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Völkermord in Namibia: Deutschland und der erste Genozid im 20. Jahrhundert


"Aufräumen, aufhängen, niederknallen"
Wie Deutsche den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts begingen

Von afp, mvl

Aktualisiert am 28.05.2021Lesedauer: 4 Min.
Dtsch-SW:Herero-Namibia: Überlebende Herero des von Deutschen begangenen Völkermords in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1905.1904: Rückkehr aus der Omaheke-Wüste 1905Vergrößern des BildesNamibia: Überlebende Herero des von Deutschen begangenen Völkermords in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1905. (Quelle: ullstein-bild)
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1904 kam es zur Eskalation der Gewalt, Deutsche begingen im heutigen Namibia an den Herero und Nama einen Völkermord. Dies will die Bundesregierung nun offiziell anerkennen. Das sind die Hintergründe.

"Aufräumen, aufhängen, niederknallen", forderten deutsche Siedler in Deutsch-Südwestafrika im Februar 1904. Ohne Gnade, "bis auf den letzten Mann". Gemeint waren mit diesen Worten die Männer vom Volk der Herero, die nach Jahren der Unterdrückung durch die Weißen im Januar des Jahres zu den Waffen gegriffen hatten. Der Aufstand der Herero und Nama wurde zum düsteren Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte.

Denn es kam zu einer Entgrenzung der Gewalt durch die entsandten deutschen Truppen. Als "stumpf und phlegmatisch" hatten die Kolonialherren die Herero bis dahin abgetan. Sie sollten allerdings eines Besseren belehrt werden. Tapfer kämpften die Herero, allerdings chancenlos gegen die besser bewaffneten Deutschen. Grausamer Höhepunkt war der August 1904: Nach der Schlacht am Waterberg flohen die überlebenden Herero, Männer und Frauen, Kinder und Alte, in die Omaheke-Wüste.

"Lasse auf sie schießen“

Anschließend riegelten die Deutschen, kommandiert von Generalleutnant Lothar von Trotha, die Wüste ab, besetzten die wenigen Wasserstellen und warteten. Auf den Tod der Eingekesselten durch Durst und Hunger. Von Trotha ließ schließlich verkünden: "Jeder Herero, mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh, wird erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück und lasse auf sie schießen.“ Geplant war eine systematische Vernichtung der Herero.

Tausende Tote waren die Folge, die genaue Zahl ist umstritten. Historiker bewerten die Massaker an den Herero und den ebenfalls gegen die Deutschen kämpfenden Nama im heutigen Namibia durch deutsche Kolonialtruppen als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Nach jahrelangen Verhandlungen mit der namibischen Regierung in Windhoek will dies nun auch die Bundesregierung anerkennen – und für die Gräueltaten der Jahre 1904 bis 1908 um Entschuldigung bitten.

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Trotz finanzieller Unterstützungsleistungen für die Herero und Nama in Milliardenhöhe ist der Akt vor allem symbolisch: Aus der historischen Anerkennung des Völkermords ergeht keine rechtliche Wiedergutmachungspflicht.

Er sei "froh und dankbar", dass es gelungen sei, mit Namibia eine "Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen", erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag. "Wir werden diese Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus heutiger Perspektive waren: ein Völkermord."

Heftiges Ringen

Teil der Vereinbarung ist ein deutsches Hilfsprogramm für Namibia in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, das vor allem den besonders vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften zugute kommen soll. Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung ließen sich daraus indes nicht ableiten, betonte Maas. Über die Bezeichnung der finanziellen Leistungen Deutschlands war in den Verhandlungen heftig gerungen worden. Um Reparationen handelt es sich dabei nun ausdrücklich nicht. Grund ist, dass die UN-Völkermordkonvention von 1948, die in Deutschland 1955 in Kraft trat, nicht rückwirkend gilt.

Zu diesem Zeitpunkt war das heutige Namibia schon lange keine deutsche Kolonie mehr, nach dem Ersten Weltkrieg hatte Deutschland seine Kolonien verloren. 1884 hatte das Kaiserreich das Gebiet zuvor als "Schutzgebiet" proklamiert, das Ziel bestand in seiner wirtschaftlichen Ausbeutung. Die Deutschen betrachteten die einheimischen Völker, wie Herero und Nama, als Mittel zum Zweck. 1904 kam es dann zum Aufstand der Herero, nachdem deutsche Siedler immer wieder Frauen, Land und Vieh geraubt hatten. In wenigen Tagen töteten die Aufständischen 123 deutsche Zivilisten.

Der daraufhin von Trotha entfesselte Vernichtungskrieg kostete mindestens 60.000 Herero das Leben, wer nicht umkam, wurde in Konzentrationslager gebracht. Anfang des 20. Jahrhunderts betrug der Bevölkerungsanteil der Herero im Gebiet des heutigen Namibia etwa 40 Prozent. Heute sind es nur noch sieben Prozent.

Die ebenfalls im Aufstand befindlichen Nama wurden ebenfalls brutal verfolgt. Rund 10.000 Menschen kamen Schätzungen zufolge um. Opferverbände sprechen von 70 Prozent der Gesamtbevölkerung der Nama.

Jahrelange Verhandlungen

Die Verhandlungen Deutschlands und Namibias über die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen hatten 2015 begonnen. Im Zuge dieses Prozesses gab Deutschland auch menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit an Namibia zurück. Bei einer Rückgabezeremonie bat bereits 2018 Staatsministerin Michelle Müntefering (SPD) die namibische Regierung um Verzeihung für das "schreckliche Unrecht" der deutschen Kolonialzeit.

Ins Stocken gerieten die Verhandlungen, als einige traditionelle Vertreter der Herero und Nama 2017 eine Sammelklage gegen Deutschland in New York einreichten, mit der sie direkte Verhandlungen mit der Bundesregierung über Wiedergutmachung erzwingen wollten. Die Klage scheiterte – die Kritik von Opferverbänden, nicht ausreichend an den deutsch-namibischen Verhandlungen beteiligt worden zu sein, aber bleibt.

Zwar ist der namibische Sondervermittler Zed Ngavirue ein prominenter Herero – regierungsunabhängige Opferverbände in Namibia seien jedoch von den Gesprächen ausgeschlossen gewesen, beklagt das Bündnis "Völkermord verjährt nicht!", dem unter anderem der Verein Berlin Postkolonial angehört.

In einer von Berlin Postkolonial verbreiteten Mitteilung der traditionellen Führer der Herero und Nama, Vekuii Rukoro und Gaob Johannes Isaack, wird die deutsch-namibische Aussöhnungsvereinbarung als "PR-Coup" Deutschlands kritisiert. Rukoro und Isaack fordern, deutsche "Reparationen wegen des Genozids" an Namibia – und damit die Anerkennung des Völkermords auch im völkerrechtlichen Sinne.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachichtenagentur AFP
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