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Kampf gegen Coronavirus: Ohne Impfstoffe wäre die Welt ein grauenhafter Ort


Kampf gegen Corona
Ohne Impfstoffe wäre die Welt ein grauenhafter Ort

Von Angelika Franz

09.01.2022Lesedauer: 5 Min.
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Mensch mit Pockenerkrankung (Archivbild): Impfstoffe haben geholfen, einige der schlimmsten Plagen der Menschheit zu einzudämmen.Vergrößern des Bildes
Mensch mit Pockenerkrankung (Archivbild): Impfstoffe haben geholfen, einige der schlimmsten Plagen der Menschheit zu einzudämmen. (Quelle: Photoshot/dpa)

Heute fürchten die Menschen Corona, früher waren es Superkiller wie die Pocken. Dass uns manche Plage nicht mehr schreckt, verdanken wir Impfstoffen. Ohne sie wäre unser Leben furchtbar.

Haben Sie Kinder? Ja? Dann freuen Sie sich, dass Sie nicht im frühen 19. Jahrhundert lebten, sondern im Jahr 2022. Denn damals erreichte nur jedes zweite Kind das Erwachsenenalter, die Hälfte starb irgendwann zwischen Geburt und Volljährigkeit. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurde die Lage etwas besser, 1870 waren es nur noch 250 von 1.000 Kindern, die das Elternhaus im Sarg verließen.

Was war geschehen? Natürlich waren die Hygienemaßnahmen besser geworden, ebenso wie die medizinische Versorgung. Und die Forschung hatte etwas entdeckt, das Millionen von Familien großes Leid ersparen sollte: das Prinzip der Impfung. Die Möglichkeit, im Körper einen Schutzschild gegen tödliche Krankheiten aufzubauen.

Eine Plage der Bibel

Eine der tödlichsten Seuchen waren die Pocken. Erst bildeten sich kleine Pusteln, die zu Blasen – den sogenannten Pocken oder Blattern – heranwuchsen, bis Gesicht und Extremitäten völlig entstellt waren. Selbst nach einer Heilung blieben schreckliche Narben zurück, etwa ein Drittel der Überlebenden erblindete.

Schon die Ägypter kannten den Schrecken der Pocken, in der Bibel sind sie die sechste Plage, unter der das Land am Nil leiden musste. Tatsächlich ist das Gesicht einiger Mumien, darunter der von Ramses V., durch Pockennarben entstellt. Als im 16. Jahrhundert die europäischen Eroberer die Pocken in Nordamerika einschleppten, starben – je nach Schätzung – ein Viertel bis 90 Prozent der völlig ungeschützten indigenen Bevölkerung. Und in Europa fielen ihnen gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa zehn Prozent aller Kleinkinder zum Opfer, deutlich mehr als der Pest.

Ein Heilmittel gibt es bis heute nicht. Glücklicherweise aber eine Impfung. Wer vor 1976 in West- oder vor 1980 in Ostdeutschland geboren wurde, trägt vermutlich auf der Schulter immer noch eine kleine Narbe, die von der damals gesetzlich vorgeschriebenen Impfung stammt. Die Pockenimpfung war tatsächlich die erste erfolgreiche Immunisierung in der Geschichte der Medizin – auch wenn zu Anfang noch nicht so recht bekannt war, wie und warum sie wirkte.

Nach frühen Impfversuchen mit Eiter oder Schorf von Infizierten mit schwachen Krankheitsverläufen entwickelte der englische Landarzt Edward Jenner gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Impfung mit Kuhpocken. Noch heute werden Impfstoffe als Vakzine bezeichnet, vom lateinischen vacca, zu Deutsch: Kuh. Allerdings dauerte es eine Zeitlang, bis die allgemeine Pocken-Impfpflicht eingeführt wurde, im Deutschen Reich erst im Jahr 1874.

Legenden der Medizin

Das waren die Jahre, in denen sich die medizinischen Erfolge überschlugen. 1864 stellte der Franzose Louis Pasteur seine Theorie der Keime als Krankheitserreger auf. Robert Koch, Namensgeber des heutigen Instituts für Krankheitsüberwachung und -prävention, konnte 1876 Bacillus anthracis als Verursacher des Milzbrandes identifizieren, fünf Jahre später gelang ihm das Gleiche mit Mycobacterium tuberculosis als Erreger der Tuberkulose.

Die Mühen zahlten sich aus. Im Jahr 1910 lag die Kindersterblichkeit nur noch bei etwa 160 von 1.000. Doch es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis mit dem neuen Wissen um Krankheiten und ihre Erreger auch tatsächlich weitere Impfungen entwickelt werden konnten. Unterdessen verbreitete der Tod weiterhin Schrecken und Leid. Als "Würgeengel der Kinder" – medizinisch Diphtherie – holte er sich jedes fünfte erkrankte Kind unter fünf Jahren.

