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Josip Stanišić: Weshalb sich das Bayern-Talent gegen den DFB entschied


Bayern-Star Stanišić
Eine Herzensangelegenheit

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

13.11.2021Lesedauer: 5 Min.
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Josip Stanišić: Der Verteidiger spielte für die U17, die U19 und die zweite Mannschaft des Rekordmeisters, ehe er im August dieses Jahres zu den Profis wechselte.Vergrößern des Bildes
Josip Stanišić: Der Verteidiger spielte für die U17, die U19 und die zweite Mannschaft des Rekordmeisters, ehe er im August dieses Jahres zu den Profis wechselte. (Quelle: ULMER Pressebildagentur/imago-images-bilder)

Bayerns Shooting-Star Josip Stanišić strebt eine Karriere im Trikot Kroatiens an. Das Nein des Münchners zum DFB verstimmte viele Fans. Warum entschied sich der Rechtsverteidiger gegen Flick?

Als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in ihrem letzten Heimspiel des Jahres Liechtenstein mit 9:0 abfertigte, war Josip Stanišić nicht dabei. Stattdessen stand der gebürtige Münchner zeitgleich im Kader Kroatiens, das auf Malta einen 7:1-Kantersieg im Kampf um die direkte Qualifikation für die WM 2022 in Katar einfuhr.

Bereits Ende August hatte sich der 21-jährige Rechtsverteidiger gegen eine Zukunft mit dem Adler auf der Brust entschieden und im Oktober sein A-Länderspieldebüt für den Vizeweltmeister gefeiert. Die Wahl des Shootingstars des FC Bayern missfiel einigen Fans und Beobachtern, nicht zuletzt, weil er 2018 in der U19-Nationalmannschaft des DFB auflief, Stefan Kuntz ihn auf seiner Liste für den U21-Kader stehen hatte und der Mangel an talentierten Außenverteidigern seit Jahren die Achillesferse der deutschen Elf ist.

Kroatien-Coach Olić: "Müssen uns beim FC Bayern bedanken"

In Kroatien wissen sie derweil sehr gut, was sie an Stanišić haben – und wem sie dessen Entwicklung zu verdanken haben. "Wir müssen uns beim FC Bayern und seinem Cheftrainer Julian Nagelsmann bedanken, dass sie an Josip geglaubt und ihm die Gelegenheit gegeben haben, sich trotz großer Konkurrenz nach der Verletzung Benjamin Pavards in der Startelf zu beweisen", sagte Kroatiens Co-Trainer und früherer Bayern-Star Ivica Olić auf t-online-Nachfrage.

Der 42-Jährige lobt jedoch auch das konsequente Handeln des Verbands: "Uns war klar, dass wir schnellstmöglich zuschlagen müssen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, Josip für Kroatien zu nominieren – und ihn dann auch spielen zu lassen." Denn: Mit seinem ersten Pflichtspiel für die "Vatreni" (zu deutsch: die Feurigen), wie die kroatische Nationalmannschaft genannt wird, erlosch für Stanišić auch die Gelegenheit eines erneuten Verbandswechsels.

Der Verteidiger zeigte sich von der Debatte unbeeindruckt, erklärte in einer Pressemitteilung des kroatischen Fußballverbands HNS, es sei ihm "eine Ehre, dass ich das Trikot Kroatiens tragen kann" und verwies auf seine Familie, die aus dem 6.000-Seelenörtchen Oriovac nahe der bosnisch-herzegowinischen Grenze im Osten des Landes stammt und zu großen Teilen dort auch noch lebt. HNS-Präsident Marijan Kustić frohlockte, es zeige, "wie groß die Zuneigung unserer Familien im Ausland für die kroatische Nationalmannschaft ist", wenn Spieler wie Stanišić sich für das ikonische rot-weiß-karierte Trikot entschieden.

Der Verbandsboss betonte auch: "Wir sind uns bewusst, welches Potenzial in unserer Diaspora steckt." Denn Stanišić ist längst nicht der erste Spieler, der das Herkunftsland seiner Eltern seinem Geburtsland vorzieht. Allein im aktuellen Kader Kroatiens finden sich mit Marin Pongračić (Borussia Dortmund, geboren in Landshut), Mario Pašalić (Atalanta Bergamo, geboren in Mainz), Antonio Čolak (Malmö FF, geboren in Ludwigsburg), Mateo Kovačić (FC Chelsea, geboren in Linz, Österreich) und Luka Sučić (Red Bull Salzburg, geboren in Linz, Österreich) fünf weitere im deutschsprachigen Raum geborene Spieler.

