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"Bavarian Airlines": Schwere Betrugsvorwürfe gegen Gründer Adem Karagöz


Teenager will Fluglinie gegründet haben
Alles nur ein Schwindel? Brisante Vorwürfe gegen "Bavarian Airlines"


Aktualisiert am 06.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Bavarian Airlines, Adem Karagöz, Start-up, Betrug, Betrugsvorwürfe, 18-JährigerVergrößern des Bildes
Adem Karagöz in Düsseldorf (Archivbild): Karagöz hat viel Aufmerksamkeit erhalten, weil er die Fluglinie "Bavarian Airlines" etablieren will. Nun stehen massive Vorwürfe gegen ihn im Raum. (Quelle: Privat)

Es klang wie ein gutes Drehbuch: Ein 18-Jähriger will mit einer Fluglinie der Lufthansa Konkurrenz machen. Doch hinter dem Start-up könnte eine Betrugsmasche stecken.

Er ging wochenlang durch alle Medien, gab unter anderem ein Interview bei RTL: Adem Karagöz, nach eigenen Angaben 18 Jahre alt, kündigte an, eine Fluglinie namens "Bavarian Airlines" gründen zu wollen. Der Jungunternehmer will schon als Berater bei den Vereinten Nationen gearbeitet und Immobilienprojekte umgesetzt haben.

Nun also eine neue Fluglinie mit einer ganz speziellen "First Class", die einen von wenigen Platzhirschen dominierten Markt aufmischen will. Dazu soll noch eine eigene Kryptowährung gelauncht werden, die das angeblich veraltete Meilensystem ablösen soll. Eine Geschichte, wie sie Medien lieben: New Economy versus Old Economy, David gegen Goliath. Karagöz sorgte für Aufsehen.

Leider ist auch diese Geschichte mutmaßlich zu schön, um wahr zu sein. Branchenkenner haben zusammen mit Journalisten die unglaubliche Geschichte des Adem Karagöz recherchiert. Gefunden haben sie zahlreiche Ungereimtheiten und Vorwürfe von Geschäftspartnern.

"Bavarian Airlines" hat wohl nie einen Handelsregistereintrag beantragt

So berichtete das Magazin "Gründerszene" Ende Februar, es würden weder in Darmstadt noch in München Anträge auf einen Eintrag im Handelsregister vorliegen. So steht es aber auf der Website von "Bavarian Airlines". Als Postadresse dient Caya, ein Start-up aus Berlin, das eingehende Briefe digitalisiert, ohne dass der Nutzer vor Ort sein muss.

Im Impressum der angeblichen Fluglinie taucht neben der deutschen GmbH eine weitere Firma auf: die Bavarian Airlines Ltd. aus London. Sie gehört dem 18-jährigen Karagöz und soll für die Finanzdienstleistungen der "Bavarian Airlines" zuständig sein. Diese Limited hieß vor Kurzem jedoch noch Hessische Finanzgruppe Ltd. Wer hier im Netz nach Informationen sucht, stößt auf eine Reihe von inzwischen offline genommenen Webseiten. Dank digitaler Recherchewerkzeuge wie Archive.org und Google Cache sind viele der vermeintlich gelöschten Informationen aber weiterhin abrufbar.

"Gründerszene" recherchierte im Netz weiter und stieß auf weitere, mittlerweile offline genommene Internetanbieter von Finanz- oder Immobilienprodukten, die alle in Verbindung mit Karagöz und "Bavarian Airlines" stehen: So verkündete das angebliche Finanzunternehmen Extoro, 25 Millionen Dollar an Kundengeldern zu verwalten, im Netz finden sich aber keine seriösen Belege zu dem Unternehmen.

Mutmaßliches Betrugsschema hinter "Bavarian Airlines"

Die Firmenadresse führt zu einem weiteren Anbieter virtueller Postfächer, Büros gibt es dort nicht. Fotos von Geschäftsführern sind aus dem Netz gezogene Stock-Fotos. Mehr oder weniger nur eine Person scheint real zu sein: Adem Karagöz. Mittlerweile hat sich "Bavarian Airlines" jedoch auch offiziell ins Lobbyregister des Deutschen Bundestags eingetragen.

Die Recherchen von "Gründerszene" und Co. offenbaren ein mutmaßliches Betrugsnetzwerk um Karagöz, in dem ein Kryptotoken namens "HXG" die Hauptrolle spielt. Dahinter verbirgt sich mutmaßlich ein Schneeballsystem, das nur wenige Gewinner kennt. Die Recherchen decken ein fragwürdiges Projekt nach einem "Pump and Dump"-Schema auf: Hierbei wird eine Nachfrage zu einer Kryptowährung simuliert, hinter der keine reale Substanz steckt. Steigen die Kurse, stoßen die Verantwortlichen ihre Anteile ab.

In einem Interview mit t-online vor wenigen Wochen wurde Karagöz gefragt, woher er sein Geld für die Airline habe, die er nun gründen wolle. Die Antwort: "hochriskante, aber profitable Investitionen während des Booms der Kryptowährungen der vergangenen Jahre". Nun ist er eigenen Angaben zufolge auch im Immobiliensektor tätig. Einen Nachweis für den Bau von 150 Wohnungen in Darmstadt, den Karagöz im Gespräch mit t-online behauptet, gibt es aber wohl nicht. "Gründerszene" hat bei der Bauaufsicht der Stadt nachgefragt, dort ist nichts von einem solchen Projekt bekannt.

Ist Adem Karagöz erst 15 Jahre alt?

