"Note 4" für die deutsche Wirtschaft DIHK-Chef fordert: Merz-Regierung muss Vertrauen zurückgewinnen

Trotz großer Wahlversprechen hapert es an der Wirtschaftspolitik der noch jungen Merz-Regierung. DIHK-Präsident Adrian stellt klare Forderungen.
Im Wahlkampf, der ihn schließlich ins Kanzleramt führte, hatte Friedrich Merz den Deutschen ein starkes Wirtschaftsjahr versprochen. Bis zum Sommer sollte sich die Stimmung im Land deutlich verbessern. Nun steht die politische Sommerpause kurz bevor, und im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung blickt der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, mit Sorge auf die derzeitige wirtschaftliche Lage.
Seiner Ansicht nach hat die aktuelle Regierung ihre wirtschaftspolitischen Ziele noch längst nicht erreicht. Der deutschen Wirtschaft würde er derzeit die Schulnote "vier" geben, so Adrian. Gleichzeitig räumte er ein, dass es sich bei den Vorhaben der schwarz-roten Koalition um ein äußerst ambitioniertes Projekt handele. Die Bundesregierung sei noch keine 100 Tage im Amt und es gebe viel zu tun, sagte der DIHK-Chef der "Bild".
Stromsteuer-Enttäuschung für Unternehmer
Klar sei, dass man die Wirtschaft nicht im Handumdrehen verändern könne. Umso wichtiger sei es, auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu setzen. Um dieses Vertrauen zu gewinnen, müssten jedoch die richtigen Signale gesendet werden: Für viele Unternehmer sei es eine herbe Enttäuschung gewesen, dass die ursprünglich im Koalitionsvertrag vereinbarte Senkung der Stromsteuer entgegen aller Versprechen nur für die energieintensive Industrie umgesetzt wurde.
Adrian forderte "Änderungen am Gebäudeenergiegesetz zurückzunehmen", das "deutsche Energieeffizienzgesetz abzuschaffen" und die "Berichtspflicht für Unternehmen ersatzlos zu streichen". All das seien vertrauensbildende Maßnahmen, die den Staat keinen Cent kosten würden, so der Wirtschaftslobbyist.
Deutschland: 400 Stunden Arbeitsdefizit
Zur Debatte, ob die Deutschen mehr arbeiten müssten, sagte Adrian, dass Deutschland im Vergleich mit anderen OECD-Ländern ein Arbeitsdefizit von durchschnittlich 400 Stunden pro Jahr aufweise. Die Lösung des Problems liege jedoch nicht in weniger Urlaubstagen oder einer verlängerten Wochenarbeitszeit.
Die wirkungsvollste Stellschraube sei es, Frauen die Möglichkeit zu geben, in Vollzeit zu arbeiten – was etwa eine bessere Kinderbetreuung voraussetze. Außerdem sei er offen dafür, einen Feiertag zu streichen. Ginge es nach ihm, müsste der Pfingstmontag weichen. Ihm sei jedoch bewusst, dass viele das anders sähen, so Adrian.
Weiterhin forderte der DIHK-Chef eine schnelle Reform der sozialen Sicherungssysteme. "Eigentlich müsste das noch dieses Jahr passieren", das liege auch im Interesse der Bundesregierung. Was die Regierung unter Kanzler Merz derzeit mache, löse seiner Auffassung nach bisher noch keine "Begeisterungsstürme" aus.