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Geisterschiffe: Die mysteriöse Strandung der "Carroll A. Deering"


Geschichte
Die mysteriöse Strandung der "Carroll A. Deering"

Ulrich Weih

Aktualisiert am 05.07.2013Lesedauer: 4 Min.
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Ende Januar 1921 herrschte an der amerikanischen Ostküste stürmisches Wetter. Umso verwunderter waren die Anwohner in der Nähe von Cape Hatteras, als sie sahen, wie ein stattlicher Fünfmaster mit vollen Segeln geradewegs auf die Küste zurauschte. Der Kurs wurde nicht geändert, die Segel nicht geborgen - prompt strandete das Schiff knapp vor Land auf einer Sandbank.

An Bord fand die Küstenwache nur noch die beiden Schiffskatzen. Von der Mannschaft fehlte jede Spur.

Die rätselhafte Strandung der "Carroll A. Deering" und das Schicksal der Besatzung waren Anlass für wilde Spekulationen. Was genau war auf dem Schoner passiert?

Ungewöhnliches Verhalten der Crew

Der Segler war als Frachtschiff eingesetzt und pendelte regelmäßig zwischen New England und Brasilien. Zuletzt hatte er eine Ladung in Rio de Janeiro abgeliefert, am 2. Dezember 1920 machte er sich auf den Rückweg nach Bath im US-Bundesstaat Maine.

Am 29. Januar passierte die "Carroll A. Deering" das Feuerschiff am Cape Lookout. Dessen Kommandant wunderte sich, dass sich auf dem Quarterdeck gewöhnliche Besatzungsmitglieder aufhielten, obwohl dieser Bereich an Bord normalerweise ausschließlich Offizieren, Kadetten oder dem Kapitän vorbehalten ist.

Küstenwache findet Ungereimtheiten

Am Morgen des 31. Januar strandete der Fünfmaster vor Cape Hatteras. Die Küstenwache ging an Bord und fand in etwa folgendes Bild vor: Keine Spur von der elfköpfigen Besatzung. Auch zur Schiffsführung unentbehrliche Dinge wie Logbuch, Chronometer und die Navigationsinstrumente fehlten. Alle Rettungsboote waren verschwunden.

Merkwürdige Details nahmen die Männer der Küstenwache zur Kenntnis: In der Kapitänskajüte wurden drei Paar Stiefel gefunden, die jedoch definitiv nicht dem Kapitän gehörten. In der Kombüse stand noch ein zubereitetes, aber nicht mehr angerührtes Essen. Am Mast waren zwei rote Laternen übereinander gesetzt - das nautische Zeichen für ein manövrierunfähiges Schiff.

Mysteriöse Flaschenpost

Die Behörden machten sich gerade daran, den Fall zu untersuchen, als im April 1921 nahe Buxton ein Fischer eine mysteriöse Flaschenpost fand. Auf einem Zettel stand: "Deering wurde durch ein Öl verbrennendes Schiff verfolgt und überfallen. Die Mannschaft hatte keine Chance zu entkommen und wurde gefesselt. Bitte benachrichtigen Sie das Headquarter der Deering".

Zunächst hielt man es für möglich, dass es sich um die Handschrift von Herbert Bates, einem Besatzungsmitglied der Carroll A. Deering, handeln könnte. Doch bei einem intensiven Verhör räumte der Fischer schließlich ein, die Flaschenpost selbst gefälscht zu haben.

In der Folge wurden verschiedene Szenarien entwickelt, was mit dem Schiff und seiner Besatzung geschehen sein könnte:

Meuterei auf der "Carroll A. Deering"?

Möglicherweise gab es eine Meuterei gegen Kapitän Wormell. Die fremden Stiefel in der Kapitänskajüte wären dafür ein Indiz, aber auch die Beobachtungen der Feuerschiffschiffsbesatzung von der offenkundigen Disziplinlosigkeit an Bord sowie der ungewöhnlichen Abwesenheit von Kapitän und Offizieren an Deck.

Möglich wäre es, dass die Meuterer unmittelbar vor dem Auflaufen das Schiff verließen und später mit den Rettungsbooten im stürmischen Wetter umkamen.

Aufzeichnungen belegen starken Sturm

Fakt ist, dass Ende Januar in der Gegend der stärkste Sturm seit 22 Jahren wütete. Das Feuerschiff notierte Windgeschwindigkeiten von bis zu 75 Knoten (knapp 140 Kilometer pro Stunde). In den folgenden Tagen ging die Windgeschwindigkeit zwar auf etwa 45 Knoten zurück, doch auch das bedeutet immer noch Sturmstärke oder 9 Beaufort.

Eine Havarie im Sturm war damals nichts Ungewöhnliches. Doch wusste jeder Seemann, dass die Überlebenschancen auf einem knapp 80 Meter langen, soliden Schiff erheblich besser sind, als in einem vergleichsweise winzigen Beiboot. Die Theorie gilt daher als relativ unwahrscheinlich.

War Entführung nach Russland geplant?

Sehr spekulativ war wohl die Vermutung, das Schiff sei von bolschewistischen Sympathisanten gekapert worden und hätte in die Sowjetunion gebracht werden sollen. Diese Theorie lässt sich vielleicht mit der damals grassierenden "Angst vor der Roten Gefahr" erklären.

Allerdings waren bei einer Polizeirazzia in der Parteizentrale der United Russian Workers Party in New York tatsächlich Unterlagen gefunden worden, die die Kaperung von US-Schiffen und deren Entführung nach Sowjetrussland behandelten. Ob derartige Pläne jemals umgesetzt wurden, ist nie bewiesen worden.

Kaperung durch Alkoholschmuggler?

Schließlich galt zu dieser Zeit in Amerika noch die Prohibition. Möglich wäre also auch, dass Piraten oder Alkoholschmuggler die "Carroll A. Deering" kaperten und die Besatzung ermordeten. Dagegen spricht allerdings, dass das Schiff als Kohlentransporter und als vergleichsweise großer, leicht zu identifizierender Segler für Schmuggelfahrten relativ ungeeignet war.

Außerdem stellt die Kaperung des Schiffes während einer schweren Sturmperiode eine riskante Herausforderung dar, die selbst erfahrene Piraten wohl eher gemieden hätten.

Nüchterne Einschätzung der Küstenwache

Ein ehemaliger Kapitän der "Carroll A. Deering" schloss einen Piraten- oder Enterangriff aus. Er vermutete, dass die Besatzung den Schoner erst nach dem Auflaufen auf die Sandbank verlassen hatte, im Sturm jedoch das rettende Ufer nicht erreichen konnte. Die Männer seien nach dem Sinken ihrer Boote einfach ertrunken.

Auch die Rettungskräfte der Küstenwache, die am Tag der Strandung vor Ort waren, hielten es für unmöglich, bei dem stürmischen Wetter mit einem kleinen Boot das Ufer zu erreichen.

Die letzten Stunden der "Carroll A. Deering" konnten nicht zuverlässig rekonstruiert werden. Geblieben sind zahlreiche Spekulationen, die dem Schiff den Ruf eines Geisterschiffes einbrachten.

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