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Oktoberfest-Grapscher: Sat.1-Beitrag sorgt für Empörung


Flirten "für Männer sehr gefährlich"
Sat.1-Beitrag über Grapschen auf der Wiesn sorgt für Empörung


Aktualisiert am 27.09.2018Lesedauer: 4 Min.
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Oktoberfest 2018 in München: Das größte Volksfest der Welt ist seit Samstag geöffnet.Vergrößern des Bildes
Oktoberfest 2018 in München: Das größte Volksfest der Welt ist seit Samstag geöffnet. (Quelle: STL/imago-images-bilder)

Auf der Wiesn wird nicht nur gefeiert, sondern nicht selten auch gegrapscht. Das Sat.1-Frühstücksfernsehen leistet sich mit einem Beitrag zum Thema einen Fehltritt – und muss viel Kritik einstecken.

Die Wiesn in München: das heißt Feiern, Trinken, gute Laune. Manchmal aber leider auch: Rumgegrapsche und sexuelle Übergriffe. Dem wollte das Sat.1-Frühstücksfernsehen mal auf den Grund gehen. Und monierte statt Belästigungen auf dem Oktoberfest ein viel zu scharfes Sexualstrafrecht, dass Männern wie Frauen gleichermaßen den Spaß an der Wiesn raubt. Die Empörung im Netz ließ nicht lange auf sich warten.

Aber der Reihe nach. Oktoberfest-Zeit, das ist auch Flirt-Zeit, erklärt Moderator Chris Wackert dem interessierten Publikum zu Beginn des Beitrags – und benennt zugleich ein großes Problem. Denn in Zeiten von MeToo und der Verschärfung des Sexualstraftrechts könne das "für Frauen und natürlich auch für Männer sehr gefährlich" werden. Das Flirten, versteht sich.

Zur Einordnung dieses heiklen Themas hat sich der Sender Rechtsanwalt Alexander Stevens ins Studio eingeladen, seines Zeichens Fachanwalt für Sexualstrafrecht. Und der nimmt sich gleich eines besonders "krassen Falls" an. Nach dem letzten Oktoberfest war ein Mann zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, von denen er vier Monate in U-Haft saß. Er hatte einer Frau zwischen die Beine gefasst, "oberhalb der Bekleidung" wie Stevens betont. Und der Anwalt fragt, ob das noch verhältnismäßig sei, wenn man sich andere, mildere Urteile wegen Körperverletzung anschaue.

Zu dem Grapscher-Fall sollte man wissen, dass der Mann nicht eine, sondern zwei Frauen belästigt hatte. Und das Oberhalb-der Bekleidung-zwischen-die-Beine-Fassen war ein unerwarteter, fester, für die Frauen deutlich und schmerzhaft zu spürender Griff von hinten in den Schambereich, wie das Amtsgericht in München festhielt. Es wertete die Übergriffigkeit des Mannes als besonders schweren Fall von sexueller Belästigung und verurteilte ihn außerdem wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Das erste Opfer klagt seit der Tat über psychische Probleme.

Junge Touristin aus Finnland vergewaltigt

Sexuelle Übergriffe kommen leider immer wieder auf der Wiesn vor. Am Dienstag berichtete die Münchner Polizei von einem 27-jährigen Touristen, der erst einer 20-Jährigen an die Brust griff, dann einer anderen 20-Jährigen beim Grapschen das Dirndl zerriss. Ein anderer Mann griff unter den Rock einer Besucherin.

Besonders schlimm ist der Fall einer Touristin aus Finnland (21), die in einem Gebüsch vergewaltigt wurde. Im Verdacht steht ein 25-jähriger Münchner. Ein Security-Mitarbeiter fasste den Mann am späten Samstagabend, als dieser aus einem Gebüsch kam und sich gerade die Lederhose zuknöpfte.

