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Didi Hamann: Bayern-Neuzugang Sabitzer? "Mich hat der Transfer gewundert"


Didi Hamann spricht Klartext
"Es wird mit ungleichen Waffen gekämpft"

  • Noah Platschko
InterviewEin Interview von Noah Platschko

Aktualisiert am 11.09.2021Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Didi Hamann: Der 48-Jährige analysiert bei Sky die Spiele der Bundesliga.Vergrößern des Bildes
Didi Hamann: Der 48-Jährige analysiert bei Sky die Spiele der Bundesliga. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Woche für Woche analysiert Didi Hamann beim TV-Sender Sky die Spiele der Bundesliga. Vor dem Topspiel zwischen Leipzig und dem FC Bayern spricht er im großen t-online-Interview über den FC Bayern, die Zukunft des Fußballs und den 11. September.

Didi Hamann ist ein Mann der klaren Worte. Nicht nur bei den Bundesliga-Übertragungen am Samstag oder in seinem neuen Format "Klartext", in dem der Ex-Nationalspieler im Wechsel mit Lothar Matthäus jeden Sonntagabend bei Sky die Fußballthemen des Wochenendes einordnet.

Auch im Interview mit t-online findet der 48-Jährige klare Worte. Vor dem Topspiel am Samstag zwischen RB Leipzig und dem FC Bayern (im Liveticker bei t-online) spricht der frühere Liverpool-Star über den Kader des Rekordmeisters, die Übersättigung des Fußballs und die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft. Und er erinnert sich an den Tag, den er nie vergessen wird. Den geschichtsträchtigen 11. September 2001, als er noch selber auf dem Platz stand.

t-online: Herr Hamann, wie hat Ihnen der Start der Nationalmannschaft unter Hansi Flick gefallen?

Didi Hamann (48): Das war ordentlich. Klar, gegen Liechtenstein hätte die DFB-Elf das ein oder andere Tor mehr schießen müssen, aber ich wäre nicht zu kritisch. Dass sie es deutlich besser können, haben sie dann gegen Armenien und Island unter Beweis gestellt.

Flick nominierte Jungstars wie Jamal Musiala, Florian Wirtz und Karim Adeyemi, gar nicht so alte Offensivspieler wie Julian Brandt, Julian Draxler und Mario Götze spielten keine Rolle. Glauben Sie, dass die drei noch den Weg zurück ins DFB-Team finden?

Brandt und Draxler müssen aufpassen, nicht als ewige Talente verschrien zu werden. Das wird aber nur über Leistung gehen. Wirtz und Musiala sind aktuell einfach besser, deswegen setzt Flick auf sie. Für Mario Götze wird es unheimlich schwer, dafür ist die Liga, in der er spielt, nicht gut genug. Von den drei genannten Spielern hat Julian Brandt sicher das größte Potenzial und die besten Chancen, unter Flick noch mal anzugreifen.

Das nächste Turnier ist schon in 13 Monaten. Manuel Neuer sprach selbstbewusst davon, Weltmeister werden zu wollen – ein zu ambitioniertes Ziel?

Der Anspruch muss da sein, das Ding zu gewinnen. Ich zweifle aber daran, ob wir bis zur WM eine stabile Defensive haben werden. Vorne ist die Mannschaft sehr schlagkräftig, aber hinten mangelt es dem DFB-Team an Spielern von internationaler Klasse. Das ist unsere Achillesferse.

Mats Hummels und Jérôme Boateng, der zuletzt mit einer Rückkehr ins DFB-Team liebäugelte, werden auch nicht jünger.

Du brauchst jemanden, der führt. Niklas Süle wäre vom Potenzial her dazu in der Lage, für die nötige Stabilität zu sorgen. 2014 hatten wir mit Hummels und Boateng zwei Weltklasseverteidiger auf dem Zenit ihrer Karriere. Davon ist die Nationalmannschaft aktuell weit entfernt.

Nach der Länderspielpause steht nun der vierte Spieltag der Bundesliga vor der Tür, am Samstag kommt es zum Top-Duell zwischen Rasenballsport Leipzig und dem FC Bayern. Geht der Titel auch in diesem Jahr nur über die Münchner?

Sie bleiben der klare Favorit. Aber ich bin optimistisch, dass sowohl Leipzig als auch Dortmund die Bayern bis zum Saisonende fordern und wir einen Dreikampf an der Spitze erleben werden. Leipzigs Start war enttäuschend, dabei haben sie jetzt mit André Silva einen absoluten Topstürmer, der sie besser macht. Bei einer Niederlage wären die Münchner aber schon sieben Punkte weg, darum ist das Spiel am Samstag richtungsweisend.

