemeinsamen Projekt des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, der Bundeszentrale für politische Bildung, des Deutschlandradios und der Stiftung Berliner Mauer. Historiker in Deutschland und Polen recherchierten dazu.

Tochter und Sohn sind Nebenkläger im Verfahren

Die Familie des Getöteten ist sich sicher, dass der frühere Oberleutnant im Auftrag der Stasi gehandelt hat. Kinder des Mannes – ein Sohn und eine Tochter – treten im Verfahren als Nebenkläger auf. Seine Mandantin werde aber nicht zum Prozess kommen, sagte der Anwalt der Tochter, Hans-Jürgen Förster, der Deutschen Presse-Agentur. Dass der Fall nun nach 50 Jahren doch noch vor Gericht kommt, zeigt für Förster vor allem eines: "Es ist nicht abstrakt, dass Mord nicht verjährt. Wie lange ein Mord auch zurückliegt – die Täter haben ihre Verfolgung immer zu besorgen."

Im vorliegenden Fall sei evident, dass der Tat "eine geheimdienstliche Operation des MfS zugrunde gelegen hat und der Angeklagte das letzte Glied in einer Befehlskette war", so der Lübecker Jurist. Er hat nach eigenen Angaben bei der Staatsanwaltschaft beantragt, die Ermittlungen auf weitere frühere Stasi-Mitarbeiter auszuweiten, die damals im Zusammenhang mit der Tötung ausgezeichnet wurden. Als Hintergrund nennt er einen Befehl, den der damalige Stasi-Chef Erich Mielke unterschrieben habe. Zudem habe er bei Gericht beantragt, die betreffenden Personen als Zeugen im Prozess zu hören, schilderte Förster.

Bislang hat das Gericht bis zum 23. Mai insgesamt sieben Verhandlungstage geplant. Zum Prozessauftakt ist nach den Angaben unter anderem ein Kriminalhauptkommissar geladen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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