Von Söder bis Presssack: Diese Dinge sind typisch frÀnkisch
Was ist typisch frĂ€nggisch? Franken ist mehr als Markus Söder und Lebkuchen. Das zeigt die neue Bayerische Landesausstellung. Eine nicht ganz ernstgemeinte Reise durch Franken â von Presssack bis PreuĂen.
Mal so in die Runde gefragt: Was ist typisch fĂŒr Franken? FrĂ€nkisch reimt sich auf zĂ€nkisch, behaupten viele, vor allem Ober- und Niederbayern. Gehen alle echten Franken zum Lachen in den Keller, wie es heitere RheinlĂ€nder, die hier leben (mĂŒssen), erzĂ€hlen?
Ein buntes Karussell von SchaustĂŒcken zeigt BratwĂŒrste, Lebkuchen, Bocksbeutel, exotische Biersorten, putzige FachwerkhĂ€user und trutzige Burgen, den rot-weiĂen Frankenrechen und SpontisprĂŒche wie "Wir sind Franken, keine Bayern".
Es steht am Eingang dieser neuen Ausstellung, die sich detailliert und auch ein wenig ratlos mit der Frage beschÀftigt: "Typisch Franken?" Bis November 2022 findet sie in der Orangerie im Hofgarten in Ansbach statt.
1. FrÀnkische Kulinarik
Nirgends auf der Welt hat man sich mit solcher Liebe toter Schweine angenommen: eine riesige Vielfalt von Wurstsorten mit Namen wie Stadtwurst, roter und weiĂer Presssack, gerĂ€ucherte GriefenwĂŒrschtla kĂŒnden davon. FĂŒr die berĂŒhmten BratwĂŒrste wird das BrĂ€t in den Darm von Schweinen eingefĂŒllt, mit der typischen Fettnaht und langsam, ohne Druck. Bradwörschd gibt es in vielen GröĂen und Dicken, unterschiedlich gewĂŒrzt, hĂ€ufig mit Majoran versehen.
Auch ein Gedicht: Das SchĂ€ufala, mit KloĂ und SoĂ versehen, ist aus der Schulter des Schweines entfernt, mit Knochen unten und einer besonders groĂen Kruste oben.
Nirgends gibt es so viele (kleine) Brauereien mit eigenen Biersorten wie in Franken. Auf kargen Bergen wachsen Silvaner-, MĂŒller-Thurgau-, Bacchus, Riesling- oder Kernerreben von besonderer Klasse. Die WeiĂweine werden von Kennern weltweit geschĂ€tzt.
FrÀnkisches Brot darf nicht vergessen werden, Sauerteige, Vollkorn- Krustenbrote oder salziges GebÀck wie DörrplÀtz. In der Ausstellung werden vor allem Bratwurst und Bier thematisiert.
2. Franken auf frÀnkisch
Sprachlich gesehen sind die Franken fĂŒhrend im deutschsprachigen Raum, schon durch das groĂe dichterische Vorbild Jean Pauls (geboren 1763 in Wunsiedel, nahe Bayreuth), dem wir Wortneuschöpfungen wie GĂ€nsefĂŒĂchen, Schmutzfink, Angsthase, Luftschiffer, Schlafrock, Wetterfrosch oder Weltschmerz verdanken.
Dicht gefolgt vom legendĂ€ren Mittelfeldantreiber Lothar MatthĂ€us, dessen AusflĂŒge ins Englische ("again what learnt") stilbildend sind. "Loddar" ist auch ein Vorbild fĂŒr das "weiche d" und das "rollende r", eine frankentypische Dialektakrobatik, die er vornehmlich im Bezahlsender Sky im Rahmen von Champions League-Berichterstattungen vorfĂŒhrt.
3. Der Franken-Tatort
Vier von acht sogenannten Franken-Tatorten wurden von Max FÀrberböck inszeniert (meist stammt auch das Drehbuch von ihm), der aus Oberbayern stammt und in Hamburg lebt. Das FrÀnkische ist ihm völlig fremd geblieben.
Ăberhaupt spielen die Tatorte zwar in Bamberg, FĂŒrth und NĂŒrnberg, haben aber nichts Landestypisches an sich, die Versuche Dialekt zu sprechen, scheitern selbst in kleineren Rollen klĂ€glich.
Einzig die Figur des Leiters der Spurensicherung, Michael Schatz, ist in dieser Hinsicht gelungen. Gespielt wird sie vom Kabarettisten Matthias Egersdörfer, wohnhaft in FĂŒrth, der so gezeichnet wird: "Seine Begabung, die unmenschlichsten Dinge in sehr, sehr einfache Worte zu kleiden, lĂ€sst so manchen verstummen. Dennoch tĂ€uscht seine stoische Art, das Leben und seine Katastrophen zu kommentieren, keinen Eingeweihten mehr darĂŒber hinweg, wie treffsicher dieser Mann ZusammenhĂ€nge analysieren kann."
Die Klage, dass Egersdörfer in der Ausstellung fehlt, pariert der Ausstellungsmacher und WahlallgĂ€uer Riepertinger schlagfertig: "Stimmt nicht, er hat die Texte fĂŒr den frĂ€nkischen Audioguide gesprochen."
