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Fußball-EM 2021: Dänemark oder England – wer jubelt über den Finaleinzug?


EM-Duell im Wembley
Mit dem "Barnsley-Beckenbauer" zum großen Coup?

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 07.07.2021Lesedauer: 6 Min.
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John Stones (re.): Der Verteidiger von Manchester City gehört zu den Gewinnern dieser EM.Vergrößern des Bildes
John Stones (re.): Der Verteidiger von Manchester City gehört zu den Gewinnern dieser EM. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Im Wembley-Stadion kämpfen DFB-Bezwinger England und Publikumsliebling Dänemark um das Erreichen des EM-Endspiels. Die Fans dürfte eine enge Partie erwarten, zeigt der Blick auf beide Kader.

"Is it coming home" oder zündet das "Danish Dynamite" erneut? Um die Beantwortung dieser Frage wird es heute Abend beim EM-Halbfinale im Londoner Wembley-Stadion gehen, wenn Gastgeber und DFB-Bezwinger England auf das Überraschungsteam aus Dänemark trifft (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online).

Die Rollen sind vor der Partie, die 60.000 Zuschauer live im Stadion verfolgen werden, klar verteilt: England gilt als Favorit. Nicht unverdient, sind die "Three Lions" doch ohne Gegentor in die Runde der letzten vier eingezogen und können in der Offensive auf unzählige Akteure von Weltklasseniveau setzen.

Dänemark geht derweil als Außenseiter ins Duell. Die Skandinavier können sich dabei der Sympathien von Millionen neutraler Fans sicher sein. Das hat zum einen mit dem herausragenden Umgang mit dem Herzinfarkt-Drama ihres Superstars Christian Eriksen und zum anderen mit der erfrischend-dynamischen Spielweise des Teams von Trainer Kasper Hjulmand zu tun. In gleich zwei Partien traf Dänemark vierfach. Auch deshalb sehen viele Experten in "Danish Dynamite" mehr als nur chancenloses Kanonenfutter für die englischen "Three Lions".

Doch wie ausgeglichen dürfte das Semifinale tatsächlich werden? Der Blick auf die einzelnen Mannschaftsteile, die sich auf dem Londoner Rasen gegenüberstehen, sowie auf die beiden Trainer und ihre Spielsysteme sorgt für etwas mehr Klarheit.

Tor: Englischer Lautsprecher gegen dänischen Spätzünder

Der Posten zwischen den Pfosten galt in England seit David Seaman als verflucht. Unzählige Keeper blamierten sich mit Slapstickeinlagen und Eigentoren im Dress der "Three Lions". Jordan Pickford konnte diesen Bann brechen. Der 27-Jährige vom FC Everton ist bereits seit Jahren die Konstante im englischen Tor. Dabei ist er seit dem Halbfinalaus bei der WM 2018 noch einmal gereift – sowohl als Torwart als auch als Führungspersönlichkeit.

Besonders an seiner Ansprache hat der für seine Position mit 1,85 Metern überraschend klein gewachsene Schlussmann gearbeitet. Zwar hallen seine Kommandos noch immer laut über den Platz, im Vergleich zum vergangenen Großturnier jedoch gezielter und konzentrierter. Hing sich Pickford früher noch an eigenen Fehlern oder Schnitzern seiner Abwehrleute auf, sieht man ihn nun oft seine Mitspieler mit dem Klopfen auf die geschwollene Brust anfeuern. Dass seine Vorderleute nicht nur als Motivator auf ihn zählen können, zeigt auch ein Blick auf die Statistik: 10 der vergangenen 13 Länderspiele beendete Pickford mit einer weißen Weste.

Ihm gegenüber steht einer, der im Alter von 27 Jahren noch in der zweiten englischen Liga durch den Strafraum hechtete: Kasper Schmeichel. Dänemarks unangefochtene Nummer eins brauchte lange, um sich von seinem Vater, Torhüter-Legende Peter Schmeichel, zu emanzipieren. Doch indem er sich selbst treu blieb und seine Sinne von Saison zu Saison kontinuierlich schärfte, gelang es Schmeichel junior schließlich auf umso erstaunlichere Weise: 2016 wurde er mit dem Abstiegskandidaten Leicester City sensationell englischer Meister.

Seitdem konnte der 34-Jährige sein Niveau nicht nur halten, sondern immer weiter erhöhen. Nicht nur in Leicester, wo er die Kapitänsbinde trägt, sondern auch im dänischen Nationalteam, mit dem er bei der WM 2018 unglücklich im Achtelfinale nach Elfmeterschießen scheiterte. Unglücklich auch deshalb, weil Schmeichel auf der Linie zu den besten Keepern der Welt zählt.

Abwehr: "Barnsley Beckenbauer" gegen dänische Kopfballungeheuer

Was wurde die englische Abwehr vor Turnierbeginn nicht niedergeschrieben. Credo der heimischen Presse: Trainer Gareth Southgate wird die vier am wenigsten schlechten aus einer Reihe sehr schlechter Verteidiger auswählen müssen. Die Auserwählten zeigten es den Kritikern dann umso beeindruckender: Immer noch sind die Engländer ohne Gegentor, sowohl Vizeweltmeister Kroatien als auch Angstgegner Deutschland zerschellte am Bollwerk vor Keeper Pickford.

Doch nicht nur im Spiel gegen den Ball, sondern auch in der Spieleröffnung und -führung überzeugt die englische Viererkette. Einer, der bei der EM die Kontrolle über sein eigenes Können zurückgewonnen hat, ist John Stones. Der Innenverteidiger von Manchester City wurde in den vergangenen Partien seinem Spitznamen "Barnsley Beckenbauer" wieder stärker gerecht – nicht nur weil er die Rückennummer fünf mit dem Kaiser teilt. Der 27-Jährige bewies Ruhe und Übersicht und setzte so im Zusammenspiel mit seinem Nebenmann Harry Maguire immer wieder aus der Tiefe des Abwehrzentrums seine Kollegen auf den Außen, Luke Shaw und Kyle Walker, in Szene.

