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Hertha BSC: Jürgen Klinsmanns Rückzug – "letztes Wort noch nicht gesprochen"


Machtkampf in Berlin
Bei Klinsmann ist das letzte Wort noch nicht gesprochen

Von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 12.02.2020Lesedauer: 4 Min.
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Michael Preetz (l., im Hintergrund) und Jürgen Klinsmann: Zwei Männer, die zuletzt selten einer Meinung waren.Vergrößern des Bildes
Michael Preetz (l., im Hintergrund) und Jürgen Klinsmann: Zwei Männer, die zuletzt selten einer Meinung waren. (Quelle: Contrast/imago-images-bilder)

Das "spannendste Projekt Europas" hat Jürgen Klinsmann hinter sich gelassen – zumindest als Trainer. Denn im Aufsichtsrat will er bleiben. Das sorgt für Konfliktpotenzial und könnte einen Machtkampf zur Folge haben.

Wenn man liest, wie Jürgen Klinsmann über sein letztes Gespräch mit Michael Preetz spricht, wird vieles über das Verhältnis der beiden Hauptfiguren bei Hertha in den letzten Wochen klar. Nach Klinsmanns "schwerem" Abschied von den Spielern war der Besuch beim Geschäftsführer Sport weitaus kürzer und leichter: "Anschließend bin ich zu Michael Preetz ins Büro, um ihm meine Entscheidung mitzuteilen: 'So mache ich nicht weiter.' Dann habe ich ihm die Hand gedrückt", formulierte es Klinsmann im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung.

Die Spannungen zwischen Trainer und Manager werden deutlich. Sie sind nicht nur wenige Tage alt, sie existieren bereits länger. Der Ursprung der Uneinigkeit liegt in verschiedenen Punkten. Worin sie sich einig waren, war die Vision. Beide träumten von Hertha BSC als Verein, der seinem Titel "Hauptstadtklub" gerecht wird. Als Verein, der sich endlich mit der Konkurrenz aus Rom oder London messen kann.

Die Geduldsfrage beim Geld

Wobei sie sich uneinig waren, waren das Wie und das Wer. Preetz wollte das Geld von Investor Lars Windhorst Stück für Stück ausgeben. 225 Millionen Euro hatte der Tennor-Chef seit dem Sommer 2019 in den Klub gesteckt. "Wir haben gesagt, dass wir das Geld über die nächsten Jahre verteilt investieren werden", sagte er im September im Interview mit t-online.de. Klinsmann sah das offenbar anders. Er wünschte sich teure Investitionen in diesem Winter – und bekam sie auch.

Gleich drei neue Spieler nahm Hertha sofort unter Vertrag, ein weiterer wurde für die neue Saison geholt. 80 Millionen Euro gab der Klub dabei nur an Ablösesummen aus. Damit ging auch ein großer Teil der Windhorst-Investition drauf. Preetz’ langfristiges Denken war darin nicht zu erkennen. Denn wenn man diesen Transfer-Winter unter Klinsmann mit denen aus den vorherigen Jahren vergleicht, dann ist ein klarer Ausschlag zu erkennen.

Nicht nur die investierte Summe für Neuzugänge ist hoch, auch die Anzahl ist untypisch. Preetz hatte in den neun Jahren zuvor insgesamt drei Spieler im Januar geholt (Sinan Kurt, Rune Jarstein, Felix Bastians), nun also vier auf einmal.

Wer hat das Sagen?

Der ganz große Machtkampf spielte sich aber nicht auf dem Transfermarkt ab, sondern bei der Frage der Machtverteilung. Denn auch wenn Preetz in Sachen Kaderplanung zu Kompromissen in der Taktik bereit war, war er das bei der Entscheidungsgewalt nicht. Und dort stießen er und Klinsmann mit den Hörnern aneinander.

Im "Bild"-Interview erklärte Klinsmann, er habe sich für die Zukunft ein Modell nach englischem Vorbild vorgestellt, bei dem der Trainer auch gleichzeitig über die Kaderplanung entscheidet. Doch genau dieses Zugeständnis wollte ihm Preetz nicht machen. Denn das hätte einen massiven Machtverlust des Hertha-Managers bedeutet. Das zentralste Aufgabenfeld, die Lizenzspielerabteilung, wäre ihm praktisch entrissen worden. Das kam für den 52-Jährigen nicht infrage.

