t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalMünchen

Warmer Ski-Winter in Bayern: Deutschland ist kein Wintersportland mehr


Der warme Winter und die Berge
Abgesang auf den Wintersport: "Das ist alles Schmarrn"

Von Christof Paulus

Aktualisiert am 12.01.2023Lesedauer: 5 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Skifahren auf dem letzten Schneestreifen aus Kunstschnee im oberbayerischen RuhpoldingVergrößern des Bildes
Skifahren auf dem letzten Schneestreifen aus Kunstschnee im oberbayerischen Ruhpolding. (Quelle: Rolf Poss/imago images)

Viele denken bei Bayern an Berge, Schnee und Skifahren. Falsch ist das nicht. Der warme Winter macht deshalb Sorgen. Doch im Freistaat sind viele schon weiter.

Der Parkplatz am Brauneck ist so grau, wie er leer ist. Wer schon einmal hier war, wenn Schnee liegt, die Sonne scheint und Wochenende ist, der kann sich kaum vorstellen, wie wenig nun in der Woche nach den Weihnachtsferien los ist. Ein paar Autos stehen an der Talstation des Hausbergs von Lenggries, der Hang ist an manchen Stellen grün, an anderen weiß, fast alles steht still. Nur ein paar Kinder wuseln zwischen den Hütten und Baracken umher, dann und wann kommt ein Skifahrer die Piste hinunter, manche rodeln. Alle paar Minuten schickt die Seilbahn eine Kabine nach oben.

Seit rund drei Wochen ist die Temperatur in Bayern wärmer, als es der Wintersport vertragen würde. Auch hier, auf fast 800 Metern Höhe, in Lenggries, das vor allem für seine Skifahrer bekannt ist. Der Klimawandel setzt den Skigebieten zu, könnte man meinen. Die Menschen hier fürchten um ihre Existenz, sollte man denken. Aber wer mit den Menschen in den bayerischen Alpen spricht, der merkt: So ist es gar nicht. Oder zumindest will niemand seine Sorgen zugeben.

Skischule in Bayern rechnet warme Winter ein

"Weißt du was? Ich hab darauf echt keinen Bock", sagt Martin Gerner über das Thema. Er betreibt die Skischule "Hi Ski"; auf die Frage, was ein solch warmer Winter für ihn und sein Geschäft bedeute, überlegt er lange. Und dann poltert er los: Alle schrieben sie aktuell über den warmen Winter, überall lese er Abgesänge auf den Wintersport in Bayern. Aber: "Das ist alles Schmarrn", sagt Gerner.

Natürlich gebe es den Klimawandel, stellt er klar, aber warme Winter, die habe es eben auch schon immer gegeben. In Bayern, wo die Skigebiete kleiner sind und niedriger liegen als etwa auf den Gletschern in Österreich, sei wenig Schnee schon immer ein Problem gewesen – aber damit kämen er und die anderen hier schon lange klar. "Wir haben Corona überstanden, wir schaffen auch mal einen warmen Winter", sagt Gerner.

In einer Skischule müsse man drei bis vier Jahre zusammenrechnen und dann den Durchschnitt nehmen. Vorher Bilanz zu ziehen, bringe gar nichts, sagt er. Ist es das maue Geschäft, das Gerner so grantig macht? Oder ist er doch genervt, weil es wirklich nicht stimmt, was er ständig über seine Branche lesen muss?

Sommertourismus überholt in Bayern Wintersport

In Lenggries und der Region verdichtet sich der Eindruck: Wer die bayerischen Alpen jetzt schon abschreibt, der verrennt sich. Denn zum einen sei das Weihnachtsgeschäft gut gewesen, sagen Gerner und viele andere. Dass jetzt, nach den Ferien, auch mal sehr wenig los ist, damit habe man schon gerechnet. Und zum anderen funktioniere der Tourismus in bayerischen Wintersportgebieten schon lange nicht mehr nur von Dezember bis März.

Das sagt auch Harald Gmeiner. Er ist als Vorstand der Regionalentwicklung Oberland für den Tourismus im südlichen Oberbayern zuständig. Da gebe es zwar die Skigebiete, etwa in Lenggries oder am Spitzingsee oder Sudelfeld, alles eine gute Stunde südlich von München gelegen. Doch auch wenn im Winter der Schnee mal ausbleibe, könne man gut bedienen, was Touristen sich von der Region erwarteten.

Mit Kunstschnee ist es in vielen Skigebieten auf sonst grünen Hängen möglich, weiterhin Ski zu fahren. Und auch im Winter gehe es vielen, die in die Berge kommen, sagt Gmeiner, vor allem darum, Zeit mit Freunden oder der Familie zu verbringen – was man dort tue, sei zweitrangig. Weshalb viele, die Urlaub in den Bergen gebucht hatten, das auch ohne Ski zu fahren gerne tun würden. Nur eines mache sich stark bemerkbar: die fehlenden Tagestouristen. Münchner ziehe es ohne den Schnee etwa viel seltener in den Süden. Deshalb konstatiert Gmeiner doch: "Die Umsätze sind aktuell schon niedriger, ja."

