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Anke Domscheit-Berg schildert sexuelle Übergriffe – und deren Abwehr


"Klinge an den Hals gehalten"
Politikerin schildert sexuelle Übergriffe – und deren Abwehr

  • Lars Wienand
Lars Wienand

Aktualisiert am 13.02.2018Lesedauer: 4 Min.
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Wehrte sich in der Vorwendezeit mit Messer, Fäusten und Füßen: Anke Domscheit-Berg berichtet, wie sie Angreifer in die Flucht geschlagen hat.Vergrößern des Bildes
Wehrte sich in der Vorwendezeit mit Messer, Fäusten und Füßen: Anke Domscheit-Berg berichtet, wie sie Angreifer in die Flucht geschlagen hat. (Quelle: privat/Imago)

Sie hielt einem Sexualstraftäter ein Messer an den Hals und trat einem anderen ins Gesicht: Die Linken-Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg will mit Schilderungen davon auch

Anke Domscheit-Berg, Netzaktivistin und Bundestagsabgeordnete der Linken, hat am Dienstag öffentlich gemacht, wie sie vor Jahren zwei sexuelle Übergriffe abwehrte. t-online.de hat sie erklärt, was Frauen und Männer aus #Ibeatmyassaulter – auf deutsch: ich haben meinen Angreifer geschlagen – lernen sollen.

Wie ihre erste erfolgreiche Abwehr verlief: Anke Domscheit-Berg (49) war als 18-Jährige mit einer Freundin per Anhalter unterwegs, als ein Autofahrer plötzlich seine Hose öffnete, rüber zu ihr auf dem Beifahrersitz griff, ihre Hand packte und an sein Glied führte. Was der Mann nicht wusste: In der anderen Hand hielt sie unter einer Landkarte verborgen ein Taschenmesser mit offener Klinge. "Eine Nanosekunde später habe ich ihm die Klinge an den Hals gehalten und STOP geschrien." Der Fahrer hielt an, sie liefen weg.

Wie sie die zweite erfolgreiche Abwehr erlebte: Als Studentin wenige Jahre später hatte sie ein Horrorerlebnis, das sie bis heute vom Schlafen im Erdgeschoss abhält. Nachts im Studentenheim drang ein Mann in ihr Zimmer ein und sprang auf ihr Bett, hatte ein Würgetuch dabei. "Ich habe Schreie ausgestoßen, die ich mir vorher nicht vorstellen konnte. Und ich habe ihm ins Gesicht und in die Brust getreten, bis er sich aus dem Staub machte." Was sie danach noch schockiert habe: "Die Polizei sagte damals, außer Hausfriedensbruch sei strafrechtlich nichts passiert."

Woher der Hashtag kommt: #Ibeatmyassault wurde nicht von Anke Domscheit-Berg zuerst genutzt, sie folgt dem Beispiel der ägyptischstämmigen Journalistin Mona Eltahawy. Die 50-Jährige hatte in einem Klub einen Mann, der ihren Po umfasst hatte, zu Boden geschlagen und mit Schlägen traktiert. Die Vorgeschichte: Die feministische Muslimin mit knallrot gefärbten Haaren hatte an den zwei Tagen zuvor unter #MosqueMeToo geschildert, wie andere Pilger sie während mehreren Pilgerfahrten begrapscht hatten und war geladen.

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Sie berichtete, die ganze Zeit "Du fasst keine Frau mehr an" geschrien zu haben, zehnmal zugeschlagen zu haben und sich trotz schmerzender Hände dabei sehr gut gefühlt zu haben. Sie retweetete danach mit dem Hashtag Schilderungen anderer Frauen – und ein Foto ihrer Hand in einem Eisbad.

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Was Domscheit-Berg vermitteln will: Es gibt nicht das eine Signal, darin stecken mehrere Botschaften gleichzeitig, sagt sie. Übergriffigen Männern soll vor Augen geführt werden, dass es schmerzhaft für sie werden kann. Sie sollen auch sehen, dass es Frauen wie Mona Eltahawy gibt, bei denen viele Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht haben und die Aggression in sich angestaut haben.

"Ich plädiere natürlich nicht für Selbstjustiz oder Rache, aber in solchen Fällen muss die Vorgeschichte berücksichtigt werden." Bei Frauen soll das Bewusstsein wachsen, dass es legitim ist, sich zu wehren und sie sollen ermutigt werden, die innere Hemmschwelle zu überwinden. "Das kann man in Kursen lernen, und das ist auch eine Frage von Erziehung."

Was ihre Botschaft an Eltern ist: "Mädchen werden oft immer noch so erzogen, sich zurückzuziehen, zu versuchen, zu deeskalieren." Konfrontation und Gegenhalten werde Mädchen nicht anerzogen. Kampfsport-Trainer bestätigen das: Frauen haben oft verinnerlicht, eher stillzuhalten und nichts zu tun.

Bei ihr war das anders: "Wenn ich mit Blut in der Nase zurückgekommen bin, war meine Mama stolz, weil ich mir nicht alles habe gefallen lassen." Sie war dann nicht kein "richtiges Mädchen" mehr, sondern das mutige Mädchen. Sie sagt: "Eltern sollten vermitteln: Es gibt Grenzen, und wenn die überschritten werden, ist es völlig okay, sich auch physisch zu wehren."

Wieso sie im Schlagen nicht das Allheilmittel sieht: Experten warnen Frauen nicht mehr wie noch vor einigen Jahren davor, sich zu wehren. Trainer in Selbstverteidigungskursen sprechen davon, dass massiver Widerstand in 90 Prozent der Fälle Angreifer stoppe. Aber Frauen sind oftmals so in Schockstarre oder verängstigt, dass sie nicht handeln können, wie auch eine Studie zeigte. Diese Frauen verdienten auch alle Verständnis und volle Unterstützung. "Sich wehren zu müssen, wäre die falsche Forderung." Wenn es um Personen aus dem eigenen Umfeld geht, sei es auch ungleich schwerer, sich physisch zu wehren. Und das eigentliche Problem sei ja, dass Frauen überhaupt in solche Situationen gebracht werden, dass der Kulturwandel noch ein weiter Weg sei und die Übergänge von der Belästigung zum Übergriff fließend seien. "Deshalb sehe ich das #Ibeatmyassaulter auch als weitere Schattierung der #MeToo-Debatte."

Was sie gelernt hat: Die beiden Männer erfolgreich abgewehrt zu haben und zu wissen, sich in einer solchen Situation wehren zu können, habe ihr viel Stärke gegeben. "Und etwas vorbereitet zu sein, schadet nicht." Beim Trampen damals hatte sie das Messer parat, wenn sie sich heute unsicher fühlt, hat sie nach ihren Worten oft einen Schlüssel als Abwehrmittel zwischen den Fingern.

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