Die Kleinen fieberten und ihr Hals schwoll zu. Wurde der Würgegriff zu stark, bekam das Kind keine Luft mehr und musste jämmerlich ersticken. Bevor der spätere Nobelpreisträger Emil von Behring Ende des 19. Jahrhunderts sein Diphtherie-Heilserum entwickelte, beraubte die Krankheit mitunter ganze Landstriche ihrer Erbengeneration.

Wirkliche Besserung kam allerdings erst allmählich, als 1923 der Impfstoff gegen Diphtherie bereitgestellt wurde. 1613 gilt in der spanischen Geschichte noch heute als El Año de los Garrotillos, das Jahr der Strangulationen.

Auch Tuberkulose war noch immer eine häufige Todesursache unter Kindern und Jugendlichen. Schwindsucht wurde die Krankheit oft genannt, weil dieser Name so treffend den Zustand der Kranken beschreibt. Zunächst sind sie auffällig müde und fühlen sich schwach. Appetit haben sie kaum noch, zusehends verlieren sie an Gewicht – sie schwinden regelrecht dahin.

Eine Geißel der Menschheit

Ständig quält sie ein trockener Husten. Gegen Abend stellt sich meist ein leichtes Fieber ein, in der Nacht schwitzen sie stark. Kommt es dann auch noch zu einer tuberkulösen Meningitis, einer Hirnhautentzündung, werden die geschwächten Kranken zusätzlich von Krämpfen, Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen gequält. Wenn sie am Ende der Tod ereilt, ist vom Körper nur noch eine ausgemergelte Hülle übrig.

1905 hatte Robert Koch für die Beschreibung des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis den Medizin-Nobelpreis verliehen bekommen. Es sollte aber noch über 20 weitere Jahre dauern, bis eine Impfung der Schwindsucht den Schrecken nehmen konnte.

Etwa zur gleichen Zeit wurde auch eine Immunisierung gegen Tetanus, den Wundstarrkrampf, verfügbar. Tetanus ist eine wahrlich teuflische Infektion: Das Bakterium Clostridium tetani führt dazu, dass die Muskeln nach und nach verkrampfen. Das Gesicht der Kranken verspannt sich zu einem satanischen Grinsen, dem sogenannten Teufelslachen. Die Rückenmuskulatur zieht sich so stark zusammen, dass Wirbel unter dem Druck brechen können.

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Heftige Krämpfe schütteln den Körper, am Ende droht oft der Erstickungstod. Heute ist die Tetanusimpfung eine der ersten, die Neugeborene bekommen. Sie waren zuvor besonders gefährdet, denn wenn die Mutter nicht geimpft ist, kann schon das Durchtrennen der Nabelschnur mit einem verunreinigten Instrument Clostridium tetani in die Wunde bringen und den Säugling töten.

Nicht nur Kinderkrankheiten!

Behandelbar ist der Wundstarrkrampf kaum, in Deutschland sterben auch heute noch ein Viertel der Infizierten. Dank der medizinischen Fortschritte und der neuen Impfungen sank die Kindersterblichkeit bis 1930 auf unter 100 von 1.000. Die schrecklichsten Krankheiten waren damit gebannt.

Doch es grassierte immer noch der Keuchhusten, der bei Säuglingen zum Atemstillstand führen kann. Oder die Grippe, der während der Pandemie von 1918/1919 allein in Deutschland 400.000 Menschen zum Opfer fielen. Die Kinderlähmung forderte nach wie vor viele Opfer, die oft für den Rest ihres Lebens behindert oder in der Eisernen Lunge zurückblieben – in Deutschland waren es im Jahr 1932 noch 3.700.

Auch Mumps grassierte noch, der bei Kindern eine Hirnhautentzündung verursachen und Jungs sogar unfruchtbar machen kann. Hirnhaut- oder Lungenentzündung drohte auch bei den Masern. Und wenn sich eine Schwangere mit Röteln infizierte, kam ihr Kind oft mit schweren Missbildungen oder gar tot zur Welt.

In den Nachkriegsjahren wurden auch für diese Krankheiten Impfstoffe entwickelt. Die Kindersterblichkeit sank bis 1970 auf etwa 25 von 1.000. Heute erreichen nur 3,8 von 1.000 Kindern in Deutschland nicht das Erwachsenenalter.

Die häufigste Ursache hat allerdings nichts mehr mit Infektionskrankheiten zu tun. Es sind meist die extremen Frühchen, die versterben – und Frühgeburten sind häufig eine Folge von Nikotin oder Alkohol in der Schwangerschaft sowie von Mehrlingsschwangerschaften.

Wenn Sie also Kinder haben, dann sind diese jetzt, wo sie bereits geboren sind, relativ sicher vor dem Tod durch viele Infektionskrankheiten. Gehen Sie doch gleich einmal zu ihnen hin und nehmen Sie sie fest in den Arm.

Verwendete Quellen
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