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Bayern auf dem Drogen-Irrweg: Warum das Cannabis-Reinheitsgebot nicht kommt


Cannabis-Reinheitsgebot
Bund gegen Bayern - beide liegen falsch

MeinungVon Alexander Spöri

Aktualisiert am 13.04.2023Lesedauer: 3 Min.
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Bayern im Twitter-Kampf gegen Berlin (Symbolbild): Warum die Cannabis-Legalisierung so nicht funktionieren kann.Vergrößern des Bildes
Bayerns Spitze im Twitter-Kampf gegen die Berliner Ampel (Symbolbild): Warum die Cannabis-Legalisierung so ohnehin nicht funktioniert. (Quelle: Imago Images)

In Bayern läuten bereits die Alarmglocken: Die Cannabis-Legalisierung soll kommen. Doch die Strategie der Ampel-Regierung ist ohnehin zum Scheitern verurteilt.

Deutschland hätte die Drogenpolitik modernisieren können. Denn das erste Eckpunktepapier zur Cannabis-Legalisierung aus dem Oktober 2022 versprach viel. Doch im aktuellen Eckpunktepapier, das Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) am Mittwoch in Berlin vorstellten, steht nicht das, was der Bevölkerung eigentlich versprochen wurde. Redliches Bemühen der Ampel-Koalitionäre war erkennbar. Trotzdem ist der Vorschlag unzureichend.

Statt in "lizenzierten Fachgeschäften" soll die Droge jetzt nämlich in "Cannabis-Clubs" verkauft werden. Die ursprünglich geplanten Fachgeschäfte sollen in wenigen Modellregionen zuerst fünf Jahre lang getestet werden – ein großer Rückschritt, der vor allem in Bayern für gute Laune sorgen dürfte. Denn die Legalisierung im Bund geht wesentlich schleppender voran als zunächst gedacht.

Die Bayern meinen das Problem erkannt zu haben

Doch seltsamerweise gibt es in Bayern überhaupt keine Partystimmung. CSU-Generalsekretär Martin Huber spricht vom "Lauterbach-Murks", Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) meint die Regierung sollte sich lieber um "Impfschäden" kümmern und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spricht von einem "Irrweg". Um es in CSU-Sprech zu sagen: für überspitzte Behauptungen gibt es allerdings auch kein Tor im 0:0-Remis gegen die Ampel.

Die eigentlichen Ziele, die für eine Cannabis-Legalisierung sprechen, verfehlt die Ampel-Regierung meilenweit. Darunter: Jugendschutz, bessere Qualität und der Verdrängung der Drogen-Mafia. Legalisierung funktioniert eigentlich anders: Mit konsequentem Jugendschutz, der Bekämpfung des Schwarzmarkts und durch strenge Qualitätskontrollen, wie zum Beispiel in kanadischen "Dispensaries", einer Apotheke für Gras, in der rechtliche Vorgaben strenge Beachtung finden.

Schwarzmarkt wird nicht verdrängt

Doch der geplante Verkauf in deutschen Cannabisclubs, wird den Schwarzmarkt nur minimal verdrängen. Denn viele Cannabiskonsumenten werden freilich keine aufwendige Mitgliedschaft beantragen. Warum auch? Der Weg zum nächsten Dealer ist unkomplizierter. Auch, wenn Konsumenten weiterhin in die Gefahr laufen von der Polizei, die in Bayern besonders hart zuschlägt, erwischt zu werden. 2021 wurde unter anderem ein Fall aus Erding bekannt: Damals wurde ein 24-Jähriger, der eine Kleinstmenge (0,14 Gramm) Cannabis bei sich führte, zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe ausgelegt auf drei Jahre Bewährung verurteilt.

Beim Dealer ist die Gras-Qualität vermutlich schlechter, obwohl auch nicht klar ist, ob sie in Cannabisclubs wirklich besser wird. Der Hintergrund: Die Regierung will die Cannabisclubs auf nur 500 Mitglieder limitieren. Das wird zu einem gewaltigen Anstieg dieser Vereine führen, die die Behörden am Ende in ihrer Vielzahl gar nicht mehr auf dem Schirm haben können.

Bayerische Beamte auf der Suche nach dem guten Stoff

Wer den Wirkstoff dann kontrollieren soll? Laut dem Eckpunktepapier die Landesbehörden. Bayerische Beamte, die stichprobenartig Gras kontrollieren – eine fast irrwitzige Vorstellung. Mit welchen organisatorischen Herausforderungen das verbunden ist und wie das überhaupt funktionieren soll – davon findet sich im Eckpunktepapier zu wenig.

Und der Jugendschutz? Der bleibt ebenso wieder einmal auf der Strecke. Eine Analyse der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) aus dem Jahr 2022 zeigt, dass die Hälfte aller Jugendlichen im Alter von 18-25 Jahren bereits gekifft haben. Deutschlandweit verdoppelte sich außerdem von 2016 bis 2021 die Zahl jugendlicher Drogentoten, die jünger als 22 Jahre sind.

Anlass zur Verunsicherung? Nicht in Bayern. Anstatt Jugendliche auf die Risiken ihres Konsums hinzuweisen und ihnen lösungsorientierte und realistische Tipps im Umgang mit Drogen mitzugeben, setzen das bayerische Kultusministerium und Markus Söder lieber auf eine autoritäre Aufklärung: "Hände weg von Drogen" – eine antiquierte Vorgehensweise, die bei den hohen Konsumzahlen wenig sinnvoll ist.

Bayern ist auf einem Abstiegsrang

Doch nicht nur bei der Aufklärungsarbeit ist Bayern auf einem Abstiegsrang. Auch sicherer Drogenkonsum durch Drug-Checking ist in Bayern nicht möglich, genauso wenig wie straffreier Drogenkonsum in Suchteinrichtungen. Stattdessen greifen die Behörden lieber übertrieben hart durch, setzen auf eine "Nulltoleranzpolitik" und erschweren Jugendlichen und Erwachsenen ihr Berufsleben. Denn viele Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bleiben bis zu zehn Jahre im Führungszeugnis. Im Jahr 2019 waren es 35.000 Verstöße allein in Bayern, wie Karl Lauterbach auf Twitter schrieb.

Trotz der vielen Cannabis-Konsumenten auch in Bayern versucht man hier weiter an der Politik des Verdrängens mit harter Hand festzuhalten – anstatt verantwortungsbewusst nach einer gesellschaftlich verträglicheren Lösung zu suchen: Im Justizministerium, wenn es um Strafen geht, und im Kultusministerium bei der Aufklärung. Doch die Verantwortlichen stoßen in Bayern viel lieber auf ein Bier an.

Verwendete Quellen
  • Tweets von Martin Huber, Hubert Aiwanger und Markus Söder
  • Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Gesundheit
  • Eigene Recherchen
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