Despot und Spiele: Italiens Supercup in Saudi-Arabien
Rom (dpa) - Sie sitzen im Flugzeug, die Daumen nach oben gereckt. Zumindest die FuΓballer von Italiens Rekordmeister Juventus Turin lΓ€cheln voller Vorfreude ΓΌber ihr Reiseziel. Auch ihre Gegner vom AC Mailand zeigen sich frΓΆhlich mit Scheichs im Selfie-Modus.
Am Mittwoch spielen die beiden italienischen Serie-A-Clubs in Saudi-Arabien um den Supercup. Juve-Megastar Cristiano Ronaldo soll extra Glanz bringen. Doch die Partie in Dschidda wird seit Wochen von harscher Kritik ΓΌberschattet.
Saudi-Arabien ΓΌberweise fΓΌr die Austragung des Supercups sieben Millionen Euro an die FuΓball-Liga, erklΓ€rte Amnesty International Italien. Zwei weitere Supercup-Finals in Saudi-Arabien sollen folgen. Verdienst insgesamt 21 Millionen Euro, so Amnesty. "Vor einem solchen Angebot schlieΓt die Liga die Augen vor den Verletzungen der Menschenrechte in dem Land." Als aktuelle Beispiele nannte die Menschenrechtsorganisation den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi oder die Bombardierungen im Jemen, die von einer von Saudi-Arabien angefΓΌhrten MilitΓ€rkoalition geleitet werden.
Der Verbraucherschutzverband Codacons rief den italienischen Sender Rai auf, das Spiel nicht zu ΓΌbertragen. Auch Politiker in Italien empΓΆrten sich. Ausnahmsweise war sogar der rechte Hardliner-Innenminister Matteo Salvini auf der Seite von Amnesty. Er werde das Spiel nicht anschauen, sagte Milan-Fan Salvini. "Ein Spiel mit Schleiern und Burkas, das halte ich nicht aus."
Der PrΓ€sident des italienischen Olympischen Komitees, Giovanni MalagΓ², sieht dagegen einen "Sieg der Heuchelei". Saudi-Arabien habe das beste Angebot vorgelegt. AuΓerdem tue Italien alles, um die Nationalmannschaft bei der nΓ€chsten WM in Katar zu sehen - einem Land, das noch restriktivere Gesetze als Saudi-Arabien habe.
Umstrittene Spielorte sind nichts neues fΓΌr die Supercoppa. So fand sie bereits zweimal in Katars Hauptstadt Doha sowie in Tripolis in Libyen und in Peking oder Shanghai statt.
Nun also Saudi-Arabien. Im Rahmen der groΓen Gesellschafts- und Wirtschaftsreform "Vision 2030" investiert das KΓΆnigreich massiv in den Ausbau der Unterhaltungsindustrie und versucht internationale Musik- und Sportstars ins Land zu holen. Ein umstrittenes Showmatch zwischen den Tennisstars Rafael Nadal und Novak Djokovic kurz vor Weihnachten fand nur wegen einer Verletzung Nadals nicht statt. Nach einem Freundschaftsspiel gegen Argentinien jubelte Brasiliens Star Neymar im Oktober mit saudischen Offiziellen in die Kameras.
Die Formel E feierte vor kurzem ihren Saisonauftakt in Riad, bei Konzerten von Enrique Iglesias und den Black Eyed Peas durften Frauen und MΓ€nner, die sonst im ΓΆffentlichen Raum hΓ€ufig nach "Familien" und "Singles" getrennt werden, gemeinsam feiern.
Auch bei einigen FuΓballspielen durften im vergangenen Jahr erstmals Frauen im Stadion sitzen. Auch bei Juve gegen Milan dΓΌrfen Frauen dabei sein - sogar alleine, wie ein Sprecher der saudischen Botschaft in Rom italienischen Medien erklΓ€rte. "Lasst uns den positiven Aspekt sehen", sagte Juve-Trainer Massimiliano Allegri dazu. "Man hat uns gesagt, dort zu spielen und dann fahren wir da auch hin."
Dabei ist der Druck nicht nur von Seiten der Menschenrechtsaktivisten hoch. Denn es geht um mehr. Noch vor wenigen Tagen Γ€uΓerte das katarische Medienunternehmen Bein Sports in einem Brief an den italienischen Ligachef seinen Unmut ΓΌber den Supercup und forderte ihn indirekt auf, auf die Austragung im KΓΆnigreich zu verzichten. Die Katarer werfen dem mutmaΓlich in Saudi-Arabien angesiedelten Piratensender BeoutQ vor, ihre Inhalte zu klauen und internationale Topspiele zu zeigen, ohne die Rechte dafΓΌr zu besitzen. Es geht in dem Streit um Millionen. Und um Politik. Um den Sport geht es nicht.