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Kommentator Tyler im Interview: Bundesliga ist für Premier League ein Vorbild


Kommentatoren-Legende Martin Tyler
"Die Bundesliga ist für die Premier League zum Vorbild geworden"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 21.06.2020Lesedauer: 6 Min.
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Topspiel: Bayerns Lewandowski (M.) gegen Dortmunds Sancho (r.).Vergrößern des Bildes
Topspiel: Bayerns Lewandowski (M.) gegen Dortmunds Sancho (r.). (Quelle: Jan Hübner/imago-images-bilder)

Martin Tyler ist seit Jahrzehnten die Stimme der höchsten englischen Spielklasse. Der legendäre Kommentator spricht über den Erfolg von Jürgen Klopp in Liverpool, die Bedeutung des Re-Starts in England – und den Einfluss der Bundesliga.

Die Premier League ist seit Mittwoch zurück aus der Corona-Pause – und heute geht es für Jürgen Klopp und den FC Liverpool um den nächsten Schritt in Richtung Meisterschaft: Starten die "Reds" im Merseyside-Derby beim Lokalrivalen FC Everton (ab 20 Uhr im Live-Ticker bei t-online.de) gleich wieder mit einem Sieg?

Martin Tyler kennt den englischen Fußball in- und auswendig – und ist selbst ein Stück seiner Geschichte: Seit über 45 Jahren kommentiert der Reporter Spiele für das englische Fernsehen, seine Stimme kennt jeder Fan auf der Insel – und auch deutschen Fans wird sie mindestens aus der "Fifa"-Videospielreihe bekannt vorkommen. Seit Einführung der Premier League 1992 ist Tyler Top-Kommentator für die Übertragungen bei "Sky".

Die Begeisterung des 74-Jährigen für den Sport geht aber weit über das Mikrofon hinaus: Nebenbei ist Tyler Co-Trainer beim englischen Fünftligisten Woking FC und steht sogar hin und wieder auch noch selbst aktiv auf dem Platz. "Wenn ich nicht Kommentator wäre, würde ich wahrscheinlich jedes Wochenende als Fan direkt hinter dem Tor in irgendeinem Stadion stehen", sagte er einmal.

t-online.de: Mr. Tyler, ist es nicht tragisch, dass der FC Liverpool seinen mutmaßlich ersten Meistertitel seit 30 Jahren wegen der Corona-Maßnahmen nicht richtig feiern können wird?

Martin Tyler (74): Ich glaube, das ist ihnen immer noch lieber, als wieder leer auszugehen (lacht). Schon in der letzten Saison war es ja knapp im Titelrennen mit Manchester City, aber dieses Jahr werden wir wohl alle Jürgen Klopp zur Meisterschaft gratulieren können. Und so leidenschaftlich, wie sie in Liverpool sind, werden sie sicher einen Weg finden, angemessen zu feiern. Das ist doch auch die Geschichte dieses Re-Starts: Dass Liverpool die Chance bekommt, den Titel auf die bewährte Weise zu gewinnen.

Wie sehen Sie Jürgen Klopps Einfluss?

Er ist das Herz des Vereins, und man kann gar nicht hoch genug einschätzen, was er erreicht hat. Es gibt Trainer, die kommen, und einfach nur Trainer bleiben, aber Jürgen hat das, was Liverpool ausmacht, derart verinnerlicht, dass es Teil seiner Persönlichkeit geworden ist. Mal ganz abgesehen vom sportlichen Erfolg. Es wurde damit gerechnet, dass Manchester City mit Pep Guardiola über Jahre die Liga dominiert, aber dann kamen Jürgen und die "Reds".

Sie waren Kommentator, als Liverpool 1990 im Ligaspiel bei den Queens Park Rangers seinen letzten Titel gewann…

Das war ich, ja (lacht). Wer hätte damals gedacht, dass es bis zum nächsten Titel 30 Jahre dauern würde? Ich hätte ja noch nicht mal gedacht, dass ich in 30 Jahren noch kommentieren würde (lacht). Damals war es für Liverpool ja fast normal, die Meisterschaft zu gewinnen, ähnlich wie für die Bayern bei Ihnen in Deutschland.

Woran erinnern Sie sich besonders aus der Partie?

Kurz nach Spielende fragte ich den damaligen Trainer Kenny Dalglish, wann er denn anfange, an den nächsten Titel zu denken, weil Liverpool zu dieser Zeit ja Serienmeister war (der Titel war der siebte für Liverpool in den 80ern, Anm. d. Red.) (lacht). Aber jetzt endlich ist es ja soweit mit der nächsten Meisterschaft. Die Frage ist eher nicht ob, sondern nur: Wann?

Seit Mittwoch wird in der Premier League wieder gespielt, Sie waren auch bereits im Einsatz für die britischen Sky-Kollegen. Wie war die Erfahrung im leeren Stadion?