Leipzig droht ein verkorkster Saisonstart mit drei Punkten aus vier Spielen. Der Druck, auch auf den neuen Trainer Jesse Marsch, ist da.

Marsch wird das Vertrauen bekommen. Ich halte ihn für einen sehr fähigen Trainer. In Wolfsburg kannst du verlieren, eine Niederlage gegen Corona-geplagte Mainzer zum Start darf aber nicht passieren. Trotzdem rechne ich damit, dass sie sich in den kommenden Wochen fangen werden. Selbst Platz eins zum Saisonende würde ich nicht ausschließen.

Auf der anderen Seite haben sich die Münchner zuletzt gegen Hertha (5:0) etwas freigespielt. Wie weit ist der Rekordmeister schon unter Julian Nagelsmann?

Ich zweifle daran, dass der Münchner Kader breit genug aufgestellt ist. Gerade waren Länderspiele, bald fängt die Champions League wieder an. Die Belastung für die Bayern-Spieler war in den vergangenen 13 Monaten enorm. Der Champions-League-Titel 2020 hat sich vor drei Wochen erst gejährt, dazu die EM im Sommer – es gibt keine Pausen. Das wird Spuren hinterlassen.

Mit den Ex-Leipzigern Nagelsmann, Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer, der erst kurz vor Transferschluss zu den Münchnern stieß, schwächt der FC Bayern erneut einen direkten Konkurrenten.

Das ist aber legitim. Solange sie in der Lage sind, diese Spieler zu holen und damit die Konkurrenz zu schwächen, werden sie das auch tun. Trotzdem hat sich auch für die Münchner der Markt negativ verändert.

Inwiefern?

Der FC Bayern hatte über Jahre hinweg das Monopol auf die besten deutschen Spieler der Liga – das ist nicht mehr so. Spieler wie Leroy Sané, Kai Havertz oder Timo Werner wechseln direkt nach England – früher wären die alle zu den Bayern gegangen. Sabitzer ist sicher ein sehr guter Spieler, aber trotzdem haben die Leipziger ihn ohne großes Murren gehen lassen.

Welche Rolle trauen Sie ihm in München zu?

Leon Goretzka war zuletzt immer ein wenig verletzungsanfällig, ihn könnte Sabitzer entlasten. Grundsätzlich sage ich: Wenn alle fit sind, spielt er nicht. Aber die Saison ist lang, also wird er über ein komplettes Jahr hinweg schon auf seine Spiele kommen. Er ist mehr als nur ein Back-up, ich sehe ihn als 12. oder 13. Mann. Trotzdem habe ich mich über den Transfer gewundert.

Warum?

Joshua Kimmich und Goretzka sind gesetzt, dazu gibt es mit Musiala und Corentin Tolisso zwei weitere Spieler, die auf seiner Position spielen können. Ich hätte es gut gefunden, wenn sie jemanden aus der Jugend in den Kader hochgezogen hätten. Aber sie haben mit Angelo Stiller (20) einen sehr talentierten Spieler nach Hoffenheim gehen lassen. Hinter Kimmich, Goretzka und Tolisso wäre ja noch Platz für ihn gewesen – auch mit Blick auf das Gehaltsgefüge. Du kannst nicht nur Millionenspieler holen, die dann als Großverdiener auf der Bank sitzen.

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Der Blick auf den FC Bayern ist ambivalent. Zum einen sollen sie international konkurrenzfähig sein, zum anderen darf die Liga nicht langweilig werden. Es winkt der zehnte Meistertitel in Folge. Wie erklären Sie einem Zehnjährigen, dass die Bundesliga spannend ist?

(lacht) Das ist schwer. Aber wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Konstellationen, in denen es bis zum Ende spannend war. Der BVB hatte 2018/2019 zeitweise neun Punkte Vorsprung, konnte am letzten Spieltag noch Meister werden. Ostermeisterschaften wie unter Pep Guardiola sind vorbei.

Am Dienstag startet auch die neue Champions-League-Saison. Wie beziffern Sie die Chancen der deutschen Mannschaften?

Der FC Bayern wird sich in seiner Gruppe durchsetzen. Barcelona ohne Messi ist eine Wundertüte. Ich sehe die Münchner als klaren Gruppenfavoriten und auch wieder als Titelkandidaten. Leipzig hat mit PSG und Man City eine Hammergruppe erwischt, hat sich aber letztes Jahr auch gegen United und Paris durchgesetzt. Ich traue ihnen eine Überraschung zu.

Wie sieht es mit dem BVB und Wolfsburg aus?

Beide hatten Losglück und müssen eigentlich ihre Gruppen überstehen. Ich rechne mit mindestens drei deutschen Teams im Achtelfinale.

