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Vor Prozess: Ehemalige KZ-Sekretärin (96) nach Flucht in Untersuchungshaft


96-Jährige angeklagt
Ehemalige KZ-Sekretärin sitzt nach Flucht in Untersuchungshaft

Von dpa, afp, t-online, mbo

Aktualisiert am 30.09.2021Lesedauer: 3 Min.
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Historische Aufnahmen: Der damalige Chefankläger der Nürnberger Prozesse spricht über seine düsteren Erinnerungen. (Quelle: Reuters)
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Kurz vor dem Beginn der Hauptverhandlung um Beihilfe zum Mord im KZ Stutthof war die 96-jährige Angeklagte flüchtig. Nach ihrer Festnahme kam sie nun in Untersuchungshaft.

Die ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. ist vor Beginn des Prozesses gegen sie geflohen und war für mehrere Stunden verschwunden. Am frühen Donnerstagnachmittag wurde sie von der Polizei festgenommen. Jetzt hat das Landgericht Itzehoe Untersuchungshaft für die 96-Jährige angeordnet. "Das Gericht hat der Angeklagten den Haftbefehl verkündet. Sie wird nun in die Untersuchungshaftanstalt verbracht", teilte Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer mit.

Nach Angaben der Gerichtssprecherin hatte F. ihr Heim in Quickborn am Morgen mit einem Taxi in unbekannte Richtung verlassen. Fahrziel sei eine U-Bahn-Station in Norderstedt am Hamburger Stadtrand gewesen. Wo sie wieder gefasst wurde, sagte die Sprecherin nicht. Doch nach Informationen von "Bild" war sie am Mittag zu Fuß auf der Langenhorner Straße in Hamburg unterwegs, als Polizisten auf sie aufmerksam wurden.

Der Prozess gegen F. wurde verschoben und soll am 19. Oktober beginnen, wie der Vorsitzende Richter Dominik Groß erklärte. Das Gericht gehe davon aus, dass die Angeklagte beim nächsten Termin dabei sei. "Irgendwie werden wir das schon hinkriegen", so Groß.

Ein Arzt soll nun die Hafttauglichkeit der Frau prüfen. Danach entscheide die Kammer, ob die Haft vollstreckt oder sie verschont werde.

Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen

Gegen die 96 Jahre alte Irmgard F. war Anklage wegen Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen erhoben worden, der Prozessauftakt sollte ursprünglich am heutigen Donnerstag um 11 Uhr stattfinden.

F. arbeitete von Juni 1943 bis April 1945 in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig. Ihr wird zur Last gelegt, als Stenotypistin und Schreibkraft den Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von Gefangenen Hilfe geleistet zu haben. Der eigentlich für Donnerstag angedachte Start der Hauptverhandlung kann nun erst nach Verkündung des Haftbefehls und Prüfung der Verhandlungsfähigkeit von F. beginnen.

Das Internationale Auschwitz-Komitee hatte sich empört über die Flucht der Angeklagten geäußert. "Darin zeigt sich eine unglaubliche Verachtung des Rechtsstaats und auch der Überlebenden", sagte Vize-Exekutivpräsident Christoph Heubner. Das Komitee vertritt KZ-Überlebende und deren Angehörige.

Der Strafprozess soll vor einer Jugendkammer laufen, denn die Angeklagte war zur Tatzeit 18 bis 19 Jahre alt und gilt daher als Heranwachsende. Dieser Umstand ist aus ähnlichen Prozessen aus den vergangenen Jahren bekannt. Für den Prozess gegen Irmgard F. sind Verhandlungen bis Juni 2022 angesetzt.

65.000 Menschen starben im KZ Stutthof

Im KZ Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen zu Kriegsende starben nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralstelle in Ludwigsburg etwa 65.000 Menschen.

Im Juli 2020 hatte das Landgericht Hamburg einen ehemaligen Wachmann in Stutthof zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sprach den 93-Jährigen wegen Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen schuldig – mindestens so viele Gefangene wurden nach Überzeugung der Strafkammer während der Dienstzeit des Angeklagten Irmgard F. 1944/45 in Stutthof ermordet.

Die meisten Opfer starben in Folge der lebensfeindlichen Bedingungen im sogenannten Judenlager von Stutthof. Mindestens 200 wurden in der Gaskammer und einem verschlossenen Eisenbahnwaggon mit Zyklon B umgebracht. 30 wurden in einer geheimen Genickschussanlage im Krematorium des Lagers getötet. "Sie haben diesem Sterben zugesehen damals und es bewacht", hatte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring in der Urteilsbegründung gesagt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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