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Skispringen: Karl Geiger über sein Ziel, Sven Hannawald zu beerben


Skispringer Karl Geiger
"Werde alles daran setzen, Sven Hannawald zu beerben"

  • Melanie Muschong
InterviewVon Melanie Muschong

Aktualisiert am 28.02.2020Lesedauer: 7 Min.
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Karl Geiger: Das deutsche Skisprung-Ass ist der Hoffnungsträger für die nächsten Jahre.Vergrößern des Bildes
Karl Geiger: Das deutsche Skisprung-Ass ist der Hoffnungsträger für die nächsten Jahre. (Quelle: Eibner Europa/imago-images-bilder)

Skispringer Karl Geiger ist aktuell Zweiter im Gesamtweltcup. Zuletzt hat er in Rasnov gewonnen. Im Interview mit t-online.de spricht er über seine Karriere und sein Ziel, Ex-Springer und Tourneesieger Sven Hannawald zu beerben.

Dieses Wochenende findet der Skisprung-Weltcup in Lahti (Finnland) statt. Am heutigen Freitag (17.30 Uhr im Liveticker bei t-online.de) startet das Einzel auf der Großschanze. Neben dem Österreicher und Gesamtweltcup-Führenden Stefan Kraft ist sein Verfolger Karl Geiger der größte Favorit auf den Sieg. Bereits beim letzten Springen in Rasnov (Rumänien) konnte der gebürtige Bayer gewinnen.

Im Interview mit t-online.de spricht die neue deutsche Skisprung-Hoffnung über seine Karriere und sein Studium, die aktuelle Diskussion um Material und Verletzungen, und sein Ziel, Skisprung-Legende Sven Hannawald zu beerben.

t-online.de: Herr Geiger, Sie sind im Gesamtweltcup aktuell Zweiter hinter Stefan Kraft. Zwischenzeitlich standen Sie vor ihm. Fuchst Sie das?

Karl Geiger (27): Es ist schade. Gesamtweltcup-Führender zu sein ist das schönste Gefühl, das man haben kann. Andererseits muss ich sagen: Wenn man mir am Anfang der Saison gesagt hätte, dass ich im Februar schon über 1.000 Weltcup-Punkte hätte, dann hätte ich gesagt, dass es aber mega gut gelaufen sein muss. Der Stefan ist in letzter Zeit einfach besser gesprungen und das hat er sich verdient.

Haben Sie Kontakt miteinander trotz der Konkurrenzsituation?

Wenn wir mit dem Lift zusammen hochfahren, dann unterhalten wir uns schon. Wir kommen auch echt gut klar. Aber unter der Woche schreiben wir nicht miteinander.

Wie gehen Sie mit der aktuellen Ausgangslage um?

Ich bin entspannt, ich bin Zweiter und es ist alles offen. Mir ist es egal, was am Ende herauskommt, weil es meine beste Saison ist. Ich weiß auch, dass es noch etwas zu tun gibt. Ich gehe trotzdem auf Angriff.

Wo sehen Sie ein Verbesserungspotenzial bei sich selbst?

Es ist das Gesamtpaket. Ich bin stabiler als im letzten Jahr. Aber sowohl bei der Anfahrtshocke als auch beim Absprung, aber auch im Übergang und im Flug gibt es noch Dinge, die ich verbessern kann und die noch nicht ausgereift sind. Wenn man sagen würde, es wäre perfekt, dann hört man auf zu arbeiten. Es gibt immer etwas zu tun.

Sie haben in Deutschland wieder eine Euphorie fürs Skispringen ausgelöst. Ist Ihnen das bewusst?

Eigentlich ist mir das nicht so bewusst, aber es freut mich extrem. Vor allem, wenn auch Kinder dadurch fürs Skispringen begeistert werden. Wir stehen aktuell gut da, aber es soll auch noch in zehn Jahren weitergehen und der Sport soll gepusht werden. Ich hoffe, dass Nachwuchs da ist, dass die Lücke gefüllt wird, wenn wir mal gehen.

In dieser Saison sind Ihre Nerven sehr stark, gerade, wenn man an Val di Fiemme denkt. Wie haben Sie sich diese mentale Stärke antrainiert?