Apropos Champions League: Vor 20 Jahren spielten Sie noch selbst mit dem FC Liverpool in der Gruppenphase der Königsklasse. Es war der 11. September 2001. Welche Erinnerungen haben Sie an 9/11?

Ich erinnere mich sehr gut an diesen Tag. Ich war in Liverpool im Hotel und habe CNN geschaut. Als ich die furchtbaren Bilder sah, habe ich meinen Vater angerufen, der damals noch beim LKA gearbeitet hat und ihm gesagt, er soll den Fernseher einschalten. Mir gingen unzählige Dinge durch den Kopf. Das erste, was ich dachte, war: Es gibt einen Weltkrieg.

Dennoch mussten Sie am Abend Fußball spielen. Die Partie gegen Boavista Porto endete 1:1, Sie standen in der Startelf.

Wir standen alle unter Schock. Niemand wird vergessen, wo er an diesem Tag war. Diese schrecklichen Bilder gingen einem immer wieder durch den Kopf.

Der vergangenen Dezember verstorbene Gérard Houllier war damals Ihr Trainer. Erinnern Sie sich noch an seine Ansprache?

Um ehrlich zu sein: Nein. Wir konnten das damals gar nicht richtig begreifen. Erst im Laufe der nächsten Tage wurden einem die Dimensionen klar – und das Ausmaß der Tragödie. Die ganzen Feuerwehrleute, die ihr Leben ließen. Verzweifelte Menschen, die aus dem 100. Stock springen mussten. Wir Spieler waren alle paralysiert.

Gab es Teamkollegen, die nicht spielen wollten? Und gab es Überlegungen vonseiten der Uefa, die Partie abzusagen?

Davon ist mir nichts bekannt. Auf dem Platz habe ich versucht, die Bilder auszublenden. Es war aber auch alles so frisch, dass ich gar nicht viel Zeit hatte, über das Passierte nachzudenken. Vonseiten der Uefa gab es aber soweit ich weiß keine Überlegungen, die Partien abzusagen.

Video | Was bei den Terroranschlägen 2001 geschah
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Quelle: t-online

Eine potenzielle Super League, eine mögliche WM alle zwei Jahre, die baldige Reform der Champions League. Wenn Sie sich die jüngsten Entwicklungen anschauen: Verliert der Fußball der Neuzeit seine Basis?

Vielleicht ist das schon passiert. Wenn die Leute nicht mehr ins Stadion gehen, dann ist es zu spät. Dieser Punkt der Entfremdung ist näher, als viele denken. Die Verbände müssen schauen, dass sie die Fans mitnehmen und auch ihre Interessen berücksichtigen – sonst sind sie verloren. In Deutschland konnten wir uns bislang noch ein wenig Moral und Anstand erhalten. Hier bekommst du in der ersten Liga noch Stehplatzdauerkarten für 200 Euro, was in England undenkbar wäre.

Ist denn ein fairer, sportlicher Wettbewerb noch gegeben?

Dazu braucht es Chancengleichheit. Wenn man nach Manchester oder Paris schaut, dann ist das im Moment nicht der Fall. Es braucht neue, bessere Leit- und Richtlinien, die den internationalen Fußball reglementieren. So wie das System aktuell funktioniert, ist es nicht im Sinn des Fußballs. Die Champions League ist entwertet, wenn immer nur die gleichen fünf bis sechs Teams um den Titel mitspielen. Es wird mit ungleichen Waffen gekämpft. Wenn man ehrlich ist, existiert bereits eine Super League innerhalb der Champions League.

Sie haben PSG und ManCity angesprochen. Trotzdem haben beide Vereine die Königsklasse noch nicht gewinnen können.

Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist das aber nur eine Frage der Zeit. England und Paris, das ist ein Spiel ohne Grenzen. Auch der FC Bayern oder Borussia Dortmund werden dann nicht mehr mithalten können, wenn ein Spieler bei PSG oder ManCity das Doppelte verdienen kann. Finanzielle Nachhaltigkeit muss über allem stehen. So sollten Vereine geführt werden.

Abseits der Klubebene: Würden Sie sich eine WM alle zwei Jahre anschauen?

Das würde nur dann Sinn ergeben, wenn du die EM abschaffst. Ich könnte damit leben, weil ich lieber eine Weltmeisterschaft als eine Europameisterschaft anschaue. Aber jedes Jahr eine EM oder WM: Da wird der Spieler zum Kanonenfutter. Als Fan willst du die besten Spieler in bester Verfassung sehen. Aber auch die stoßen an Grenzen – und irgendwann ist auch mal gut. Die Übersättigung schadet dem Fußball.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Didi Hamann
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