In Bayern nennen sich Ortschaften wie Kreuth "Bergsteigerdorf"

Doch Gmeiner benennt mit seiner Analyse einen Trend, den man in Bayern schon länger sieht. Die meisten Skigebiete sind hier um ein Vielfaches kleiner als jene in Österreich oder der Schweiz – klettern und wandern kann man in den bayerischen Alpen allerdings genauso wie in anderen Regionen des Gebirges. Das sieht man schon bei der Anfahrt nach Lenggries, etwa wenn man vom Tegernsee kommt.

Dort passiert man das Dorf Kreuth, bekannt von Klausurtagungen der CSU. Schon am Ortsschild begrüßt Kreuth einen mit dem Beinamen "Bergsteigerdorf". Auf Sommertourismus, die Natur und die Landschaft setzen inzwischen viele Ortschaften in Bayern, um Gäste anzuziehen. Auch in Bad Tölz, zehn Kilometer von Lenggries entfernt, heißt es von der örtlichen Sprecherin der Hotels und Gaststätten, habe man mit Skitourismus ohnehin nur wenig zu tun. Die Wintersportorte, sie sind hier in Bayern die Ausnahme. Einige wenige gibt es noch, Lenggries zählt dazu. Und was kommt jetzt dort?

Ja, ja, die Region lebt schon von den Skifahrern, heißt es von den Leuten, die an der Talstation am Brauneck herumlaufen oder arbeiten. Obwohl die Piste gesperrt ist in dieser Woche nach den Weihnachtsferien, fahren ein paar Skitourengeher oder Abfahrer auf eigene Gefahr die Piste hinunter. Von den Seilbahnbetreibern bis zum Metzger im Ort: Allen ist es wichtig, dass Gäste zum Wintersport herkommen, hört man in Lenggries.

Was ein Skilehrer zum warmen Winter in den Alpen sagt

Auch Tobias Papistock lebt vom Wintersport. Seine Familie betreibt schon lange eine Skischule und einen Skiverleih in Oberammergau. Das extreme "Auf und Ab" sei schon anders als früher, sagt er. Die Temperatur sei entweder ungewöhnlich hoch – oder besonders niedrig. Der vergangene Winter sei etwa einer der besten seit Jahren gewesen, häufig schönes Wetter und trotzdem kalt.

Doch auch jetzt funktioniere der Wintersport auf den niedrigeren Bergen in Oberammergau gut, nicht nur rund um die Zugspitze im nahen Garmisch-Partenkirchen. Seit Jahrzehnten hat die Familie das Geschäft, spezialisiert hat sie sich auf die Wintersaison. An ein Ende des Wintersports in Bayern glaubt Papistock nicht.

Allen ist klar: Auch wenn es warme Winter schon immer gab und es auch heuer wieder kalt werden kann, so werden die Kälteperioden kürzer und seltener werden, für die Skigebiete wird es schwerer, ja. Aber ob wir uns vielleicht insgesamt vom Skifahren verabschieden müssen, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bereits 2016 fragte, darauf haben in den letzten echten Wintersportorten Bayerns viele eine klare Antwort.

Loading...
Loading...
Loading...

Warum Skigebiete in Bayern für ihren Erhalt werben

Geschäftsführerin Antonia Asenstorfer etwa, deren Verbund "Alpen Plus Partner" in den Alpen zwischen Isar und Inn Skipässe verkauft und Bergbahnen betreibt. Sie wirbt dafür, Skigebiete in Bayern zu erhalten: Denn die vielen Skifahrer etwa aus dem nahen München würden ohne die bayerischen Pisten nicht aufhören, zu fahren. Stattdessen schätzt sie, dass die Wintersportler in weiter entfernte Regionen ausweichen würden.

Das Resultat: längere Anreisen, mehr Schadstoffausstoß, rechnet sie vor. Die Bilanz wäre schlimmer als die der Schneekanonen, die es in Bayern aktuell braucht. Der Freistaat Bayern sieht das offenbar ähnlich: Er subventioniert die Skigebiete mit öffentlichem Geld. Auch in 20 Jahren werde man in Bayern sicher noch Skifahren können, in den Wintersportgebieten wie Spitzingsee, Oberammergau oder Lenggries.

In Lenggries bleibt man auch im warmen Winter entspannt

Obwohl bei ihm aktuell nur wenige Gäste einquartiert sind, gibt sich auch Andreas Feuerer in seinem Hotel Lenggrieser Hof betont entspannt. Das Weihnachtsgeschäft war gut, nach den Ferien sei es immer ruhiger, in den kommenden Wochen sei das Hotel nach aktuellem Stand der Reservierungen zu 80 Prozent ausgelastet – auch wenn noch ein paar Absagen kommen könnten, wenn die Skirennen ausfallen würden.

Aber auch bei ihm gelte: Die Sommersaison sei inzwischen wichtiger. "Es ist bisher ein schwerer Winter und vielleicht leiden manche auch darunter, ja", sagt er. "Aber wenn die Touristen im Winter weniger Geld fürs Skifahren ausgeben, haben sie im Sommer vielleicht mehr fürs Radeln übrig."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Gespräch mit Martin Gerner
  • Gespräch mit Antonia Asenstorfer
  • Gespräch mit Andreas Feuerer
  • Gespräch mit Harald Gmeiner
  • Gespräch mit Tobias Papistock
  • faz.net: "Leise kriselt der Schnee"
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website