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Das denkt Investor Chien Lee ĂŒber die Super League
Chien Lee ist einer der umtriebigsten Investoren im FuĂballgeschĂ€ft. Im Interview mit t-online erklĂ€rt er, wonach er seine Klubs auswĂ€hlt â und kann sich eine Spitze gegen ManCity nicht verkneifen.
Barnsley FC, FC Thun, KV Oostende, AS Nancy-Lorraine, Esbjerg fB, FC Den Bosch, OGC Nizza: Die Liste der professionellen FuĂballklubs in Europa, die Chien Lee aktuell gehören oder mal gehört haben, ist lang â und könnte bald noch lĂ€nger werden. Bereits Anfang Dezember bestĂ€tigte der US-amerikanische Unternehmer t-online, dass er "frĂŒher oder spĂ€ter" einen Bundesliga-Verein ĂŒbernehmen möchte.
Doch wie kommt ein Finanzexperte, der sein Vermögen insbesondere in der Hotelbranche machte, dazu, sein Geld in FuĂballklubs in ganz Europa zu stecken? Wonach sucht er sich seine Vereine aus? Diesen und weiteren Fragen stellt sich Lee im t-online-Interview â und erklĂ€rt mit einem Lachen, was ihn grundlegend von den Besitzern des englischen Spitzenklubs Manchester City unterscheidet.
t-online: Herr Lee, wie war Ihre Verbindung zum FuĂball, bevor Sie 2016 beim OGC Nizza Ihr erstes Investment tĂ€tigten?
Chien Lee: Ich mag den Sport und verfolge ihn bereits seit meiner Jugend. Vor der Ăbernahme der OGC Nizza hatte ich jedoch keine Verbindung zum FuĂballgeschĂ€ft. Damals habe ich vor allem die Möglichkeiten, die der europĂ€ische FuĂball mir als auf langfristige Projekte ausgelegter Finanzinvestor bietet, und das Entwicklungspotenzial des Vereins gesehen.
Der ausschlaggebende Grund, mit der Ăbernahme der OGC Nizza ins FuĂballgeschĂ€ft einzusteigen, war also die Perspektive, Ihr Kapital in einem langfristigen Investment zu binden?
Nizza ist ein traditionsreicher französischer Klub, der mit seiner gut gefĂŒhrten Jugendakademie und der hohen DurchlĂ€ssigkeit zum Profibereich besonders fĂŒr junge Talente interessant ist. Deshalb fiel meine Wahl damals auf diesen Verein, denn die Entwicklung eigener Spieler verstehe ich als Quintessenz eines langfristigen Investments im Sportbusiness. Ich glaube nicht an Erfolg ĂŒber Nacht. Erfolg benötigt Geduld. Auch um dieses SelbstverstĂ€ndnis zu betonen, war unser erstes groĂes finanzielles Projekt in Nizza der Bau eines zeitgemĂ€Ăen TrainingsgelĂ€ndes fĂŒr die Nachwuchsmannschaften.
Nach welchen Parametern wĂ€hlen Sie fĂŒr ein Investment infrage kommende Vereine aus?
Die Philosophie und der infrastrukturelle Zustand der Jugendakademie sind die ersten beiden Aspekte, die wir bei einem Verein, an dem wir interessiert sind, beleuchten. Erst danach nehmen wir die aktuelle KlubfĂŒhrung unter die Lupe und fragen uns, ob wir unseren Weg mit ihr gemeinsam antreten können.
Inwieweit beschÀftigen Sie sich vor den ersten GesprÀchen mit der Historie und der Fanszene des Vereins?
Man kann mit einem FuĂballklub keinen Erfolg haben, wenn man nicht die UnterstĂŒtzung der Fans hinter sich hat. DafĂŒr muss man sich immer bewusst machen, in welcher Kultur sich der Verein und seine Fans bewegen â und diese als Investor dann auch adaptieren. Von mir als Besitzer wird im englischen Barnsley ein ganz anderes Verhalten erwartet als es beispielsweise im belgischen Oostende der Fall ist.
Aktuell umfasst Ihr Portfolio sechs Vereine in sechs LĂ€ndern. Welches Synergieeffekte sollen im besten Fall zwischen den Vereinen entstehen?
Ich möchte, dass jeder meiner aktuell sechs Vereine unabhÀngig voneinander funktioniert und seine ganz individuelle Geschichte schreibt. Nichtsdestotrotz erhoffe ich mir die angesprochenen Synergieeffekte. Diese schaffe ich momentan insbesondere durch eine Person: Gauthier Ganaye.
Gauthier ist ein junger, hochtalentierter FuĂballfunktionĂ€r, dem ich bereits die GeschĂ€fte in Barnsley und Nizza anvertraut habe und der aktuell sowohl die Geschicke in Oostende als auch Nancy leitet. Er kennt die Vision und die Werte meiner Investmentfirma NewCity Capital wie kein Zweiter und kann sie effizient und kostensparend an zwei Standorten meines Netzwerks implementieren.