Nervenflattern hatte ich im Jugendbereich, aber die letzten Jahre habe ich mir ein ziemlich gutes Wettkampfkonzept zurechtgelegt. Wenn man die Trainingsleistungen mit den Wettkampfleistungen verglichen hat, war ich im Wettkampf deutlich besser. Ich habe das Trainingsniveau angehoben, jetzt läuft es im Wettkampf immer besser. Es findet viel im Kopf statt, aber auch viel im Kraftraum. Dort werden die Grundsteine für das Techniktraining gelegt und der Rest passiert im Kopf – wie man das Ganze auf die Schanze transferiert, etwa. Es braucht Lockerheit und Feingefühl, sonst funktioniert es nicht.

Wie viel Zeit vor einem Wettkampf nehmen Sie sich, um sich einfach nur auf sich zu konzentrieren?

Das erste Mal fahre ich mich runter, bevor wir überhaupt an die Schanze gehen. Beim Aufwärmen konzentriere ich mich auch, aber dazwischen geht man aus dem Tunnel raus. Je dichter es zum Sprung hingeht, desto ruhiger wird man und desto mehr Scheuklappen hat man aufgelegt.

Spielt das Thema Angst eine Rolle?

Respekt vor der Schanze ist nur vor dem ersten Sprung da. Wenn man dann gesprungen ist und merkt, dass alles wie gewohnt ist, ist der Respekt weg.

Können Sie sich noch an Ihre ersten Sprungerlebnisse erinnern?

Als Kind war es immer so, dass jeder Schritt auf eine größere Schanze, die man noch nicht gesprungen ist, eine gewisse Nervosität und einen Grundrespekt hervorgerufen hat. Das Coole war aber immer: Egal, wie nervös man oben war, wenn man unten gestanden ist, hat man sich gefreut und wollte wieder hoch.

Waren Sie früher Fan von Sven Hannawald und Martin Schmitt?

Ich war ziemlich großer Fan (lacht). Als Kind habe ich die Zeiten bei der gesamten Tournee mitbekommen, das war schon toll. Das waren Vorbilder. Man wollte sagen: Da will ich auch mal mitspringen und es so machen, wie sie es machen.

Was bedeutet es Ihnen, wenn Sven Hannawald sagt, dass er glaubt, dass es in der Ära Horngacher einen Tourneesieger geben wird und er es Ihnen zutraut?

Das freut mich sehr, es ist ein schönes Gefühl. Als Kind habe ich zu Leuten wie Sven Hannawald hochgeschaut. Jetzt hat sich die Zeit weitergedreht. Er ist Skisprung-Experte im Fernsehen und ich kann selbst mitfighten.

Glauben Sie es bräuchte mehr "Superstars" im Skispringen?

Ich finde es interessant so wie es jetzt ist. Viele Leute sind in der Lage zu gewinnen. Die Spannung wird hochgehalten. Jedes Wochenende ist neu und es steht jemand anderes oben. Manchmal sind es Leute, die man nicht auf dem Schirm hatte. Das macht es interessanter, als wenn es immer nur einen Gewinner gibt.

Warum ist Konstanz in einer Skisprung-Karriere so schwierig?

Das liegt meiner Meinung nach an der ganzen Komplexität der Sportart. Das Blöde ist, dass man oft schleichende Prozesse nicht bemerkt. Der Sprung verändert sich immer ein bisschen. Von Wochenende zu Wochenende. Von Jahr zu Jahr. Irgendwann schleichen sich Fehler ein, die im Jahr darauf nicht mehr zu kompensieren sind und andere ziehen dann nach. Man muss wachsam bleiben und aufpassen.

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Würden Sie sich selbst als Perfektionisten bezeichnen?

Das ist bei mir schon so. Bei mir kam es über die Jahre, die Kontinuität, weil ich drangeblieben bin und immer versucht habe, kleine beständige Schritte zu machen.

Sie haben bis vergangenen Dezember Energie- und Umwelttechnik studiert. Warum war Ihnen dieser zusätzliche Weg wichtig?

Ich finde es wichtig, dass man noch etwas für das spätere Leben hat. Irgendwann ist das Skispringen vorbei. Ich hoffe, dass es lange geht, aber man weiß es nicht. Ich möchte noch etwas haben, falls es mit dem Sport nicht funktioniert. Das Studium hat mich interessiert und mir richtig viel Spaß gemacht.

Wie viel von Ihrem Studium steckt im Skispringen?

Ich bin schon ein technikinteressierter Mensch und habe das versucht auch auf der mechanischen Schiene zu analysieren, um zu sehen, warum Sprünge weit fliegen oder auch nicht. Eins zu eins kann man es nicht umsetzen, aber ich habe es trotzdem versucht einzubauen. Dabei hat mir das Studium sehr geholfen.

