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Bei Münchner Tafel werden Lebensmittel knapp


Tafel in München sorgt sich
"Die Lage der Armen spitzt sich zu"

Von Jennifer Lichnau

21.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Ein Ehrenamtlicher verteilt Lebensmittel an der Ausgabestelle der Münchner Tafel e.V. in der Arcisstrasse in München (Archivbild): Die Lebensmittel werden knapp, die Zahl der Bedürftigen steigt.Vergrößern des Bildes
Ein Ehrenamtlicher verteilt Lebensmittel an der Ausgabestelle der Münchner Tafel e. V. in der Arcisstraße in München (Archivbild): Die Lebensmittel werden knapp, die Zahl der Bedürftigen steigt. (Quelle: Wolfgang Maria Weber/imago-images-bilder)

Die Tafel in München befürchtet, dass sie bald keine Menschen mehr aufnehmen kann. Inflation, gestiegene Preise und der Ukraine-Krieg treiben Menschen in die Armut. Die Tafeln brauchen Geldspenden.

Arif Haidary ist arm. Aber er schämt sich nicht. Auch nicht, wenn er mit anderen Bedürftigen bei der Essensausgabe der Tafel ansteht. Er arbeitet als Mediengestalter. Das Gehalt reicht nicht für ihn und seine Familie. Sie sind 2015 aus Afghanistan geflohen. Seit drei Jahren kommt er zur Tafel.

"Vielleicht ist es unangenehm, hier anzustehen", sagt Haidary. "Viel unangenehmer ist aber die Armut der Rentner, die 40 Jahre gearbeitet haben und trotzdem zur Tafel kommen müssen. Politiker sagen, Bayern ist reich, aber Bayern ist arm."

Er hat recht. Obwohl Bayern zu den wohlhabenden Bundesländern gehört, sind laut "BR Data" 22 Prozent der über 65-Jährigen von Armut bedroht. Das sind teilweise deutlich mehr als in anderen Bundesländern. 2017 lebten in der Landeshauptstadt München 17 Prozent der Menschen in Armut. Neuere Zahlen gibt es nicht. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl seither gestiegen ist.

Corona, Inflation, Krieg: "Die Situation der Armen spitzt sich zu"

"Die Situation der Armen spitzt sich zu", sagt Axel Schneider, Vorstand der Münchner Tafel. Durch die Corona-Krise, durch die Inflation und jetzt durch den Krieg gegen die Ukraine. Er sitzt an einem Biertisch auf dem Großmarkt in München und lächelt, beinahe so, als wolle er der Situation trotzen.

Die rund 300 Menschen, die hier in der Schlange stehen, lächeln nicht. Sie sind das erste Mal hier. Sie kommen aus der Ukraine und warten auf ihre gelbe Berechtigungskarte, die alle Stammgäste bereits um den Hals tragen. An diesem Wochenende sind insgesamt 1.300 Menschen da, mehr als doppelt so viele wie noch vor zwei Wochen. Ein logistischer Kraftakt und eine Geduldsprobe für alle, die auf Essen warten. "Heute gab es schon Tränen", sagt Steffen Horak, Pressesprecher der Tafel.

Supermärkte spenden weniger

Weniger Lebensmittel, mehr Bedürftige und steigende Preise für Gemüse, Speiseöl und Sprit. Die Tafel in München bedient 800 Abholpunkte mit insgesamt 19 Lkws, die betankt werden müssen. Auch hierfür wird das Geld knapp.

Die Tafel ist dringend auf Geldspenden angewiesen. Die Supermärkte und Großhändler kämpfen selbst mit knappen Lebensmitteln und spenden weniger. Vergangene Woche habe die Tafel Lebensmittel im Wert von rund 13.000 Euro zukaufen müssen, schätzt Schneider. Aktuell unterstützt die Einrichtung 22.000 Menschen monatlich.

Menschen auf der Flucht sind auf Hilfe angewiesen

Die Lage war schon vor dem Krieg prekär. Die nächsten Monate werden herausfordernd für die Tafel. "Wir wollen aber niemanden ohne Essen nach Hause schicken", sagt Steffen Horak." Auch nicht die Geflüchteten. Im Gegenteil, besonders ihnen soll schnell und unbürokratisch geholfen werden. Deswegen wurde eine Telefonnummer eingerichtet, unter der sich Ukrainer anmelden können. Dieses Wochenende waren es jedoch so viele, dass es einen vorläufigen Aufnahmestopp für die Geflüchteten gibt.

Arif Haidary hat das Anstehen hinter sich. Er bringt die Lebensmittel jetzt nach Hause zu seinen Eltern, die nicht mehr so schwer tragen sollen. Für ihn ist die Tafel nicht nur Essensausgabe. Er kommt gerne hierher, manchmal hilft er auch. "Es ist ein menschlicher Ort und ein solidarischer", sagt er. Er ist froh, dass den Ukrainern geholfen wird. "Es ist total egal, wo man herkommt. Menschen auf der Flucht sind auf Hilfe angewiesen."

Armut sieht man nicht, man spürt sie

Hinter ihm raucht eine Frau ihre E-Zigarette in der Sonne. Als sie zurück in die Schlange geht, streicht sie ihrem Sohn über die Jacke, als wollte sie einen Schmutzfleck wegwischen. Die beiden stecken die Köpfe zusammen, reden und lachen. Sie fällt nicht auf. Es sind viele Eltern und Kinder hier. Armut sieht man nicht, aber man spürt sie.

Die Frau will nicht fotografiert werden oder ihren Namen nennen. Sie ist das erste Mal hier. Vor einigen Wochen ist sie mit ihrem Sohn aus der Ukraine geflohen. "Es ist hart hier anzustehen, aber wir machen, was wir machen müssen", sagt sie.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Steffen Horak, Pressesprecher der Münchner Tafel, am 18.03.2022
  • Gespräch mit Axel Schweiger, Vorstand der Münchner Tafel, am 19.03.2022
  • Gespräch mit Arif Haidary, am 19.03.2022
  • Gespräch mit Geflüchteter aus der Ukraine, anonym, am 19.03.2022
  • Eigene Beobachtungen vor Ort am 10.03.2022
  • BR Data: Gefahr von Altersarmut in Bayern
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