Bayern-Star mit schwankender Form "Er ist nicht der Sané, den wir kennen"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Leroy Sané zeigt vor der entscheidenden Phase der Bayern-Saison Licht und Schatten. Dabei sah das zu Jahresbeginn noch ganz anders aus. Was ist passiert? Seine Wegbegleiter versuchen, zu erklären.
Es war ein Rückfall in alte Zeiten, der sich beinahe gerächt hätte. Mittwochabend, 16. Februar, Wals-Siezenheim: Leroy Sané hatte im Champions-League-Achtelfinale des FC Bayern bei RB Salzburg (1:1) gerade den Ball fahrlässig verloren, als der Nationalspieler einfach stehen blieb. Er setzte nicht nach. Er sprintete nicht hinterher.
Stattdessen winkte er in der 81. Minute frustriert ab. Sekunden später verhinderte zuerst Torwart Sven Ulreich gegen Karim Adeyemi ein mögliches 0:2, dann kratzte Benjamin Pavard den Nachschuss von Junior Adamu von der Linie. An diesem Dienstag (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online) heißt es wieder Salzburg. Der österreichische Bundesliga-Dominator kommt zum Rückspiel nach München.
Es ist eine Partie wie ein Wegweiser für den 26-jährigen Sané, bei dem sich seit Wochen Licht und Schatten abwechseln. Gegen Eintracht Frankfurt (1:0) erzielte der hochbegabte Außenangreifer den Siegtreffer. Doch es war zugleich sein einziges Tor in den vergangenen fünf Bundesliga-Spielen. Rechnet man das Salzburg-Hinspiel dazu, hat Sané in den vergangenen sechs Einsätzen nur ein Tor erzielt – und keines vorbereitet. Zu wenig für einen angeblichen Ausnahmefußballer, der zu Jahresanfang aufsteigende Form gezeigt hatte.
"Joshua Kimmich hat ihn auf die Seite genommen"
"Wenn man in München den Weg nicht mitgeht, ist man schnell wieder weg. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Joshua Kimmich ihn auf die Seite genommen hat und ihm den Kopf gewaschen hat. Dass er ihm gesagt hat, was es bedeutet, für solch einen erfolgreichen Klub zu spielen", erklärt Sky-Experte Lothar Matthäus im Gespräch mit t-online: "In München wurde schon immer Klartext gesprochen. Das muss nicht immer der Präsident sein, oder der Sportdirektor. Schon zu meiner Zeit hat die Mannschaft das häufig unter sich geklärt."
Klärungsbedarf gibt es an der Säbener Straße seit Wochen auf mehreren Ebenen. Mit Niklas Süle (zu Borussia Dortmund) wird ein zweiter Star die Bayern innerhalb eines Jahres ablösefrei verlassen. Torjäger Robert Lewandowski vermied zuletzt wiederholt ein klares Bekenntnis, auch Manuel Neuer, Serge Gnabry und selbst Identifikationsfigur Thomas Müller haben noch nicht verlängert. Sie besitzen allesamt Verträge bis Sommer 2023.
Bald Führungsspieler des FC Bayern?
Da Kapitän Neuer (35 Jahre) und Müller (32) nicht mehr die jüngsten Fußballer sind und mit Leon Goretzka (Knieprobleme) ein Eckpfeiler seit Monaten verletzt ausfällt, läuft das Casting nach möglichen neuen Führungsspielern. Dabei kommt freilich auch Sané ins Spiel, für den die Münchner im Sommer 2020 kolportierte 60 Millionen Euro Ablöse gezahlt haben sollen. Bei solchen Summen schauen nicht zuletzt die Fans kritisch hin.
"Ich mag seine wendige Art, wenn er den Ball haben will und seine Laufstärke. Ich traue ihm noch einige Tore in dieser Saison zu und wünsche mir, dass zumindest mal ein 'entscheidendes' Tor dabei ist – zum Beispiel in der Champions League", meint Jessica Peter. "Das würde ihn zusätzlich beflügeln." Die junge Lehrerin ist seit Jahren Vereinsmitglied, schaut sich die Spiele des FC Bayern gerne im "Stadion an der Schleißheimer Straße" an.
In der Kult-Fußballkneipe in der Münchner Maxvorstadt kommen viele Bayernfans zusammen. Peter spürt aus Gesprächen "Vertrauen" der Anhängerschaft in Sané. "Er kann mit seinen 26 Jahren zum Führungsspieler werden", sagt sie. "Nach seinem holprigen Start wäre das natürlich ein tolles Zeichen, dass durch harte Arbeit und den Glauben an sich selbst mehr erreicht werden kann als zunächst gedacht."
"Momentan wirkt es, als hätte er einen Hänger"
Sané habe jetzt "die Ernsthaftigkeit begriffen, was es heißt, Fußballprofi zu sein und Verantwortung zu übernehmen", meint auch Rekordnationalspieler Matthäus, "in welcher Verantwortung er steht. Nicht nur gegenüber sich selbst, sondern auch gegenüber den Kollegen, dem Verein und den Fans." Kritischer sieht dagegen ein ehemaliger Weggefährte seine Entwicklung. Aytekin Samast trainierte Sané einst in der U9 und U10 der SG Wattenscheid, kennt Vater Souleyman, der früher für den Stadtteil-Klub aus Bochum in der Bundesliga spielte.
"Er ist nicht der Leroy, den wir kennen. Ob bei Manchester City oder in München – mal spielt er Weltklasse, mal nicht. Ich weiß nicht, woran das liegt. Ich verfolge ihn ja schon lange“, sagt Samast t-online. "Momentan wirkt es, als hätte er einen Hänger." Der Jugendtrainer wähnt eine besondere Herausforderung durch den vielfach kommunizierten Druck beim FC Bayern. "Es gibt Menschen, die eher locker sind – wie Leroy. Und es kann sein, dass die mit Druck nicht so fertig werden", erklärt Samast: "Ich bin kein Psychologe, aber ich kann mir das gut vorstellen. Der Druck ist bei Bayern ja viel höher als woanders."
Seiner Ansicht nach bräuchte Sané mehr Freiheiten. "Ich glaube schon, dass er sich damit schwertut. Er will einfach nur Fußball spielen", meint er: "Dass er sich einfach so von jemandem in sein Leben reinsprechen lässt, kann ich mir beim Leroy einfach nicht vorstellen." Am Dienstagabend wird Samast wieder genau hinschauen. Dann, wenn sich für seinen einstigen Schützling und die Bayern der weitere Saisonverlauf entscheidet.
- Telefon-Interview mit Sky-Experte Lothar Matthäus
- Telefon-Interview mit Aytekin Samast, Ex-Nachwuchstrainer Leroy Sané
- transfermarkt.de: Spielerprofil Leroy Sané