4. FuĂball: Der Glubb
Oh je. Der 1. FC NĂŒrnberg, genannt der Club (mit "C"), gegrĂŒndet am 4. Mai 1900, ist wie alle Traditions-FuĂballvereine kein Klub, sondern eine Glaubenssache. "Mit neun Meisterschaftserfolgen sowie vier Titeln im DFB-Pokal zĂ€hlt das GrĂŒndungsmitglied der Bundesliga zu den erfolgreichsten Vereinen des Landes", steht auf Wikipedia. "1968 gewann der Verein letztmals die deutsche Meisterschaft und stieg ein Jahr spĂ€ter erstmals ab." Seitdem machen die Rot-Schwarzen als berĂŒhmte Fahrstuhlmannschaft von sich reden â auf und nieder, immer wieder.
In der Ausstellung wird im Kontext erfolgreicher frĂ€nkischer Unternehmen ein Paar Adidas Schraubstollenschuhe von NĂŒrnbergs WM-Star Max Morlock gezeigt. Er erzielte seine 286 Liga-Tore mit Schuhen des Herzogenauracher Weltunternehmens.
5. FrÀnkische Geschichte
Franken ist eine bis heute nicht genau abgegrenzte Region im Norden des Freistaates Bayern, Teilen Baden-WĂŒrttembergs und SĂŒdthĂŒringens sowie Hessens. Das Frankenland gilt seit jeher als "kulturell extrem vielfĂ€ltig", zersplittert, uneins â "aus der territorialen AuffĂ€cherung erwachsen kulturelle Vielfalt und lokale IdentitĂ€t", resĂŒmiert der Dr. Ausstellungsmacher Rainhard Riepertinger im GesprĂ€ch mit t-online.
Ohne hier nĂ€her darauf eingehen zu können: Typisch sind eigenstĂ€ndige Gebiete, wie die freie Reichsstadt NĂŒrnberg, FĂŒrth unter der Dreiherrenwirtschaft, das preuĂische FĂŒrstentum Ansbach. Seit 1806 gehören Ober-, Unter- und Mittelfranken zu Bayern. Im Nationalsozialismus erwies sich Franken, besonders der protestantische Teil, als sehr aufgeschlossen gegenĂŒber der NS-Ideologie. Davon zeugen vor allem in NĂŒrnberg einige NS-Bauten.
6. Franken und die PreuĂen
FĂŒr die preuĂischen Nachfahren der ehemaligen Herren ĂŒber die MarkgrafentĂŒmer Ansbach und Bayreuth haben die Ausstellungsmacher ein SchaustĂŒck gefunden, das allein die StĂ€dtereise aus Berlin ins beschauliche Ansbach lohnt: Im 19. Jahrhundert war Bad Kissingen ein Kurort von Weltgeltung. Der MinisterprĂ€sident und spĂ€tere erste deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck, ein PreuĂe von fast frĂ€nkischer Genussliebe und Korpulenz, lieĂ sich hier regelmĂ€Ăig wieder in Schuss bringen.
Die Ergebnisse wurden beim tĂ€glichen Wiegen dokumentiert â diese prachtvolle "Bismarck-Waage" ist in der Ausstellung zu sehen: "Morgens Steak, abends Eis, dazu reichlich Champagner â der stressgeplagte Otto von Bismarck litt an Ăbergewicht, Gastritis und Gicht. 15 Mal fuhr er deswegen zur Erholung nach Kissingen in Unterfranken. Und dort lieĂ er sich jedes Mal wiegen. Wer das öffentliche Wiegen des Reichskanzlers auf der Waage an der Salinenpromenade verpasste, konnte die Ergebnisse in der Zeitung lesen."
7. Die Ausstellung in Ansbach
Nicht Bayerns frÀnkischem König Markus I. (Söder), sondern dem VorgÀnger, dem IngolstÀdter Oberbayern Horst Seehofer verdanken die Franken die Landesausstellung "Typisch Franken?".
FĂŒr die Konzeption der sogenannten "Bayerischen Landesausstellungen", die vom bayerischen Wissenschaftsministerium mit 1,5 Millionen Euro ausgestattet sind, ist Rainhard Riepertinger zustĂ€ndig, ein gebĂŒrtiger MĂŒnchner â und in der Szene wohlbekannt.
Riepertinger hat sich mit dem Blick des Unterhaltungsprofis ("Ein Museum muss SpaĂ machen. Wir sind Dienstleister, kein Elfenbeinturm der Wissenschaft") auf die Spurensuche begeben und viel Sehens- und Wissenswertes ausgegraben: Eine Lostrommel aus dem 18. Jahrhundert, wo es nicht etwa Geldpreise, sondern Waren der Porzellanmanufaktur Bruckberg zu gewinnen gab â eine verkaufsfördernde WerbemaĂnahme.
Aus Bad Windsheim stammen sprichwörtliche, echte Kerbhölzer, deren historischer Zweck so beschrieben ist: "Schuldner und GlĂ€ubiger erhielten je ein StĂŒck eines eingeritzten Holzes, dessen Riffelung einzigartig war â nur jeweils zwei Teile passten genau aufeinander. Waren die Schulden beglichen, wurden die HolzstĂŒckchen "abgekerbt".
Weiter spannend: Die Liebeswirren Ansbacher Markgrafen, ihrer Ehefrauen und ihrer Geliebten mit Bildern. Eine seltene Druckplatte des berĂŒhmten (und als Unternehmer extrem erfolgreichen) Albrecht DĂŒrer. Vieles Sehens- und Wissenswertes aus frĂ€nkischen Landen und Zeiten.
Die Frage, was ist typisch Franken, bleibt am Ende den Besucherinnen und Besuchern ĂŒberlassen: Sie dĂŒrfen darĂŒber abstimmen, die Ergebnisse werden live eingeblendet.