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Journalist über Raketenangriffe auf Ukraine: Eskaliert die Lage jetzt?


Terrorangriffe auf die Ukraine
"Damit haben die Russen ihre Reserven weiter ausgeschöpft"

InterviewVon Martin Küper

Aktualisiert am 10.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Chaos nach den Detonationen: Aufnahmen zeigen die Raketeneinschläge in Kiew und ihre Folgen. (Quelle: t-online)

Der Journalist Denis Trubetskoy hat die Raketenangriffe in Kiew miterlebt. Davon lassen sich die Ukrainer nicht unterkriegen, sagt er.

Dutzende Raketen und Kamikazedrohnen hat Russland am Montagmorgen auf zivile Ziele in der Ukraine abgefeuert. Die Zahl der Verletzten und Toten sowie das Ausmaß der Schäden lassen sich noch nicht absehen. Der russische Machthaber Wladimir Putin hat inzwischen bestätigt, dass es sich um Vergeltungsangriffe für die Explosion auf der Krim-Brücke am Samstag handelte. t-online sprach mit dem in Kiew lebenden Journalisten Denis Trubetskoy über die Lage nach dem russischen Raketenterror.

t-online: Herr Trubetskoy, wie haben Sie persönlich den Morgen in Kiew erlebt?

Denis Trubetskoy: Die Ukrainer haben natürlich mit einer Reaktion auf den Angriff auf die Krim-Brücke gerechnet, aber das war schon ziemlich krass und definitiv der schwerste Raketenangriff seit Kriegsbeginn. Der Luftalarm heulte fast sechs Stunden lang, ich hörte ständig Explosionen, zum Teil auch von der Arbeit der ukrainischen Flugabwehr. Ich selbst habe mich während der Angriffe hinter Wänden in der Wohnung versteckt, vor einer Stunde hat der Luftalarm aufgehört. Jetzt bin ich mal raus auf die Straße, um zu schauen, wie die Stimmung ist.

Denis Trubetskoy

Denis Trubetskoy ist freier Journalist in Kiew und berichtet für verschiedene deutschsprachige Medien über die Ukraine, Belarus und Russland. Geboren wurde er in Sewastopol auf der Krim, in Moskau studierte er Journalistik. Deutsch lernt Trubetskoy schon seit er 14 ist – als er begann, über die Fußball-Bundesliga zu berichten.

Was ist Ihr Eindruck, wie geht es den Menschen in Kiew jetzt?

So voll wie heute waren die Luftschutzbunker seit Kriegsbeginn noch nie, jetzt gibt es lange Schlangen vor Supermärkten und Tankstellen. In Panik sind die Menschen nicht, sie bereiten sich aber auf Stromausfälle und Versorgungsengpässe vor. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Russland gezielt die zivile Infrastruktur angreift. Die Stimmung ist nicht gut, aber die Menschen geben nicht auf.

Was, glauben Sie, will Kriegsherr Putin mit den Angriffen erreichen?

Ich denke, Putin will vor allem bei radikalen und nationalistischen Russen punkten. Nach mehreren Niederlagen auf dem Schlachtfeld ist die Stimmung unter den Kriegsbefürwortern ja ziemlich schlecht. Vielleicht hofft er auch darauf, dass der Widerstand der Ukrainer bricht und sie gegen ihre eigene Regierung protestieren. Aber das wird nicht passieren. Die Ukrainer haben in diesem Krieg schon so viele Tragödien erdulden müssen und werden sich auch von diesen Angriffen nicht unterkriegen lassen. Die Haltung ist eher: Jetzt erst recht.

Der Kreml hat zuletzt immer wieder mit Atomangriffen auf die Ukraine gedroht, fürchten Sie, dass Putin die Lage noch weiter eskalieren könnte?

Die Atomdrohungen muss man natürlich ernst nehmen, aber man darf darüber nicht in Angst verfallen. Ich halte einen Atomangriff für unwahrscheinlich, weil er auch für Russland problematisch wäre und keinen bedeutenden militärischen Nutzen hätte. Bemerkenswert finde ich, dass Russland heute über 80 Raketen abgefeuert hat, das ist enorm. Ihre Langstreckenraketen haben die Russen zuletzt, anders als zu Beginn des Krieges, eher geschont. Mit den Angriffen heute haben sie ihre Reserven weiter ausgeschöpft, auch wenn die Angriffe auf die zivile Infrastruktur wohl weitergehen werden.

In den kommenden Tagen soll das erste Flugabwehrsystem vom Typ Iris-T aus Deutschland in der Ukraine eintreffen. Reicht das Engagement der Bundesregierung aus?

Ich weiß nicht, wie viele Iris-T-Systeme Deutschland schicken kann, aber es gibt die klare Erwartung in der Ukraine, dass Deutschland eine größere Rolle bei der Unterstützung des Landes spielt, gerne auch im Verbund mit anderen Ländern. Unabhängig von den Angriffen heute wächst das Unverständnis dafür, dass die Lieferung von Kampfpanzern wie dem Leopard 2 weiterhin als Tabu gilt. Es wäre wirklich wichtig, dass sich die Bundesregierung da bewegt. Russland muss auf dem Schlachtfeld besiegt werden, eine Feuerpause oder einen Scheinfriedensvertrag würde der Kreml nur ausnutzen, um seine Kräfte für einen neuen Angriff zu sammeln.

Herr Trubetskoy, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Denis Trubetskoy am 10. Oktober 2022
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