Seit 2009 zieht Preetz bei den Berlinern die Fäden. Zuvor war er als Assistent von Dieter Hoeneß bereits mehrere Jahre im Amt gewesen. Auch nach seiner aktiven Karriere ist für den "Langen", wie Preetz bei Hertha genannt wird, der BSC seine Heimat geblieben. Und er ist überzeugt davon, dass das auch noch viele Jahre so bleibt.

Kompetenzen abgegeben hatte er in Bereichen wie Finanzen oder Digitalisierung. Sportlich holte er sich keine weitere Unterstützung, wie es zum Beispiel Dortmunds Michael Zorc mit Ex-Profi Sebastian Kehl tat. Unterstützung wollte Klinsmann aber gar nicht sein. Er wollte mehr derjenige sein, der das Ruder übernimmt. Für Preetz war dieses Vorhaben ein rotes Tuch.

Die Bremse

Dabei hätte Preetz diese Entwicklung erahnen können. Zur Fairness: Vielleicht hat er das auch. Klinsmann war nie der Typ Trainer, der sich rein auf die Arbeit auf dem Platz fokussierte. Er betrachtete sich schon immer mehr als Visionär, der das große Ganze im Blick hat. So war es beim DFB, beim FC Bayern und auch bei der US-Nationalmannschaft. Er baute um, stieß an und veränderte nachhaltig. Dagegen hatte Preetz nichts einzuwenden, aber nur so weit, wie es ihn selbst nicht zu sehr betraf.

Wenn Klinsmann aus Sicht des Hertha-Managers ein bisschen über das Ziel hinausschoss, intervenierte Preetz. "Meine Aufgabe ist es vielleicht, hier und da ein bisschen auf der Bremse zu stehen", sagte er im Winter-Trainingslager in Orlando. "Das muss man sich aber nicht so vorstellen, dass wir nicht gemeinsam in die gleiche Richtung rudern", fügte er damals an. Offenbar taten sie es aber in vielen Punkten doch.

Klinsmann zählte die Vereinsführung, und damit insbesondere Preetz, in seinem Facebook-Statement zu seinem Rücktritt an: "Als Cheftrainer benötige ich für diese Aufgabe (den Klassenerhalt, Anm. d. Red.), die noch nicht erledigt ist, auch das Vertrauen der handelnden Personen." Deshalb zog sich Klinsmann zurück – vorerst.

Preetz steht unter Druck

Sein "Tschüss" ist nämlich mehr ein "Auf Wiedersehen". Klinsmann will im Aufsichtsrat der Hertha bleiben, in dem er seit Anfang November 2019 sitzt. Ein Veto kann der Verein nicht einlegen. Egal wie groß die Spannungen zwischen Preetz und Klinsmann sind. Dieser Platz steht Investor Lars Windhorst zu, der Klinsmann als seinen Vertreter in dieser Rolle auserwählt hat. Und so wird der 55-Jährige weiter in diesem Posten tätig sein.

Nun kann Klinsmann als Mitglied des Aufsichtsrats weder Preetz entlassen noch anderweitig in die Geschicke eingreifen, doch er kann mithilfe Lars Windhorsts intern Druck ausüben. Und auch wenn Preetz seit vielen Jahren im Verein ist, ist seine Weste nicht weiß. Bei Transfers hatte er in den letzten Jahren oft ein gutes Händchen, bei all seinen Trainerentscheidungen war aber nur Pál Dárdai ein wirklicher Volltreffer.

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Preetz steht deshalb unter Druck. Die gescheiterten Amtszeiten von Ante Covic und nun auch Jürgen Klinsmann lassen ihn nicht gerade gut aussehen. Sollte die nächste Lösung auf der Trainerbank nicht sitzen und Preetz’ Konzept für die Zukunft von Hertha BSC nicht gut aussehen, würde das seine Position schwächen – und Klinsmanns stärken.

Und Klinsmann hat mit dem Berliner Klub weiterhin viel vor. Seine Aufgaben beschrieb er bei Facebook als "langfristig angelegt". Und wer weiß, ob er im Falle eines Scheiterns von Preetz nicht doch seinen Wunsch vom Modell des mächtigen Trainers der Hertha erfüllt bekommt.

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