Solche alten Liberofähigkeiten sucht man beim dänischen Innenverteidiger-Trio eher vergeblich. Simon Kjær (1,88 m), Andreas Christensen (1,91 m) und Jannik Vestergaard (1,99 m) stehen tief und konzentrieren sich aufs Ausputzen, ins Offensivspiel schalten sie sich eigentlich nur als Kopfballabnehmer bei Standards ein.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Englands Offensivakteure durch sie wie durch menschliche Trainingsstangen durchdribbeln werden können. Besonders im Stellungsspiel präsentierten sich die Dänen in der K.-o.-Runde stark, zudem dürfte sich die körperliche Robustheit gerade gegen filigrane Spieler wie Raheem Sterling oder Mason Mount auszahlen.

Zudem wird Coach Hjulmand auch gegen England auf eine Fünferkette gegen den Ball setzen. Bei Umschaltsituationen wird der Fokus vor allem auf Linksverteidiger Joakim Mæhle liegen. Der Vereinskonkurrent von DFB-Linksaußen Robin Gosens brilliert bei der EM als unermüdlicher Antreiber und Flankengeber. Sein Außenrist-Assist auf Kasper Dolberg zum 2:0 gegen Tschechien zählt zu einem der Highlights des Turniers.

Mittelfeld/Sturm: Dolberg gegen Kane – Duell der echten Neuner

Die Parallelen zwischen dem englischen und dänischen Mittelfeld/Sturm sind verblüffend. Beide Mannschaften setzen auf zwei spielintelligente Sechser, die sich nicht zu schade sind, lange Wege zu gehen – Declan Rice und Kalvin Phillips auf der einen, Thomas Delaney und Pierre-Emile Højbjerg auf der anderen Seite –, sowie einen klassischen Vollstrecker im Angriff. Dabei musste gerade Englands designierter Torjäger in diese Rolle zurückwachsen.

Harry Kane ist es in seinem Klub Tottenham Hotspur gewohnt, den mitspielenden Stürmer zu mimen, Spieler zu binden und so Räume für seine Kollegen auf den Außenbahnen zu schaffen. In Southgates System ist er für solche Kraftarbeit nicht angedacht. Die Diskrepanz zwischen dem, was er die komplette Saison im Verein spielte, und dem Strafraumknipser, der er bei den "Three Lions" sein soll, schloss Kane mit seinem Treffer gegen Deutschland. Nach seinem Doppelpack gegen die Ukraine schickt sich der 27-Jährige nun sogar an, im Kampf um die EM-Torjägerkrone noch heftig mitzumischen.

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Sein Widersacher bei diesem Vorhaben könnte ausgerechnet in der dänischen Elf zu finden sein. Kasper Dolberg traf in seinen drei EM-Einsätzen drei Mal. Dabei war der 23-Jährige vom OGC Nizza nicht einmal als Stammspieler angedacht, zu durchwachsen war seine Saison in der französischen Ligue 1 (6 Treffer in 25 Einsätzen). Doch beim paneuropäischen Turnier blüht Dolberg auf – auch weil er gleich in seinem ersten Startelf-Einsatz im Achtelfinale gegen Wales mit einem Doppelpack Selbstvertrauen tankte.

Der Mittelstürmer kann sich im dänischen Tannenbaum-3-4-2-1 voll und ganz auf sein Jagdrevier im Strafraum konzentrieren und wird dabei von gleich vier Mitspielern mit Bällen gefüttert. Neben den Außenverteidigern um den erwähnten Mæhle sind das Mikkel Damsgaard und Martin Braithwaite. Die beiden "falschen Neuner" attackieren mit ihrer Dynamik aus den Halbräumen die Abwehrreihe und versuchen so Situationen zu provozieren, in denen sie den durchstartenden Dolberg per Steckpass allein vorm gegnerischen Torwart in Szene setzen können. Diese Taktik könnte besonders dann gegen England gewinnbringend sein, wenn sich etwa auch noch Delaney vorm Strafraum positioniert und so eine Überzahl gegen das englische Innenverteidiger-Duo geschaffen werden kann.

Fazit: Geschlossene Teamdynamik könnte individuelle Klasse schlagen

Betrachtet man die Auftritte detailliert, ist es die geschlossene Dynamik des Teams, die das stärkste Attribut der Dänen ist. Gelingt es ihnen, diese Power und Schnelligkeit auch gegen England auf den Platz zu bringen, werden sie offensive Nadelstiche setzen können, die die "Three Lions" schwer schmerzen dürften.

England wiederum wird auch gegen den Außenseiter aus Skandinavien auf die eigene Spielkontrolle setzen. Einen Sturmlauf, trotz der wiedergefundenen Knipserfähigkeiten Kanes, wird es nicht geben. Stattdessen werden die Gastgeber auch im Wembley das Spiel viel verlagern, den Gegner so aus dem Tritt bringen wollen, um dann über die Außenbahnen gefährlich in den Strafraum einzudringen. Die individuelle Klasse auf diesen Positionen – Luke Shaw, Raheem Sterling, Jadon Sancho, Kyle Walker – sowie der Auswechselbank (Kieran Trippier, Jack Grealish, Phil Foden) dürfte die Partie schlussendlich zugunsten Englands entscheiden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen
  • "Spielverlagerung": EM-Vorschau 2021 (kostenpflichtig)
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