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Günter Grass ist tot: "Die Blechtrommel" brachte den Durchbruch


"Ein wahrer Gigant"
Günter Grass im Alter von 87 Jahren gestorben

Von dpa
Aktualisiert am 13.04.2015Lesedauer: 4 Min.
Literaturnobelpreisträger Günter GrassVergrößern des BildesGünter Grass (Quelle: dpa-bilder)
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Mit der "Blechtrommel" schrieb Günter Grass Weltliteratur. Jetzt starb der Nobelpreisträger im Alter von 87 Jahren in Lübeck. Die Literaturwelt verneigt sich vor dem großen Autor, die Politik zollt dem Streiter für Demokratie Respekt. Die Stadt Lübeck bereitet eine Trauerfeier vor.

"Ein wahrer Gigant", schrieb der Schriftsteller Salman Rushdie über seinen verstorbenen Kollegen. "Günter Grass war ein Weltliterat. Sein literarisches Vermächtnis wird neben dem von Goethe stehen", sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU).

Grass erlag in einem Krankenhaus den Folgen einer schweren Infektion, wie sein Sekretariat in Lübeck mitteilte. Er starb im Kreise seiner Familie. Über den Ort und den Tag der Beisetzung gab es zunächst keine Informationen. Die Stadt Lübeck bereitet eine Trauerfeier vor.

Nobelpreis für die "Blechtrommel"

"Er war das 20. Jahrhundert, mindestens nach Thomas Mann", erklärte Juror Per Wastberg von der Schwedischen Akademie. Sie hatte Grass 1999 für die "Blechtrommel" den Nobelpreis zuerkannt. Das Nobelpreis-Komitee hatte das Werk als die "Wiedergeburt des deutschen Romans im 20. Jahrhundert" gelobt: "'Die Blechtrommel' ist ein Meilenstein in der europäischen Literatur." Seit 1960 sei Grass "mit seiner großartigen Vorstellungskraft der dominierende europäische Autor" gewesen.

In der "Blechtrommel" erzählte Grass von den Erlebnissen des aus Danzig stammenden Zwerges Oskar Matzerath, der sich mit drei Jahren weigert, weiter zu wachsen.

Noch am 28. März hatte Grass im Hamburger Thalia Theater die Uraufführung der "Blechtrommel" miterlebt und die Premierenfeier mit seinen erwachsenen Kindern besucht. Sein letztes literarisches Werk mit dem Titel "Vonne Endlichkait" wird der Steidl Verlag im Sommer herausbringen. Grass habe bis wenige Tage vor seinem Tod an dem Buch gearbeitet, sagte sein Verleger Gerhard Steidl in Göttingen.

"Kämpfer für Demokratie und Frieden"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte: "Mit dem Tod von Günter Grass verliert die Bundesrepublik Deutschland einen Künstler, von dem ich mit tiefem Respekt Abschied nehme." Bundespräsident Joachim Gauck Gauck nannte Grass einen großen Autor und streitbaren politischen Geist: "In seinen Romanen, Erzählungen und in seiner Lyrik finden sich die großen Hoffnungen und Irrtümer, die Ängste und Sehnsüchte ganzer Generationen."

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nannte Grass einen Wegbegleiter, engen Freund und Ratgeber der deutschen Sozialdemokratie. "Mit ihm verlieren wir einen der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsgeschichte und einen engagierten Autor und Kämpfer für Demokratie und Frieden." Auch Bundestagpräsident Norbert Lammert sowie die Grünen und die Linke würdigten den Jahrhundertautor, der aus Danzig stammte. Die literarische Bedeutung betonten neben vielen anderen auch die beiden Literaturnobelpreisträger Elfriede Jelinek und Imre Kertész.

Grass hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg früh für die Aussöhnung mit Polen eingesetzt und Anfang der 1970er Jahre die Ostpolitik des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) unterstützt. Die Todesnachricht löste auch in Danzig Betroffenheit aus. Bürgermeister Pawel Adamowicz sagte: "Er war unser Landsmann." Grass war Ehrenbürger seiner Geburtsstadt.

"Blechtrommel" sorgte für Aufruhr

Grass war gleich mit seinem ersten Roman, der 1959 erschienenen "Blechtrommel", der literarische Durchbruch gelungen. Das Erscheinen des Bildungs- und Schelmenromans rief in der Bundesrepublik manche Sittenwächter auf den Plan, die sich an den teils deftigen erotischen Szenen störten. Seit den "Buddenbrooks" von Thomas Mann habe kein Erstling einen derartigen Aufruhr verursacht, befand später das Nobelpreiskomitee. Volker Schlöndorffs Verfilmung gewann die Goldene Palme von Cannes und den Oscar für den besten ausländischen Film (1980).

Der seit mehr als 25 Jahre in Behlendorf bei Lübeck lebende Grass hatte nach dem Krieg eine Steinmetzlehre gemacht und Kunst in Düsseldorf und Berlin studiert; er war Bildhauer und Grafiker. Er zeichnete auch und schrieb sogar von dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki hochgelobte Gedichte. "Die Blechtrommel" bildet zusammen mit der Novelle "Katz und Maus" (1961) und dem Roman "Hundejahre" (1963) die Danziger Trilogie. Zudem hat Grass eine Trilogie der Erinnerung geschrieben mit den autobiografischen Bänden "Beim Häuten der Zwiebel" (2006), "Die Box" (2008) und "Grimms Wörter" (2010).

Weitere wichtige Werke sind die Novelle "Aus dem Tagebuch einer Schnecke", die Romane "Der Butt" (1977) und "Die Rättin" (1986), das skandalumrankte Buch "Ein weites Feld" (1995) sowie die Novelle "Im Krebsgang" (2002) über das Leid der Deutschen im selbstverschuldeten Zweiten Weltkrieg am Beispiel des Untergangs des Schiffes "Wilhelm Gustloff" 1945 mit mehr als 10.000 Menschen an Bord - herbeigeführt durch ein U-Boot der russischen Marine.

SS-Zugehörigkeit verschwiegen

Mit der Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" sorgte Grass 2006 für manchen Aufschrei. Grass wurde vorgeworfen, seine kurze SS-Zugehörigkeit jahrzehntelang verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisiert habe. Manch einer sprach ihm die moralische Integrität ab. Ein Vorwurf, der ihn erneut im April 2012 traf: Als er in dem Gedicht "Was gesagt werden muss" mahnte, Israels Atomwaffen gefährdeten den Frieden und ein israelischer Erstschlag könnte das iranische Volk auslöschen. Israel verhängte ein Einreiseverbot gegen ihn.

Die deutsche Wiedervereinigung 1990 hielt Grass für übereilt, auch plädierte er erfolglos für eine neue gemeinsame deutsche Verfassung. Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, sagte: "Wenn er die Demokratie in Gefahr sah, ging er keiner notwendigen Auseinandersetzung aus dem Wege."

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