Stanišić reiht sich in illustren Kreis ein

Stanišić und Co. reihen sich in einen illustren Kreis ein, in dem sich vor ihnen bereits etwa der einst bestbezahlte Fußballer der Welt, der im schwäbischen Villingen-Schwenningen geborene Ex-Real- und Barça-Star Robert Prosinečki, und das Berliner Brüderpaar Niko und Robert Kovač wiederfanden. Doch auch bei diesem in Deutschland aufgewachsenen und sozialisierten Trio stellt sich die Frage: Welche Faszination strahlt das Schachbrettmustertrikot Kroatiens für Personen aus, die zwar auf dem Papier Kroaten sind, aber oft nie mehr als die Schulferien im Land ihrer Vorfahren verbracht haben?

"Für mich stand es außer Frage, dass Kroatien meine Nationalmannschaft ist. Meine Eltern sind in Kroatien geboren, in unserem Haus wurde immer mit Kroatien gefiebert – egal, in welcher Sportart", antwortete beispielsweise Antonio Čolak t-online auf diese Frage.

Der Stürmer, der mit dem schwedischen Meister Malmö FF den Sprung in die diesjährige Champions-League-Gruppenphase packte, wurde 1993 im baden-württembergischen Ludwigsburg als Sohn zweier Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Küstenregion Dalmatien geboren. Er wuchs zweisprachig auf und bezeichnet sich selbst als "anständiger Mix aus deutschen Tugenden und kroatischem Feuer". Dennoch war es seit der frühesten Kindheit sein Traum "eines Tages das karierte Trikot zu tragen".


Eine ähnliche Verbindung zu Kroatien habe auch Stanišić, ist sich seine Tante Lidija sicher. "Auch wenn uns 700 Kilometer trennen, kommen wir, sooft es möglich ist, als Familie zusammen. Auch deshalb wusste ich, dass er sich für Kroatien entscheiden wird. Als wir ihm zu seinem 18. Geburtstag das kroatische WM-Trikot schenkten, war er überglücklich. Das hat mir noch einmal gezeigt, wie er tickt", erklärte sie der kroatischen Sporttageszeitung "Sportske Novosti".

Das Pikante an dieser Geschichte ist, dass exakt zu dieser Zeit um Stanišićs 18. Geburtstag ein heftiger Streit zwischen dem DFB und dem HNS ausgebrochen war. Damals entschied sich das Bayern-Talent trotz intensiven Werbens des kroatischen Verbands für die deutsche U19. Aus Zagreb hieß es, der FC Bayern und Stanišićs damaliger Berater Dieter Hoeneß hätten den Teenager zu dieser Wahl gedrängt, was sowohl der Klub von der Säbener Straße als auch Managerveteran Hoeneß bestritten.

Stanišić-Großvater: Diese Erinnerung könnte den Ausschlag gegeben haben

Auch wenn Stanišić im November 2018 nur zwei Einsätze in der deutschen U19 sammelte, nährten diese bei seinem Großvater Milan die Zweifel, ob sein Enkel jemals für die "Vatreni" auflaufen werde.

"Ich kann nicht behaupten, dass ich mir zu 100 Prozent sicher war, dass er diesen Sommer Kroatien auswählen würde. Das habe ich zwar heimlich gehofft und mir gewünscht, aber ich habe keinen Druck auf ihn ausgeübt. Das wäre unverschämt ihm gegenüber gewesen, schließlich ist er ein volljähriger, junger Mann, der selbst wissen muss, wie und wofür er sich entscheidet", fasst der Senior im Gespräch mit "Sportske Novosti" zusammen, ehe er nahezu beiläufig den Aspekt nennt, der der entscheidende für die Wahl seines Enkels gewesen sein könnte.

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Der Rentner, der einst selbst in München lebte, erklärt: "Wir waren immer stolz auf unsere Herkunft, haben sie nie verschwiegen und haben sie in unserem Fußballklub Croatia München ausgelebt, wo wir alle zusammen die Partien der kroatischen Nationalmannschaft geschaut haben. Vielleicht sind es diese Erinnerungen, die für Josip den Ausschlag gegeben haben."

Die Worte seines Großvaters unterstreichen eindrucksvoll den Eindruck, der sich bei längerer Betrachtung der "Causa Stanišić" verfestigt: Hier hat ein junger Mann mit Migrationsgeschichte, der wie viele Millionen andere in Deutschland Aufgewachsene sich zwei Heimaten zugehörig fühlt, auf sein tiefstes Inneres gehört. Stanišić Entscheidung für Kroatien ist also nicht per se eine gegen Deutschland, sie ist vor allem eines: eine Herzensangelegenheit.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Pressemitteilungen des kroatischen Fußballverbands HNS
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