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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Am Flughafen gestoppt Rechtsextremisten dürfen nicht nach Italien

Sie wollten zu einem Treffen von Rechtsextremen aus ganz Europa in Mailand: Am Flughafen München war aber Endstation für acht Anhänger der Identitären Bewegung.
Karger Raum am Flughafen statt Bella Vita und rassistisches Hetzen in Mailand: Acht Funktionäre und Anhänger der Identitären Bewegung durften am Donnerstagabend in München nicht nach Italien ausreisen. Sie wurden von der Bundespolizei befragt und durften nach Stunden gehen. Nach Italien, Österreich oder in die Schweiz dürfen sie nicht reisen. Begründet wird das offenbar damit, dass sie Deutschlands Ansehen im Ausland schaden könnten.
Am Freitagnachmittag bestätigte das Verwaltungsgericht München die Entscheidung: Die Gruppe aus sechs Männern und zwei Frauen darf nicht zu einem Gipfeltreffen von Rechtsextremen in Mailand reisen, das ganz im Zeichen von "Remigration" stehen soll. Der Begriff meint ursprünglich in der Wissenschaft die Rückkehr von Menschen in ihre alte Heimat. Er ist aber von der rechtsextremen Szene aufgeladen worden zu einem Programm für die massenhafte Vertreibung von Menschen, die keine europäischen Wurzeln haben. Auch AfD-Politiker sprechen von "millionenfacher Remigration".
Verwaltungsgericht bestätigt Ausreisesperre
Die Identitären und ihr Umfeld träumen von einem "weißen" Europa. Eines der Mitglieder fotografierte sich noch am Flughafen mit dem rassistischen "White Power"-Zeichen. Er und weitere aus der Reisegruppe berichteten auf X von der Maßnahme am Flughafen und ihrer Entlassung am späten Abend und in der Nacht. Sie veröffentlichten auch Protokolle, die wiedergeben, was bei ihnen festgestellt wurde: Shirts der Identitären Bewegung Bayern, Pullover mit einem Flugzeug, offenbar mit dem Motiv eines "Abschiebefliegers", Höcke-Mützen und AfD-Kugelschreiber.
Das Verwaltungsgericht München machte am Freitag ihre Hoffnungen zunichte, doch noch zu dem Stelldichein der europäischen Rechtsextremisten zu fliegen. Eilantrag abgelehnt, bis Samstagabend bleibt die Ausreise untersagt: Deutschlands Ansehen könnte leiden, wenn nicht versucht werde, "den Neonazismus, insbesondere grenzüberschreitend, zu unterbinden". Die Begründung veröffentlichte der Freiburger Jurist Dubravko Mandic, der regelmäßig Identitäre vertritt und früherer AfD-Funktionär ist.
Mandic war auch Anwalt des Österreichers Martin Sellner, Identifikationsfigur der Identitären, als Sellner ein Einreiseverbot nach Deutschland erhielt. Sellner ist einer der Hauptredner bei dem Treffen in Mailand, daneben wird dort etwa auch die niederländische Aktivistin Eva Vladingerbroek sprechen, die für das rechtspopulistische Portal "Nius" von Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt tätig war.
Der Anwalt der Identitären erklärte in einer Mitteilung, die Ausreiseuntersagungen seien "offensichtlich rechtswidrig". Nach seinen Angaben hat das Gericht eingeräumt, dass die Veranstaltung in Mailand mutmaßlich in geschlossenen Räumen stattfinde – ein Indiz, das gegen eine Gefahr für das Ansehen Deutschlands spricht. Das Gericht hielt aber auch fest: Eine darüber hinausgehende Öffentlichkeitswirksamkeit könnte sich virtuell ergeben.
Ausreiseverbot kein neues Instrument
Tatsächlich: Die Veranstalter planen, das Treffen zu filmen, Videos sollen ins Netz gestellt werden. Deshalb könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Ausreiseverbot für den Zweck geeignet ist, das Ansehen Deutschlands zu schützen. In einem Hauptsacheverfahren soll darüber befunden werden. Es kann sein, dass die Maßnahme nachträglich für rechtswidrig erklärt wird.
Ausreiseunter- und Passversagungen auf Basis des Passgesetzes sind ein Mittel, von dem die Behörden bei Rechtsextremisten regelmäßig Gebrauch machen, das jedoch vielfach juristischer Überprüfung nicht standhält. Zahlen gibt es aus dem Juli 2022. Auf eine Frage der damaligen Linken-Abgeordneten Martina Renner antwortete das Innenministerium, seit November 2019 seien 55 Ausreiseuntersagungen gegen 49 Personen des rechten Spektrums angeordnet worden. In der Regel ging es um die geplante Teilnahme an rechtsextremistischen Gedenk-, Musik- oder Kampfsportveranstaltungen im Ausland.
Im Mai 2023 setzten sich zahlreiche Neonazis an Verwaltungsgerichten mit Eilanträgen gegen Ausreiseuntersagungen durch. Sie durften damit doch zur rechtsextremen Kampfsportveranstaltung "European Fight Night" in Budapest fliegen. Die Behörden hatten nicht ausreichend belegt, wie die Teilnahme konkret das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gefährdete. Folge war ein Antrag der Ampel-Regierung zur Änderung des Passgesetzes, der im Oktober 2023 den Bundestag passierte.
- bundestag.de: Beantwortung schriftliche Frage Martina Renner
- lto.de: Behörden können Neonazis nicht an Ausreise hindern
- twitter.com: Mitteilung Dubravko Mandic