Gigantischer Betrug â Staatsanwaltschaft erhebt Anklagen
Zwei Briten haben den deutschen Staat nach Ansicht der Ermittler um Hunderte Millionen Euro gebracht. Dazu bedienten sich die AktienhÀndler wohl sogenannter "Cum Ex"-GeschÀfte.
Die Staatsanwaltschaft Köln hat zwei ehemalige AktienhĂ€ndler wegen sogenannten "Cum Ex"-Tricksereien bei AktiengeschĂ€ften angeklagt. Die beiden Briten sollen einen Steuerschaden von mehr als 440 Millionen Euro verursacht haben, wie das Landgericht Bonn an diesem Montag mitteilte. Deutschland steht damit ein Musterprozess wegen der umstrittenen Cum-Ex-GeschĂ€fte ins Haus. Das Landgericht Bonn muss aber noch ĂŒber die Zulassung der Anklage entscheiden.
MutmaĂlicher Betrug mit Kapitalertragsteuer
Bei den "Cum Ex"-GeschĂ€ften lieĂen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mithilfe ihrer Bank mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Dividendenstichtag herum untereinander Aktien mit (lateinisch: "Cum") und ohne ("Ex") Dividendenanspruch. Banken und andere VerdĂ€chtige haben die FinanzĂ€mter um Milliarden erleichtert.
Die beiden in Bonn angeklagten ehemaligen AktienhĂ€ndler sollen zusammen mit weiteren Personen von Mitte 2006 bis FrĂŒhjahr 2011 Cum-Ex-GeschĂ€fte getĂ€tigt haben. Die Staatsanwaltschaft gehe von einer Beteiligung an 34 FĂ€llen der besonders schweren Steuerhinterziehung aus, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben sein soll, erklĂ€rte das Landgericht Bonn. Die Behörden Ă€uĂerten sich damit erstmals konkret zu den VorwĂŒrfen gegen die beiden Briten, nachdem die Anklageerhebung bereits Anfang April bekannt geworden war.
Immer wieder Razzien
Der 41-JĂ€hrige und der 38-JĂ€hrige haben umfassend ausgesagt und hoffen auf Milde. Nach dem Gesetz kann Steuerhinterziehung in besonders schweren FĂ€llen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.
Steuerexperten hatten Cum-Ex-GeschĂ€fte lange als legalen Steuertrick erachtet. Seit einigen Jahren bewerten Ermittler und Strafverfolger das Vorgehen aber fast einhellig als Steuerhinterziehung und treiben ihre Ermittlungen voran. Immer wieder sorgen "Cum Ex"-Razzien fĂŒr Aufsehen. Erst vergangenen Donnerstag hatten Ermittler auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt drei Wohnungen und GeschĂ€ftsrĂ€ume wegen vermuteter Cum-Ex-GeschĂ€fte durchsucht, wie die Behörde am Montag mitteilte.
Die acht Beschuldigten im Alter von 42 bis 60 Jahren sollen einen Steuerschaden von zusammen 13,57 Millionen Euro verursacht haben â ein im Vergleich recht kleiner Fall. Allein die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt in zehn Verfahrenskomplexen, bei denen sie einen Steuerschaden von mehr als 810 Millionen Euro vermutet.
Noch keine Entscheidung ĂŒber weitere Anklagen
Bislang gab es in Deutschland jedoch noch keinen Strafprozess wegen "Cum Ex"-GeschĂ€ften. Zwar hatte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bereits 2017 Anklage gegen den Rechtsanwalt Hanno Berger und fĂŒnf ehemalige HĂ€ndler der HypoVereinsbank (HVB) wegen schwerer Steuerhinterziehung erhoben, die dem Fiskus einen Schaden von mehr als 100 Millionen Euro zugefĂŒgt haben sollen.
Das Landgericht Wiesbaden hat aber immer noch nicht entschieden, ob es die Anklage zulĂ€sst. Berger, der als einer der SchlĂŒsselfiguren im "Cum Ex"-Skandal gilt, hat die VorwĂŒrfe wiederholt bestritten.
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Nun könnte die Staatsanwaltschaft Köln mit ihrer Anklage die Frankfurter Kollegen ĂŒberholen. In dem Musterprozess mĂŒsste grundsĂ€tzlich geklĂ€rt werden, inwieweit die Cum-Ex-GeschĂ€fte strafbar waren. Am Ende dĂŒrfte dies wohl ein Fall fĂŒr den Bundesgerichtshof oder sogar das Bundesverfassungsgericht werden.