Man hat gleich zwei Mal meine Temperatur gemessen – einmal für die Klubs, einmal für den Sender. Ich musste die ganze Zeit bis Spielbeginn natürlich eine Maske tragen – und dann kam auch noch dazu, dass ich ja seit der Corona-Unterbrechung kein Spiel mehr kommentiert hatte (lacht). Aber glücklicherweise hat die Premier League viel von der deutschen Bundesliga gelernt, die eine richtige Blaupause ist.

Man schaut sich Dinge ab, bei den Sicherheitsmaßnahmen oder der Durchführung der Spiele?

Oh ja, ganz sicher. Die Bundesliga ist nicht nur für die Premier League zum Vorbild geworden, auch für Spanien, Italien, Portugal – überall, wo der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde oder aufgenommen werden soll, blickt man auf Deutschland. Der frühe Re-Start war ein mutiger Schritt. Und auch ich muss sagen: Ich habe in den letzten Wochen eine ganze Menge Bundesliga geschaut, das hat meine Freude auf den Re-Start hier nur noch gesteigert und mich in die richtige Stimmung gebracht.

Wie bewerten Sie den Re-Start?

Wir haben ja noch weitaus mehr Spiele im Terminkalender als die Bundesliga (die Premier League ist aktuell am 30. von 38 Spieltagen, Anm. d. Red.), dann auch noch acht Mannschaften im FA-Cup, dann die Champions League und die Europa League. Insgesamt spielen wir über 90 Partien in 40 Tagen, alle zu verschiedenen Anstoßzeiten bis auf den letzten Spieltag. Eigentlich hatten es die Fans also noch nie so gut: Fast jeden Tag ein Spiel (lacht).

Dabei wird auch in Deutschland die fehlende Atmosphäre bei Geisterspielen bemängelt.

Die aktuelle Situation bietet doch eine einmalige Chance für die Zuschauer: Die Möglichkeit, etwas mitzubekommen von den Anweisungen der Trainer, die man über die Stadionmikrofone ansonsten ja kaum hören kann. Das ist doch wirklich spannend. Aber abgesehen davon: Dieser Re-Start geht weit über den Fußball hinaus.

Ja?

Er ist für das ganze Land ein positives Symbol, ein Zeichen, dass es in die richtige Richtung geht. Wir sind noch lange nicht am Ziel, wir haben die Krankheit noch nicht besiegt, aber wir bewegen uns langsam in die richtige Richtung. Es ist auf jeden Fall ein kleiner Schritt zurück zur Normalität. Aber nicht nur hier in England haben wir einen weiteren positiven Effekt des Re-Starts schon gesehen: Das Engagement der Spieler und Vereine gegen Rassismus.

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Sie meinen die bewegenden Botschaften und Aktionen nach dem Mord an George Floyd in den USA...

Genau. Dortmunds Jadon Sancho und andere haben ja auch in Deutschland ein Zeichen gesetzt. Wir können stolz auf diese Spieler sein. Und darauf, dass wir alle zusammengekommen sind in diesem gemeinsamen Kampf gegen den Rassismus. Und dann auch das Engagement von Manchester Uniteds Marcus Rashford für Kinder hier in England, das die Regierung sogar dazu gebracht hat, eine Entscheidung zurückzunehmen (Rashford hatte sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass ein von der Regierung von Boris Johnson beendetes Programm für Essensgutscheine für Kinder aus bedürftigen Familien fortgesetzt wird, Anm. d. Red.).

Ist das Bewusstsein, etwas bewegen zu können, bei den Spielern heute weiter verbreitet als früher?

Die Spieler haben heute einfach mehr Einfluss. In England sagen wir gerne: Fußball fand früher nur auf den Rückseiten der Tageszeitungen und im Sportteil statt, aber heute überall: Im Unterhaltungsteil, sogar im Modeteil (lacht), im Autoteil, weil viele Spieler ja nun mal teure Autos haben – und auch auf den Titelseiten.

Fußball ist ein viel größerer Teil des öffentlichen Lebens geworden.

Sie wissen, dass sie einen höheren Bekanntheitsgrad haben, als das bei früheren Generationen der Fall war. Und dadurch wissen sie auch, dass das, was sie tun, auf ein großes Echo stoßen wird und Aufmerksamkeit bekommt.

Das kann natürlich auch Selbstdarstellern Raum bieten…

Ich bin aber überzeugt davon, dass die Spieler sich engagieren, weil sie helfen wollen. Sie sind sich bewusst, in einer privilegierten Position zu sein mit der Möglichkeit, ihr Können jede Woche zeigen zu dürfen und dafür auch noch fürstlich bezahlt zu werden. Und sie erkennen auch die sozialen Ungerechtigkeiten – oft, weil sie sie früher selbst erfahren mussten. Wieder das Beispiel Marcus Rashford, der ausführlich darüber gesprochen hat, in was für armen Verhältnissen er aufgewachsen ist und was er im Schulsystem erleben musste.

Das soziale Gewissen also?

Oh ja, und das ist so wichtig. Die Spieler wollen immer mehr zeigen, dass sie nicht nur gut gegen einen Ball treten können, sondern auch eine Meinung haben. Und das ist doch großartig.

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