Soll im Laufe der Zeit eine Hierarchie der NewCity-Vereine entstehen oder sollen alle Klubs unabhÀngig voneinander agieren und Erfolge einfahren?
Aktuell gibt es keine Ăberlegungen, unsere Klubs nach einem Pyramidensystem einzustufen. Derzeit sind wir vor allem damit beschĂ€ftigt, die Vereine auch wirtschaftlich miteinander zu verzahnen. Sprich: Wenn es uns gelingt, einen Sponsor fĂŒr einen Klub zu gewinnen, ihn gleich auch noch fĂŒr einen zweiten oder dritten Verein aus unserem Netzwerk zu begeistern. Im Optimalfall kann ein potenzieller Sponsor so auf sechs verschiedenen Trikots in sechs verschiedenen LĂ€ndern fĂŒr seine Marke werben. Aus Marketingsicht ist dies wohl unser mĂ€chtigstes Faustpfand.
Ăbereinstimmenden Medienberichten zufolge hat NewCity bislang ânurâ rund 40 Millionen Pfund (ca. 48 Millionen Euro, Anm. d. Red.) fĂŒr die Akquise seiner Vereine gezahlt. Zum Vergleich: Allein in Manchester City sind in den vergangenen 15 Jahren ĂŒber eine Milliarde Pfund (ca. 1,2 Milliarden Euro) geflossen. Zudem wird auf den Einkauf preiswerter Under-24-Talente gesetzt, die mithilfe des âMoneyballâ-Systems gescoutet werden. Wann wird NewCity in eine weitere Geldrunde gehen und etwa in die Infrastruktur seiner Vereine investieren?
Wir sind nicht darauf aus, uns Pokale zu erkaufen (schmunzelt). Unsere Strategie unterliegt immer dem Ziel, eine ausbalancierte Bilanz zu hinterlassen. Wir sind nicht daran interessiert, wie verrĂŒckt Geld in die Klubs zu pumpen. Stattdessen nutzen wir Daten, um von Fall zu Fall zu betrachten, welche Investitionen vonnöten sind und der Effizienz zugutekommen. Und das sind nicht gestandene, erfolgreiche Profis, die einen vermeintlichen Erfolg ĂŒber Nacht versprechen. Das sind in der Regel junge Spieler, die ein jĂ€hrliches Entwicklungspotenzial aufzeigen.
Neben Privatpersonen und deren Unternehmen, wie Ihnen und NewCity, mischen auch immer mehr Staatsfonds im europĂ€ischen FuĂball mit. Bei der Akquise des AS Nancy setzten Sie sich Medienberichten zufolge gegen die vom Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emiraten alimentierte City Group durch. Welche Hindernisse bringt eine solche Konkurrenz mit sich?
EuropĂ€ische FuĂballvereine werden fĂŒr immer mehr Investoren verschiedener Couleur eine interessante Anlage. Solche Investoren beschĂ€ftigen sich in der Regel immer mit mehr als einem Klub gleichzeitig. Ich habe mir etwa neben Nancy auch den FC Toulouse angeschaut, die City Group hat parallel zu Nancy mit dem ES Troyes AC verhandelt â den sie dann schlussendlich auch ĂŒbernommen hat. Dass wir beide am selben Klub interessiert waren, zeigt doch eigentlich nur, dass wir bei NewCity ganz gut wissen, was wir da machen (lacht).
Zum Abschluss: Die Bundesligisten haben sich klar gegen eine mögliche Super League positioniert. Was prognostizieren Sie als Investor: Werden die nationalen Ligen kĂŒnftig nur ein Relikt der Vergangenheit sein?
Die nationale Liga â also auch die Bundesliga â wird immer da sein. Davon bin ich ĂŒberzeugt. Die nationalen WettkĂ€mpfe sind das Fundament des FuĂballs. Sie sind es, was den Sport in ganz Europa so groĂ gemacht haben. Ohne sie verlöre der FuĂball massiv an Bedeutung. Zudem hat der europĂ€ische FuĂball mit der Champions League und der Europa League doch bereits tolle Gelegenheiten fĂŒr die Topklubs des Kontinents, miteinander zu konkurrieren. Auch deshalb erkenne ich ĂŒberhaupt keine Notwendigkeit fĂŒr eine Idee wie die der Super League.
Dieser Text ist Teil des t-online-Themenschwerpunkts "Vereinsnetzwerke im europĂ€ischen ProfifuĂball". Lesen Sie hier den Text zu den verschiedenen Arten der Netzwerke. Den Beitrag, in dem wir beleuchten, was den Unterschied zwischen Kooperationen und Netzwerken ausmacht und erklĂ€ren, warum Bundesligisten zunehmend mit Klubs aus etwa den USA und Japan anbandeln, finden Sie hier. Unsere Reportage, die der Frage nachgeht, warum der Staat Katar ausgerechnet in der deutschsprachigen Kleinstadt Eupen in Ostbelgien einen FuĂballklub ĂŒbernommen hat und welche Ziele sowohl der Verein als auch der WĂŒstenstaat damit verfolgen, können Sie hier lesen.