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"Letzte Generation": Wie kriminell sind die Klimaaktivisten wirklich?


Razzien und schwere Vorwürfe
"Letzte Generation": Wie kriminell ist sie wirklich?

Von Christof Paulus

Aktualisiert am 24.12.2022Lesedauer: 3 Min.
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Polizeieinsatz bei einer Protestaktion der "Letzten Generation" in München (Archivbild): Die Aktivisten stehen als "kriminelle Vereinigung" im Fokus der Ermittler.Vergrößern des Bildes
Polizeieinsatz bei einer Protestaktion der "Letzten Generation" in München (Archivbild): Die Aktivisten stehen als mögliche "kriminelle Vereinigung" im Fokus der Ermittler. (Quelle: IMAGO / Wolfgang Maria Weber)

Klimaaktivisten tragen ihre Ideale vor sich her, gehen für sie ins Gefängnis. Jetzt gibt es Razzien. Wie kriminell sind sie?

Wer an eine kriminelle Vereinigung denkt, der denkt wohl an die Mafia oder Rockerbanden. Ermittler in Brandenburg haben dabei auch Klimaaktivisten im Sinn. Sie haben vergangene Woche eine bundesweite Razzia gegen Mitglieder der "Letzten Generation" durchgeführt und dabei Wohnungen und andere Räume der Aktivisten durchsuchen lassen, auch in Bayern. Der Vorwurf: "Bildung und Unterstützung krimineller Vereinigungen", wie die zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin mitteilt.

Beeindruckt zeigten sich die Aktivisten davon nicht. "Wir werden unverändert weiter machen", schrieben sie auf Twitter wenig später und deuteten an, dass sie die "fossile Lobby und Regierende" für die wahren Kriminellen halten. Und so scheiden sich die Geister an der Gruppe: Bei Unterstützern und harten Gegnern, die Worte wie "Klima-Terroristen" gebrauchen, sind viele Positionen vertreten.

Aktionen der "Letzten Generation" in München womöglich kriminell

Ob die "Letzte Generation" tatsächlich eine "kriminelle Vereinigung" ist, werden die Ermittlungen zeigen. Sie müssten nachweisen, dass die Aktivisten sich primär deshalb zusammengeschlossen haben, um Straftaten zu begehen. Eine Gefahr gehe jedenfalls durchaus von ihr aus, wie das Bayerische Innenministerium mitteilt. "Die Grenze ist dann überschritten, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht", heißt es auf Anfrage von t-online.

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Die Klimaaktivisten haben sich hingegen auf die Fahne geschrieben, stets gewaltfrei zu protestieren. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit sehen sie ebenfalls, allerdings keine, die durch sie verursacht wird: Der Klimawandel werde Teile der Erde unbewohnbar machen, die Politik unternehme nicht ausreichend dagegen. Sie sagen, sie wollen Leben schützen, nicht gefährden.

In einer Analyse stellt der Rechtsexperte des RBB, Klaus Hempel, infrage, ob die "Letzte Generation" tatsächlich als kriminell bezeichnet werden kann. Straftaten, die im Rahmen des Protests begangen werden, seien aus Sicht der Aktivisten "nur ein Mittel zum eigentlichen Zweck der Aktionen – nämlich auf den Klimawandel aufmerksam zu machen". Insofern sei die Definition einer "kriminellen Vereinigung" nicht erfüllt. Doch es gebe auch Gegenargumente.

Polizei hat "Letzte Generation" wegen Attacke auf Raffinerie im Blick

Der Grund für die Durchsuchungen sei etwa die Attacke von Klimaaktivisten auf eine Ölraffinerie gewesen. Eine solche Aktion könne tatsächlich als "gezieltes Verabreden zu Straftaten" bewertet werden. Nach Einschätzung des Innenministeriums in München sei zudem nicht auszuschließen, dass "dass einzelne Aktivisten künftig die Intensität ihrer Protestformen ausweiten". Gerade in München sind Indizien hierfür schon zu beobachten.

Im November hatten die bayerischen Behörden ihre Gangart im Umgang mit den Aktivisten verschärft und mehrere von ihnen ohne Gerichtsverhandlung für 30 Tage ins Gefängnis gesteckt. Die Präventivhaft konnte jedoch weitere Aktionen nicht verhindern, im Gegenteil: Die "Letzte Generation" kündigte an, sich nicht einschüchtern lassen zu wollen und weiter zu protestieren. Dies tut sie nun vermehrt, und vor allem eben dort, wo sie am härtesten belangt werden: in München.

Die Aktivisten gehen sogar so weit, die Präventivhaft wie auch die Razzien primär als Einschüchterungsversuche zu bezeichnen. "Der Paragraf 129 im Strafgesetzbuch ist ein reiner Schnüfflerparagraf", sagt eine Sprecherin der Gruppe auf Anfrage von t-online. Es sei "absurd", sie als kriminelle Vereinigung zu bezeichnen.

Das Innenministerium weist die Vorwürfe jedoch entschieden zurück. "Es geht in keiner Weise um irgendeine Art von Einschüchterung!", heißt es auf Anfrage. Jeder dürfe sich für den Klimaschutz engagieren und friedlich für seine Anliegen im Rahmen der Gesetze demonstrieren. Eine Gefahrenlage müsse jedoch schnellstmöglich beseitigt werden "oder idealerweise erst gar nicht entstehen".

Präventivhaft gegen Aktivisten in München ist umstritten

Auf die Frage, ob die Behörden ihre Taktik im Umgang mit der "Letzten Generation" ändern werden – angesichts dessen, dass sie die Aktivisten offenbar weiter provoziert statt beschwichtigt – verweist das Ministerium auf Einzelfallentscheidungen. Außerdem "entscheiden unabhängige Gerichte darüber, ob eine von der Polizei beantragte Gewahrsamnahme im jeweiligen konkreten Einzelfall verhältnismäßig ist". Auch weniger einschneidende Maßnahmen würden geprüft.

Hinweise darauf, dass die Behörden vorerst eine weniger harte Gangart anschlagen wollen, gibt es dennoch. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, seien erneut Aktivisten in Gewahrsam genommen worden. Dieser dauerte nun allerdings deutlich kürzer, die Festgenommenen wurden bis zum Abend freigelassen.

Was außerdem zu einer Ausweitung der Proteste geführt haben könnte, ist der Umstand, dass "die bisherigen Proteste politisch nicht die gewünschten Erfolge erzielten", wie das Innenministerium analysiert. Ob das zu einer Radikalisierung führen könnte, dazu lägen keine Erkenntnisse vor. Schon jetzt gelte allerdings etwa für Aktionen wie Straßenblockaden, Sitzblockaden am Flughafen oder auf Schilderbrücken an der Autobahn, dass diese Aktionen "zweifelsohne auch sehr gefährlich" seien – "nicht nur für die Aktivisten selbst, sondern auch für unbeteiligte Dritte".

Verwendete Quellen
  • Anfrage ans Bayerische Innenministerium
  • Gespräche mit Aktivisten der "Letzten Generation"
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