Die Geschichte hinter Karagöz wird immer verworrener: Laut "Gründerszene" gibt es viele Hinweise, dass Karagöz, der sich in der Öffentlichkeit als 18-Jähriger präsentiert, erst 15 Jahre alt ist. Zudem würden seine Geschäftspartner berichten, dass er Rechnungen von mehreren Hunderttausend Euro nicht bezahlt habe.

"Gründerszene" sichtete, zusammen mit dem Branchenexperten Sebastian Steinbach, Dokumente und sprach mit Beteiligten. Steinbach hatte zuvor in seinem "Air-Crash"-Podcast die Airline-Pläne von Adem Karagöz' "Bavarian Airlines" analysiert und als nicht realisierbar eingeschätzt.

Besonders brisant ist aber der Vorwurf, dass Adem Karagöz nicht volljährig sei. Nach Recherchen von "Gründerszene" und Steinbach habe ein Lichtbildausweis von Karagöz bewiesen, dass er erst 15 Jahre alt sei. Hintergrund ist, dass der saarländische Unternehmer Michael Lampel seit Anfang 2023 Karagöz beriet und stutzig wurde, als er von den ersten Recherchen in diesem Fall erfuhr.

In der Folge kam es zu weitreichenden Anschuldigungen durch Lampel: Der Investor finanzierte, so sagt er im Gespräch mit t-online, Flüge, Hotelaufenthalte, Geschäftsessen und mehr. Rund 45.000 Euro fordert Lampel nun von Karagöz zurück. Insgesamt sind es laut Lampel mittlerweile rund eine halbe Million Euro an nicht beglichenen Rechnungen, die unter anderem über sein Netzwerk zustande kamen, für Consulting, ein Security-Unternehmen und PR. Denn noch sei kein Vertrag mit ihm gekündigt.

Personalausweis soll Minderjährigkeit von Karagöz beweisen

Der saarländische Investor hat Karagöz schließlich eine kleine Falle gestellt, bei der auch der Flugbranchen-Experte Steinbach involviert war. Nach Angaben von "Gründerszene" sprachen Karagöz und Lampel in Berlin miteinander. Steinbach hat nach eigenen Aussagen mitgehört. Dabei soll Karagöz zugegeben haben, erst 15 Jahre alt zu sein.

Lampel beendete seine Zusammenarbeit mit Karagöz, die Website von "Bavarian Airlines" ist seitdem nicht mehr erreichbar. Steinbach war es auch, der Karagöz am Flughafen Düsseldorf von der Bundespolizei aufgreifen ließ. Dabei sei erneut das Alter von 15 Jahren festgestellt worden. In der Branche, so der Experte, sei Karagöz nun verbrannt.

Laut Ex-Berater Lampel sei es dabei um die Feststellung der Ausweisdokumente gegangen. Wie der Investor im Gespräch mit t-online weiter bestätigt, will er Strafanzeige gegen Karagöz wegen gewerbsmäßigen Betrugs stellen. Und am Montag soll bereits eine einstweilige Verfügung gegen Karagöz eingereicht werden.

"Bavarian Airlines"-Gründer erhebt schwere Vorwürfe

Dass er am Flughafen festgehalten wurde, bestätigte Karagöz auch gegenüber t-online. Er habe aber rasch wieder seiner Wege gehen können. T-online erreicht Adam Karagöz relativ kurzfristig in dieser Woche. Schnell ist zu merken, hier hat jemand Redebedarf. Karagöz sagt, grundsätzlich weise er erst einmal alle Vorwürfe zurück.

Er sei unter einem Vorwand nach Berlin gelockt worden und wollte dort über seine geplante Airline sprechen. Einen Lichtbildausweis irgendeiner Art habe er dabei nicht vorgezeigt. Das Vorgehen der Bundespolizei in Düsseldorf bezeichnet er als "entwürdigend". Nachfragen, ob dabei sein Alter festgestellt wurde, ignoriert er.

Dann geht Karagöz in die Offensive: Lampel sei selbst bereits früher in zweifelhafte Unternehmungen verstrickt gewesen. Karagöz spielt dabei auf einen Betrugsskandal um den früheren Fußballer Eike Immel an, dem Michael Lampel einst nach Mediendarstellungen eine hohe Summe lieh. Der Berater aus dem Saarland, sagt Karagöz, habe ihn in diese Mandantschaft "hineingelockt". Er habe eigene Beweise in SMS, E-Mails und Sprachnachrichten abgespeichert, die zeigen würden, dass hier gegen ihn konspiriert werde.

Der Vater von Adem Karagöz könnte in den Fokus geraten

Auch zum noch immer fehlenden Handelsregister-Eintrag hat Karagöz eine Erklärung: Mit-CEO Nathanel Pretzel sei von heute auf morgen ausgestiegen, nur mit seiner Unterschrift könne der Eintrag abgeschlossen werden. "Ich werde die Unternehmung nun alleine durchziehen." Und: Grundsätzlich habe er Interesse an einer außergerichtlichen Einigung mit seinem einstigen Geschäftspartner.

Im Fokus des mutmaßlich geprellten Beraters stehen nun auch der ehemalige Mit-CEO Nathanel Pretzel und der Vater von Karagöz. Sie waren laut Lampel während eines Treffens auf Malta dabei. Lampel sagt, er bezweifle, dass ein 15-Jähriger solch eine Aktion ohne Mitwisser aufziehen könne. T-online liegen Fotos vor, die verschiedene Ausweise von Adem Karagöz zeigen. Welcher nun stimmt, ist so einfach nicht zu verifizieren. Die Geschichte rund um Adem Karagöz wird nicht nur die Medien wohl noch längere Zeit beschäftigen.

Verwendete Quellen
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