Dunkler Verdacht Studentin löst Rätsel um vermeintliches NS-Raubgut
Ein Papierkorb, zwei Stühle und ein dunkler Verdacht: Eine junge Forscherin geht auf Spurensuche im Bremer Finanzressort – und stößt auf den entscheidenden Beweis.
Eine Wissenschaftlerin hat das Rätsel um vermeintliches NS-Raubgut im Bremer Finanzressort gelöst. Die Geschichte eines Papierkorbs und zweier Polsterstühle sei harmlos, versichert Jana Schäfer, die für ihre Masterarbeit die Herkunft der Stücke erforscht hat. "Es handelt sich um Mobiliar eines ehemaligen norddeutschen Dampfers."
Das Finanzressort hatte die Stücke vor einigen Jahren gemeinsam mit zwei Schränken in den Keller verbannt. Die Behörde ging davon aus, dass die Möbel aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen – von Deportierten und von Menschen, die vor dem Regime über die See geflüchtet sind.
Das war nach Angaben von Historikern ein übliches Prozedere, gerade in Hafenstädten wie Hamburg und Bremen: Die Machthaber rissen sich damals das Hab und Gut der Verfolgten unter den Nagel, behielten besondere Schmuckstücke für sich und versteigerten den Rest zu Spottpreisen.
Studentin stieß auf Widersprüche
Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit untersuchte die damalige Studentin die aussortierten Möbel im Keller des Finanzressorts genauer und stieß auf Widersprüche. "Diese Stühle haben auf ihrer Unterseite so eine Befestigungsvorrichtung, die typisch ist für Schiffsmöbel. Sie werden damit im Boden verankert, sodass sie bei starkem Seegang nicht umfallen", sagte Schäfer.
Dann entdeckte Schäfer Fotos von fast identischen Stühlen auf dem Dampfer "Bremen IV", der damals zwischen Europa und New York im Einsatz war. Auch der Papierkorb hatte eine Marke von einer Werkstatt, die für die Ausstattung von Schiffen bekannt ist. "Es gab so verschiedene Hinweise", sagte die Wissenschaftlerin, die inzwischen für das Deutsche Schifffahrtsmuseum arbeitet. Doch eindeutige Beweise findet sie nicht.
Dokument beweist Herkunft der Möbel
Einige Monate später blätterte Susanne Kiel, die ebenfalls zu jüdischen Umzugsgütern am Deutschen Schifffahrtsmuseum forscht, durch Akten im Bremer Staatsarchiv und fand dabei zufällig das entscheidende Dokument. "In der Akte ist so eine Inventarliste, mit der sich dann auch besagte Stühle und der Papierkorb genau identifizieren lassen", berichtete Schäfer.
Demnach stammen die Möbel tatsächlich von dem Schiff, wurden abmontiert und in den Wirren des Krieges in einer Spedition in Sachsen zwischengelagert. Schließlich wurden die Stücke ganz legal nach Bremen gebracht. Einige Möbel blieben im Gebäude des heutigen Finanzressorts, wo damals der sogenannte Reichsstatthalter in Oldenburg und Bremen seinen Amtssitz hatte. Andere Stücke wurden an Bedürftige ausgegeben, die ihr Inventar bei Bombenangriffen verloren hatten.
Das Rätsel um die Herkunft der Stühle und des Papierkorbs aus Rattan ist damit gelöst. Ob der Papierkorb wieder aus dem Keller in das Büro des Finanzsenators umzieht, ist noch unklar. Die Behörde prüfe derzeit verschiedene Optionen, sagte ein Sprecher des Finanzressorts. Denkbar sei auch die Ausstellung in einem Museum.
Forscherin vermutet weiteres NS-Raubgut
Wie der Wohnzimmerschrank und der Vitrinenschrank damals zur Behörde kamen, ist weiterhin unklar. Schäfer hält es für denkbar, dass es sich zumindest hierbei um NS-Raubgut handelt. "Der Verdacht besteht weiter", sagte die 32-Jährige. Vermutlich lassen sich im Finanzressort noch andere Möbel finden, die die Nationalsozialisten einst illegal an sich genommen hatten.
"Das ist ja ein riesiges Gebäude mit unzähligen Büros und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich dort auch noch weitere Stücke befinden", sagte die Forscherin. "Die Bestände wurden bislang nicht systematisch auf ihre Herkunft geprüft."
- Nachrichtenagententur dpa