"In erster Linie für die Männer schlimm"

Vor der Ausweitung des Sexualstrafrechts im November 2016 wurde das "Grapschen" meist als "Beleidigung auf sexueller Grundlage" gewertet. Seither gilt es als sexuelle Belästigung, was deutlich schärfere Strafen nach sich ziehen kann – in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Moderator Wackert meint nun, dass die Gesetzesverschärfung "in erster Linie für die Männer schlimm" sei. Aber gleichzeitig "ja auch für die Frauen". Denn: Die Männer würden sich ja jetzt gar nicht mehr trauen, "vernünftig" zu flirten.

Dem kann Rechtsanwalt Stevens nur zustimmen. "Im Eifer des Gefechts" würden viele Flirts eben schon mal "fehlinterpretiert". Zwar sei richtig, dass der Gesetzgeber die sexuelle Belästigung nun ahndet. Aber eigentlich gehe es hier "nur" um "sexuelle Berührungen oberhalb der Bekleidung", was "schon so ein bisschen Moralstrafrecht" sei, findet Stevens und empört sich, dass "dafür bis zu 5 Jahre Knast" drohten.

Spätestens jetzt fragt man sich, was der Sender mit dem Label "Wenn die Angst mitfeiert", das oben links auf dem Bildschirm prangt, eigentlich meint: Die Angst der Frauen vor übergriffigen Männern? Oder eher die der Männer vor empfindlichen Strafen, wenn man mal wieder "die Hände nicht bei sich behalten“ konnte, wie Stevens es nennt?

Männer als Opfer falscher Anschuldigungen

In einem Einspieler lässt Sat.1 auch Frauen auf dem Oktoberfest zu Wort kommen. Sie berichten, dass es vor allem zu späterer Stunde und bei steigendem Alkoholpegel zu unschönen und unangenehmen Situationen komme. Moderator Wackert will von Stevens anschließend aber nicht etwa wissen, was er betroffenen Frauen in solchen Fällen rät. Ihn interessiert vielmehr, was "Mann" machen kann, wenn er Opfer falscher Anschuldigungen wird.

Stevens meint daraufhin, durch die „aufgeheizte“ Sexismus-Debatte sei ein "Opferverständnis" entstanden, leider auch bei den Richtern, die "undifferenziert" alles glaubten, was ihnen gesagt würde, der Prämisse folgend "warum sollte sich denn ein Opfer als Opfer gerieren?". Dort werde oft verkannt, dass im Sexualstrafrecht das Opfersein ein fließender Begriff sei.

"Das ist keine Satire"

In den sozialen Medien löste der Beitrag Unverständnis bis Empörung aus.

Die Vice-Reporterin Lisa Ludwig fühlte sich von Sat.1 verarscht.

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Die Amadeu-Antonio-Stiftung warf Sat.1 vor, sexuelle Übergriffe zu verharmlosen.

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Die Journalistin Pascala Müller kritisierte, dass Rechtsanwalt Stevens Belege für seine Behauptungen schuldig bleibe.

Userin KatrinSt84 hob hervor, Grapschen nicht mit Flirten zu verwechseln.

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ZDF-Redakteurin Hanna Zimmermann glaubte ihren Augen und Ohren nicht.

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Und MDR-Moderator Axel Bulthaupt lästerte: "Hee, das ist Sat1"

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Sat.1 reagierte auf die Kritik und räumte auf Nachfrage von Buzzfeed-News ein, das Thema ungeschickt angegangen zu haben. "Es war redaktionell durchaus unglücklich, dass bei diesem Talk keine Frau zu Wort kam bzw. den Talk geführt hat. Normalerweise ist das Standard beim "SAT.1-Frühstücksfernsehen", Talks gemischt-geschlechtlich zu führen, in Zukunft wird dies auch so gehandhabt werden", erklärte der Sender.

Moderator Chris Wackert schrieb, die Kritik sei angekommen. Er entschuldige sich dafür.

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