Was fasziniert Sie am meisten an Ihrer Sportart?

Man kann viel mit Willenskraft und Entschlossenheit erreichen. Manchmal funktionieren Sprünge mit ziemlich groben Fehlern noch gut. Andererseits muss man auf die ganz feine Mechanik achten, um das Optimum herauszuholen. Ich finde es interessant, dass das ganz Grobe mit dem ganz Feinen zusammenpassen muss, damit es funktioniert.

Sie sind Fan der Normalschanze, obwohl heutzutage fast nur noch auf der Großschanze gesprungen wird. Woher kommt Ihre Begeisterung dafür?

Jeder Sportler hat einen gewissen Grundsprung und eine gewisse Grundtechnik, die man versucht weiterzuentwickeln. Sie ist mit bestimmten Stärken und Schwächen ausgestattet. Wenn ich alles richtig mache, bin ich absprungstark und kann viel Energie aufbringen. Dadurch bin ich auf kleineren Schanzen im Vorteil. Wenn ab und zu eine kleine Schanze dabei ist, finde ich das nicht so schlecht.

Würden Sie sich manchmal wünschen, es wäre nicht alles so stark reglementiert?

Die Regeln gehören dazu. Sie sind im Straßenverkehr genauso präsent wie im Sport. Manchmal fragt man sich schon, ob ein gesondertes Vorfahrtsschild noch nötig ist, oder ob das alte nicht reicht. Aber damit muss man sich arrangieren.

Aktuell gibt es eine große Diskussion, um die Verletzungsthematik im Skispringen. Wie stehen Sie zur Materialfrage?

Das Material ist deutlich effektiver, auch der Kontakt-Ski. Es hat alles weniger Spiel. Das war früher einfacher, weil mehr Spiel im System war, wenn ein Sturz kam. Das ist jetzt nicht mehr so und das geht auf die Bänder. Prinzipiell ist es aber auch das, was den Sport weitergebracht und weiterentwickelt hat. Es ist blöd, wenn so eine Verletzung passiert. Es kann aber in jedem Sport passieren. Ich weiß nicht, ob es die Lösung ist, wenn man das Material wieder zurückschrauben würde. Damit ist auch keinem geholfen.

Ist es möglich das Flugmaterial so zu belassen wie es ist und den Schuh weicher zu machen?

Das wäre meiner Meinung nach keine gute Lösung. Wenn man den Schuh weicher macht, dann wäre die Landung eventuell besser, aber die Karbonteile helfen ja im Flug. Der Flug wäre dann ineffektiver und man muss auch sagen, es gibt mehr Kreuzbandrisse, aber deutlich weniger Saltos. Die haben sich durch das Material rückläufig entwickelt. Das sind auch schlimme Stürze. Man muss dazu sagen, es ist auch immer Eigenverschulden bei Verletzungen dabei. Als ich mir eine Prellung zugezogen habe, bin ich unglücklich gelandet. Oftmals ist es also Unglück.

Was wünschen Sie sich für Ihre Restsaison?

Ich möchte die Form und die Konstanz, die ich habe, ohne Einbrüche beibehalten. Das wäre viel wert. Ich gebe in jedem Wettkampf Vollgas, aber ich mache mir keinen Druck. Es ist Sport, ich mache ihn gerne. Wenn dann Erfolge dazukommen, ist es einfach wunderschön.

Haben Sie sich für die Zukunft bestimmte Ziele gesetzt?

Ziele hat man immer und die sind auch wichtig. Mannschaftlich gesehen ist die Vierschanzentournee ein Ziel. Es wird mal wieder Zeit, den Tourneesieg wieder nach Deutschland zu holen. Wir waren oft genug nah dran, aber es ist noch nicht aufgegangen. Aber daran werden wir alles setzen.

Sie insbesondere, um Hannawald zu beerben?

Ich werde alles daran setzen, Sven Hannawald zu beerben. Die Tournee ist ein geiles Event, man freut sich jedes Jahr drauf. Es ist aber nicht leicht zu gewinnen und man braucht auch ein Quäntchen Glück. Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass man witterungsbedingt auch gewisses Glück braucht. Man muss acht herausragende Sprünge springen, damit es mit dem Tourneesieg funktioniert. Ich werde Gas geben. Nächstes Jahr ist auch die Heim-WM in Oberstdorf ein großes Ziel für mich und das Team. Es wird wohl nur einmal in meiner Karriere eine Heim-WM geben, da setze ich alles daran und gebe Vollgas.

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